Plattenpanzer

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Datei:Plattenpanzer.jpg
Plattenpanzer, aufgenommen in Schloss Homburg

Als Plattenpanzer bezeichnet man eine Schutzrüstung, die aus mehreren großen, miteinander möglichst beweglich verbundenen Metallplatten besteht. Plattenpanzer, die einen Großteil des Körpers schützten, kamen gegen Ende des 14. Jahrhunderts in Westeuropa auf und fanden bis in das 17. Jahrhundert hinein Verwendung.

Geschichte

Erste Plattenrüstungen

Hoplit mit Helm, Brustpanzer und Beinschienen

Frühe Plattenpanzer entstanden bereits in der Bronzezeit, vor allem im griechischen Kulturkreis. So ist ein mykenischer Bronzepanzer aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. erhalten, welcher allerdings äußerst sperrig und schwer ist. Seit dem Ende des 8. Jahrhundert v. Chr. benutzten die Griechen kurze Brustpanzer, zu denen Beinschienen zum Schutz der Unterschenkel und ein Helm getragen wurden. Auf diese Weise schützte sich die schwere griechische Infanterie, die aus den Hopliten bestand. Die bronzene Rüstung der Hopliten - Panhoplia genannt - konnte über 30 kg wiegen und bot einen exzellenten Schutz gegen die meisten der damals gebräuchlichen Nah- und Fernkampfwaffen. Deshalb wurden viele Hopliten zum Opfer von gezielten Angriffen auf die Genitalien, das Gesicht, die Oberschenkel oder die Arme. Die meisten Todesfälle in den Schlachten der griechischen Antike wurden jedoch durch schwere Quetschungen und Knochenbrüche verursacht, die entstanden, wenn die in dichter Phalanx kämpfende Infanterie über am Boden liegende Hopliten marschierte.

Auch bei den Römern waren bis zum Untergang des Römischen Reiches Brustpanzer aus Bronze und Eisen gebräuchlich, wozu meist Schienen für die Unterarme und Unterschenkel getragen wurden. Im 2. Jahrhundert v. Chr. - möglicherweise noch früher - entwickelten die Kelten das Kettenhemd, das im selben Jahrhundert auch in der römischen Armee Verbreitung fand und schnell zur wichtigsten Rüstungsart der Legionäre wurde. Brustpanzer verloren in der Folgezeit an Bedeutung und wurden lediglich von Offizieren getragen.

Zeitalter ohne Plattenpanzer

Nach dem Zerfall des Römischen Imperiums aufgrund der Völkerwanderung war das Kettenhemd lange Zeit der bevorzugte Schutz der wohlhabensten Krieger bzw. des Adels. Im Hochmittelalter kamen Kettenrüstungen auf, welche fast den gesamten Körper einhüllten. Darunter trug man eine Textilrüstung - Gambeson genannt - welche den eher geringen Schutz, den eine Kettenrüstung vor Hieb- und Stichwaffen bot, erhöhte. Weitere Metallrüstungsarten, die zu dieser Zeit verwendet wurden, waren Schuppen- und seltener Lamellenpanzer.

Notwendigkeit von massiveren Rüstungen

Vor dem wuchtigen Aufprall einer Lanze und vor allem vor der im 11. Jahrhundert in Europa aufkommenden Armbrust, bot eine Kettenrüstung einen äußerst geringen Schutz. Auch der Langbogen schmälerte den Schutzwert der Kettenrüstung beträchtlich, so dass es erforderlich wurde, eine massivere Rüstungsart zu entwickeln. Bereits im späten 12. Jahrhundert ist man offenbar vereinzelt dazu übergegangen, die Brust durch Metallplatten zu schützen.

Im 13. Jahrhundert wurde die allmähliche Entwicklung hin zur Plattenrüstung deutlich. Zunächst begann man, die Gliedmaßen durch Metallplatten zu schützen. Etwa in der Mitte des 13. Jahrhunderts wurden die Knie durch Platten geschützt, um 1260 kamen die Ellbogen hinzu. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts wurden vereinzelt die Schienenbeine durch Metallplatten geschützt, die über oder eventuell unter der Kettenrüstung getragen wurden. Zur selben Zeit wurden auch die Handschuhe durch Metallplatten verstärkt, was aber noch recht selten geschah.

Am Ende des 13. Jahrhunderts kamen erste Spangenharnische auf, auch als Plattenrock bekannt. Ein Plattenrock bestand aus mehreren rechteckigen Metallplatten, die sowohl vertikal als auch horizontal an der Innenseite eines Stoff- oder Ledergewandes vernietet wurden. Um 1320 kamen Eisenschuhe auf, und in den 1320er Jahren wurden Armschienen üblich. Seit den 1330er Jahren wurden auch die Waden durch Metallplatten geschützt. Der Schutz für die Hände wurde Mitte des 14. Jahrhunderts durch Fingerhandschuhe verbessert, die komplett aus Platten bestanden. Um 1370 setzte sich schließlich der Brustpanzer durch, der die Plattenrüstung vervollständigte. Wenige Jahre später wurde der am Brustpanzer angebrachte Rüsthaken üblich, auf den die Lanze abgelegt werden konnte. Der zuvor getragene Topfhelm wurde durch die Hundsgugel verdrängt, die über ein hochklappbares Visier verfügte.

Die kämpfenden Adligen waren nun durch eine Vollrüstung geschützt, die aus mehreren Dutzend Metallplatten bestand, welche durch zahlreiche Riemen, Nieten und Scharniere flexibel miteinander verbunden waren. Zusätzlich wurde meist ein Kettenhemd unter dem Plattenpanzer getragen, um die Achseln und den Genitalbereich zu schützen. Alternativ konnte direkt an diesen Stellen Kettengeflecht angebracht werden. Zusätzlich befestigte man zum Schutz der Achselhöhlen Metallscheiben an der Rüstung. Viele Ritter und sonstige Adlige waren bis zum Ende des 14. Jahrhunderts überwiegend durch Kettengeflecht geschützt, da sie sich die neuen Rüstungsteile aus Platten oftmals nicht leisten konnten.

Die Entwicklung von Plattenrüstungen stellte eine europäische Besonderheit dar. In anderen Regionen der Welt wurden die unterschiedlichsten Rüstungsarten verwendet, aber nur in Europa ging man dazu über, den gesamten Körper durch Metallplatten zu schützen. Ansätze einer vollständigen Plattenpanzerung gab es bei den Türken, Persern und Indern, die zum Schutz des Rumpfes und der Gliedmaßen größere Metallplatten an ihren Kettenrüstungen befestigten.

Weitere Entwicklungen

Die Plattenrüstung, auch Harnisch genannt, erwies sich als äußerst effektiv, weshalb das Tragen eines Schildes unüblich wurde. Als Ausgleich gingen die Rüstungsschmiede im 15. Jahrhundert dazu über, den linken Ellbogen durch eine besonders große Armkachel zu schützen. Außerdem wurde das "Achsel" genannte Rüstungsteil zum Schutz der rechten Schulter verkleinert, um das Einlegen der Lanze zu erleichtern. Die daraus resultierende Asymmetrie war bei italienischen Harnischen besonders stark ausgeprägt. Im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts fanden Helmtypen wie der Schaller und der Armet Verwendung, zu denen man als Kinn- und Halsschutz einen so genannten "Bart" trug. Das Kettengeflecht zum Schutz der Halspartie wurde dadurch überflüssig. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts entstanden Harnische, welche durch die erhöhte Anzahl von beweglich verbundenen Metallplatten die Arme besser als zuvor schützten. Als Folge davon wurden die Armkacheln wieder kleiner und schließlich symmetrisch. Zur selben Zeit wurde ein Genitalschutz gebräuchlich, die Brayette. Um 1500 entwickelte sich aus dem Bart das Kragenteil, welches man unter dem Brustpanzer trug. Dazu trugen viele Reiter den geschlossenen Helm mit einem ein- oder zweiteiligen Visier.

Obwohl bereits im 14. Jahrhundert brauchbare Feuerwaffen in Europa aufkamen, dauerte es recht lange, bis diese das Tragen einer Rüstung überflüssig werden ließen. Eine kriegstaktisch folgenreiche Entwicklung begann um 1520 mit der Erfindung des Radschlosses, wodurch die Konstruktion von Pistolen ermöglicht wurde. Da Pistolen auch beim Reiten betätigt werden können, kamen sie vor allem in der Kavallerie zum Einsatz. Ein Reiter konnte mehrere Pistolen mit sich führen, was ein Vorteil gegenüber der ebenfalls bei manchen Kavallerie-Einheiten gebräuchlichen Arkebuse war. Die Lanze verlor in der Folgezeit immer stärker an Bedeutung, weshalb bei vielen Reiterharnischen auf den Rüsthaken verzichtet wurde. Aus demselben Grund fertigten die Rüstungsschmiede Harnische mit symmetrischen Achseln, da kein Platz zum Einlegen der Lanze mehr benötigt wurde.

Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts setzte sich allmählich die Muskete als Infanteriewaffe durch, die eine größere Feuerkraft als die zuvor verwendete Arkebuse entfaltete. Ein Plattenpanzer konnte aus einer Entfernung von über 100 Metern von einer Musketenkugel durchschlagen werden, wobei die Trefferquote äußerst gering war. Rüstungen besaßen also weiterhin einen gewissen Nutzen, wurden jedoch aus dickeren Platten geschmiedet, wodurch sich ihr Gewicht erhöhte. Deshalb verzichtete man im Laufe des 16. Jahrhunderts auf mehrere Rüstungsteile und konzentrierte sich auf den Schutz des Kopfes und der inneren Organe. Die Beweglichkeit im Kampf besaß Vorrang.

Die verschiedenen Truppengattungen, die sich zu Beginn der Frühen Neuzeit herausgebildet hatten, waren je nach ihrer taktischen Aufgabe unterschiedlich gerüstet. Die schweren Lanzierer trugen nach wie vor einen vollständigen Reiterharnisch, auch Küriss genannt. Sie wurden allmählich von den Kürassieren verdrängt, die meist einen bis zu den Knien reichenden Dreiviertelharnisch trugen. Schwere Lederstiefel ersetzten dabei das Unterbeinzeug. Ein derartiger Harnisch konnte knapp 30 kg wiegen. Zum wichtigsten Kopfschutz der Kürassiere wurde im späten 16. Jahrhundert die Sturmhaube. Die Arkebusierreiter, welche die leichte Kavallerie bildeten, begnügten sich vielfach mit einem Brust- und Rückenpanzer, zu dem sie eine Sturmhaube oder die aus Ungarn kommende Zischägge trugen. Die Dragoner kamen mit einem einfachen Helm und einem Lederkoller aus. Am leichtesten gerüstet waren die Musketenschützen, von denen manche einen Morion oder einen Birnhelm trugen. Sie wurden beim Nachladen von den Pikenieren geschützt, die üblicherweise mit einem Helm und einem Brustpanzer mit besonders großen Beintaschen ausgerüstet waren.

Das Ende für den Plattenpanzer

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Dreißigjähriger Krieg. Schlacht am Weißen Berge. Eine zeitgenössische Darstellung

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts weitete sich der Gebrauch von Feuerwaffen massiv aus. Kam in den meisten westeuropäischen Heeren zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) auf drei Pikeniere ein Musketenschütze, hatte sich dieses Verhältnis bei Kriegsende umgekehrt. Durch die Entwicklung von Salven-Taktiken erreichten die Infanterie-Formationen eine konzentrierte Feuerkraft, welche die Verwendung von Rüstungen faktisch überflüssig werden ließ. Hinzu kam der verstärkte Einsatz von immer beweglicheren Feldgeschützen, vor denen ein Harnisch keinerlei Schutz bieten konnte. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts verzichteten die meisten Truppengattungen gänzlich auf Schutzbekleidung.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden in den europäischen Staaten stehende Heere. Statt Rüstungen bestimmten Uniformen das Erscheinungsbild der Soldaten. Nur der Brust- und Rückenpanzer, der Kürass, wurde von einigen Kürassier-Einheiten für repräsentative Zwecke beibehalten. Darüber hinaus trugen manche Sappeure bei Belagerungen einen so genannten Sappen-Panzer und einen speziellen, besonders massiven Helm. In der Porträt-Malerei war es bis in das 18. Jahrhundert hinein üblich, dass sich Männer von hohem Stande in einem Harnisch porträtieren ließen, um dadurch an den Mythos von den ritterlichen Idealen zu erinnern.

Herstellung und Bestandteile von Plattenpanzern

Das Schmieden von Plattenrüstungen

Die Hersteller von Plattenpanzern wurden in Deutschland Plattner genannt und waren in eigenen Zünften organisiert. Die Plattner schmiedeten die für die Herstellung eines Harnisches nötigen Stahlplatten in der Regel nicht selbst, sondern kauften sie von bestimmten Händlern. Auf den Platten wurde ein Muster aufgezeichnet und die gewünschte Form ausgeschnitten, aus der dann ein Rüstungsteil geschmiedet wurde. Das Metall wurde häufig ausgeglüht, die meiste Schmiedearbeit erfolgte aber am erkalteten Metall mit speziellen Hämmern auf kleinen Ambössen. Durch das Einbrennen von Ölmischungen konnte die Rüstung die verschiedensten Farben erhalten.

Qualitativ hochwertige Plattenpanzer wurden im 15. Jahrhundert gegen Armbrustbolzen, im 16. Jahrhundert gegen Arkebusen- und Pistolenschüsse getestet. Wenn der Bolzen bzw. die Kugel vom Panzer abprallte, wurde dieser mit dem Beschaustempel der entsprechenden Plattnerzunft versehen, welcher meist Bezug auf die Heimatstadt der Zunft nahm. Nur wenige Rüstungen konnten erfolgreich gegen Musketenschüsse getestet werden.

Die Herstellung eines maßgefertigten Harnisches nahm meist mehrere Monate in Anspruch. Die Preisunterschiede zwischen Plattenrüstungen konnten gewaltig sein, aber in der Regel kosteten sie mindestens so viel, wie ein damaliger Handwerksmann in mehreren Jahren verdiente. Es gab auch Massenanfertigungen von Harnischen, die deutlich günstiger als die für den Adel geschmiedeten Rüstungen waren. Dafür waren sie oftmals sperriger und boten weniger Schutz. 1512 bestellte Heinrich VIII. für sein Fußvolk 2000 derartige Rüstungen, die in Florenz gefertigt wurden.

Eigenschaften und Bestandteile der Plattenrüstung

Entgegen weit verbreiteter Vorstellungen war es möglich, in einem für die Schlacht geeigneten Vollharnisch zu laufen, sich hinzulegen und wieder aufzustehen und sogar ohne Hilfe auf ein Pferd zu steigen. Ein spätmittelalterlicher/frühneuzeitlicher Vollharnisch wog durchschnittlich 20-30 Kilogramm. Ein heutiger Soldat mit voller Ausrüstung trägt oftmals ein größeres Gewicht am Körper. Zudem wurden die Adligen seit ihrer Kindheit an das Tragen von Rüstungen gewöhnt. Dem späteren römisch-deutschen Kaiser Karl V. wurde bereits im Alter von 12 Jahren eine Plattenrüstung geschmiedet, wobei ein Hemd und eine Hose von ihm als Vorlage für den Plattner dienten.

Das größte Problem an einer Plattenrüstung stellte keineswegs das Gewicht, sondern die Hitzeentwicklung dar. So soll der Herzog von York 1415 in der Schlacht bei Azincourt an einer Herzattacke gestorben sein, die aus der großen Hitze in seiner Rüstung resultierte. Ein weiteres Problem stellte Rost dar, der insbesondere bei hoher Luftfeuchtigkeit entstand. Um eine Plattenrüstung vor dem Verrosten zu schützen, war es üblich, sie zu schwärzen oder anderweitig zu färben. Die Plattner mussten gute Kenntnisse über den menschlichen Bewegungsapparat besitzen, um möglichst flexible Rüstungen anfertigen zu können. Ein bis heute erhaltener Harnisch von König Heinrich VIII. umhüllt seinen Träger vollständig, ist dabei jedoch äußerst beweglich, weshalb er in den 1960er Jahren von der NASA ausführlich studiert wurde, um Impulse für die Konstruktion eines effektiven Weltraumanzugs zu liefern.

Eine vollständige Plattenrüstung des 15./16. Jahrhunderts bestand in der Regel aus folgenden Teilen :

  • Helm mit Kragenteil
  • Brustpanzer mit Plattenschurz aus mehreren Metallreifen und Beintaschen (Tassetten)
  • Rückenteil mit einem starren oder mehreren beweglichen Gesäßreifen
  • Armkacheln und Mäusel für die Ellbogen
  • Achselscheiben zum Schutz der Achselhöhlen
  • Achsel zum Schutz der Schulterpartie, an der ein Brechrand angebracht werden konnte
  • Oberarm- und Unterarm-Röhre, welche zusammen mit den Handschuhen (als Fausthandschuhe "Henze" genannt), den Armkacheln und Mäuseln das Armzeug bilden
  • Diechlinge zum Schutz der Oberschenkel, Kniekacheln, Beinröhren für die Unterschenkel und die Eisenschuhe bilden zusammen das Beinzeug
  • Brayette zum Schutz der Genitalien

Produktionszentren

Bereits im frühen 15. Jahrhundert wurden Norditalien und Süddeutschland führend in der Produktion von Harnischen. Italienische Rüstungen waren bereits seit dem späten 13. Jahrhundert nach ganz Europa exportiert worden. Bedeutende Zentren der Harnischproduktion waren in Italien Mailand, Brescia, Florenz, Genua, Venedig, Modena und Rom, wobei die mailändischen Schmieden führend waren. Die wichtigsten Produktionszentren auf deutschem Boden waren Augsburg, Landshut und Nürnberg. Zu einer herausragenden Stellung brachte es darüber hinaus die Hofschmiede in Innsbruck, die Kaiser Maximilian I. 1504 ins Leben rief. Kleinere Zentren existierten in Köln, Ulm, Wien, Magdeburg und Lübeck.

Auch in anderen Ländern entstanden große Rüstungsschmieden, die meist von italienischen oder deutschen Meistern geleitet wurden. In Anlehnung an Maximilian richtete Heinrich VIII. von England im Jahre 1515 eine königliche Schmiede in Greenwich ein, in der vor allem Deutsche und Niederländer tätig waren. Auch die schottischen Könige unterhielten eigene Schmieden. Jakob IV. ließ seine Harnische seit 1502 in Edinburgh anfertigen, sein Nachfolger Jakob V. eröffnete 1531 in Holyrood eine weitere Hofschmiede. Französische Rüstungen wurden vor allem in Paris, aber auch in St. Quentin, Tours und Rouen hergestellt. In der Plattnerei zu Lyon wurden mailändische Schmiede beschäftigt. Osteuropäische Rüstungen stammten meist aus Krakau.

Arten von Plattenpanzern

Bereits im 15. Jahrhundert bildeten sich verschiedene Arten von Plattenrüstungen heraus, die für einen speziellen Verwendungszweck konzipiert worden waren. Die für den Einsatz in der Schlacht verwendeten Rüstungen der schweren Reiterei wurden Feldharnische oder Feldkürisse genannt. Für den Kampf zu Fuß trugen die Kämpfer einen Fußküriss. Es existierten verschiedene Arten von Feld- und Fußkürissen, darüber hinaus wurden Turnier- und Paraderüstungen hergestellt, die meist nicht für den Kriegsgebrauch geeignet waren. Auch Schlachtrösser konnten seit dem späten 14. Jahrhundert durch eine Plattenpanzerung geschützt werden.

Turnierharnische

Im 15. Jahrhundert kamen Plattenrüstungen auf, die speziell für den Gebrauch auf Turnieren angefertigt wurden. Für das Turnier zu Pferd fand der so genannte Stechküriss Verwendung, der über 40 Kilogramm wiegen konnte. Er schränkte Beweglichkeit und Sichtfeld des Trägers deutlich stärker ein, als dies bei einem Feldküriss der Fall war. Allein der Helm eines Stechkürisses konnte über 10 Kilogramm wiegen und verfügte oftmals über eine Seitenklappe, um zwischen den einzelnen Durchgängen für Frischluft im Helm zu sorgen. Die Schulter- und Brustpartie auf der linken Körperseite wurde bei einer solchen Rüstung besonders stark geschützt, weshalb bei den meisten Stechkürissen eine deutliche Asymmetrie vorliegt. Manche Reiterharnische waren nicht nur für die Schlacht, sondern auch für das Turnier zu Pferd geeignet. Daneben existierten Fußturnier-Rüstungen, die als Kempfkürisse bezeichnet wurden. Bei den Kempfkürissen wurde auf den Rüsthaken verzichtet, da die Lanze im Fußturnier nicht zum Einsatz kam. Kempfkürisse waren meist symmetrisch gestaltet und glichen im Wesentlichen einem vollständigen Fußküriss. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts kamen Turniere beim europäischen Adel außer Mode. Dies führte zur Einstellung der Produktion von Turnierrüstungen.

Paradeharnische

Besonders wohlhabende Adlige ließen sich prunkvoll verzierte Harnische anfertigen, die um ein Vielfaches teurer sein konnten, als ein gewöhnlicher Feldharnisch. Die Ätzungen und Stiche auf diesen Prunkrüstungen stammten oftmals von berühmten Künstlern der damaligen Zeit. Dabei waren Motive aus der römischen und griechischen Antike sowie biblische Szenen besonders beliebt. Diese Rüstungen dienten meist repräsentativen Zwecken, einige von ihnen konnten aber auch im Kampf getragen werden. Eine besondere Erscheinung waren die so genannten gepufften und geschlitzten Harnische, die bis circa 1530 angefertigt wurden. Diese grotesk anmutenden Plattenpanzer ahmten die Bekleidung der Landsknechte nach und verfügten deshalb über gewaltige Armteile und angedeutete Schlitze. Solche Harnische waren in der Regel nur zur Repräsentation geeignet und werden auch als Kostümharnische bezeichnet.

Harnischgarnituren

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde es Mode, sich eine ganze Harnischgarnitur anfertigen zu lassen. Diese konnte aus über hundert Einzelteilen bestehen, die man je nach Bedarf zu einem Feld-, Fuß- oder Turnierharnisch zusammensetzen konnte. Dabei konnte unter anderem zwischen verschiedenen Turnierhelmen und Verstärkungsplatten für den Brustpanzer gewählt werden. Die Garnitur wurde in der Regel nach ihrem wichtigsten Dekorelement benannt, wie zum Beispiel die 1547 geschmiedete Adler-Garnitur, die aus 87 Einzelteilen besteht. Aus ihr lassen sich drei verschiedene Turnier- und fünf verschiedene Feldharnische zusammenstellen.

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Ross- und Feldharnische des 16. Jahrhunderts im Metropolitan Museum of Art in New York City

Halb- und Dreiviertelharnische

Als Halbharnisch bezeichnet man eine Plattenrüstung, bei der das Beinzeug gänzlich fehlt. Dies war oftmals der beste Schutz, den sich ein einfacher Fußsoldat leisten konnte. Schlichte Halbharnische wurden in großen Mengen angefertigt und waren nicht annähernd so kunstvoll geschmiedet wie die maßgefertigten Harnische für den Adel. Der größte Teil des Fußvolkes war aber höchstens mit einer Art Schuppenpanzer (Brigantine) oder einer ähnlich billigen Rüstung ausgestattet. Im frühen 16. Jahrhundert wurde es auch bei Offizieren üblich, einen Halbharnisch zu tragen. Manche Adlige ließen sich als Prunkrüstung einen besonders aufwändig gefertigten Halbharnisch schmieden. Darüber hinaus konnte aus einer Harnischgarnitur ein Halbharnisch zusammengestellt werden, der meist als Fußküriss verwendet wurde.

Bei den Dreiviertelharnischen fehlte das Unterbeinzeug, so dass sie nur bis zu den Knien reichten. Anstelle von Beinröhren für die Unterschenkel und Eisenschuhen trug man schwere Lederstiefel, zudem verzichteten viele Reiter auf die Eisenhandschuhe. In der Mitte des 16. Jahrhunderts setzte sich der Dreiviertelharnisch bei den leichten Lanzenreitern und Kürassieren durch, während viele schwere Lanzenreiter weiterhin einen vollständigen Küriss trugen. Im späten 16. Jahrhundert gingen die Schützen zu Pferd, also die Kürassiere und Arkebusierreiter, dazu über, sich mit einem Trabharnisch zu schützen. Dabei handelte es sich um einen Dreiviertelharnisch ohne Rüsthaken, der Beintaschen und Diechlinge zu langen Schößen vereinte, die aus über 14 Platten bestehen konnten und meist durch Kniekacheln vervollständigt wurden. Die Schöße wurden in Kniehöhe an die Beine gebunden. Trabharnische kamen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts zum Einsatz und fanden auch bei Infanterieoffizieren Verbreitung.

Rossharnische

Im 14. Jahrhundert ging man dazu über, auch Schlachtrösser mit einem Plattenpanzer zu schützen, da Pferde in der damaligen Kriegsführung äußerst wichtig waren und in der Schlacht oftmals gezielt angegriffen wurden. Ein Rossharnisch wog annähernd so viel wie ein Vollharnisch für einen Menschen, also circa 20-30 Kilogramm. Er bedeckte einen Großteil des Pferdekörpers mit Ausnahme der Beine. Es soll auch Rossharnische mit voll beweglichen Beinteilen gegeben haben, was aber noch nicht belegt werden konnte. Rossharnische konnten prunkvoll verziert werden, meist geschah dies im stilistischen Einklang mit dem Harnisch des Reiters.

Stilistische Entwicklung des Plattenpanzers

Es fällt auf, das bereits die bronzenen Brustpanzer der Griechen und später auch der Römer von der damaligen Kunst beeinflusst waren - so wurde auf der Vorderseite des Panzers die Muskulatur des Trägers nachgeformt, wobei oftmals stark idealisiert wurde. Ähnliche Tendenzen sind auch in der griechischen und römischen Bildhauerei zu beobachten.

Als die ersten Vollharnische Ende des 14. Jahrhunderts aufkamen, wirkten diese zunächst recht grob und kantig. So verwundert es nicht, das die ersten Brustpanzer im deutschen Sprachraum als "Kastenbrust" bekannt waren. Diese frühen Brustpanzer verjüngten sich zur Taille hin abrupt, was im Europa des späten 14. Jahrhunderts als modisch empfunden wurde. Bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts kamen von Italien ausgehend Plattenpanzer mit abgerundeten Formen auf. Die italienischen Harnische waren in der Regel asymmetrischer, als die in Deutschland produzierten. Charakteristisch war ihr wuchtiges Erscheinungsbild.

In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts kam der so genannte gotische Rüstungsstil (in Anlehnung an die Kunstepoche der Gotik) auf, der besonders in Deutschland vorherrschte. Die gotischen Harnische waren recht schlank und filigran gearbeitet. Das Brustteil war geschiftet und die Eisenschuhe ahmten mit ihren langen, absteckbaren Spitzen die damals üblichen Schnabelschuhe nach. Der stromlinienförmige Schaller vervollständigte die Rüstung. In Folge der Renaissance setzten sich Harnische durch, die deutlich runder und körperlicher waren als die der Spätgotik.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde der Riefelharnisch sehr beliebt, der fast an seiner gesamten Oberfläche geriffelt war, was sehr dekorativ wirkte. Dazu trug man Eisenschuhe mit besonders breiter Spitze. Die Herstellung von Riefelharnischen war dermaßen teuer, das sie bereits um 1540 gänzlich eingestellt wurde. Im selben Jahrhundert kopierte man zum wiederholten Male Zivilkleidung, indem man Brustpanzer mit einem so genannten Gansbauch versah. Auch bei dem am Brustpanzer angebrachten Tonnenrock handelte es sich um die eiserne Nachbildung eines damals üblichen Kleidungsstücks. Der Tonnenrock wurde in erster Linie beim Fußturnier getragen.

Der Einfluss der Renaissance zeigt sich insbesondere bei den Prunkharnischen des 16. Jahrhunderts, die oftmals antiken Rüstungsteilen nachempfunden waren und auf denen Szenen aus der griechischen und römischen Geschichte oder Mythologie abgebildet waren. Solche Rüstungen wurden vor allem in Italien hergestellt, wo sie als "all'antica" oder "alla romana" bekannt waren. Manche Paradeharnische wurden mit einem Brustpanzer versehen, auf dem nach antikem Vorbild die menschliche Bauch- und Brustmuskulatur nachgebildet worden war. Dieser Stil war in Italien als "all'eroica" bekannt.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts machte sich die beginnende Kunstepoche des Barock auch bei den Plattenrüstungen bemerkbar. So wurden starke Hell-Dunkel-Konstraste und ausladende Formen sehr beliebt. Im Verlauf des 17. Jahrhunderts wurden die meisten Rüstungen immer schlichter und funktionaler, bis sie fast gänzlich außer Gebrauch kamen. Die letzten für das Feld geeigneten Harnische ahmten die zivile Mode in keiner Weise mehr nach, und ihre als Rostschutz gedachte Schwärzung ist als einziges dekoratives Element auszumachen.

Literatur

  • Gerhard Quaas (Hg.): Eisenkleider: Plattnerarbeiten aus drei Jahrhunderten aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums; Ausstellung des Deutschen Historischen Museums im Zeughaus, Berlin, 12. März - 6. Juli 1992, (Reihe: Bausteine, 7) Berlin 1992
  • Andreas Schlunk und Robert Giersch: Die Ritter. Geschichte - Kultur - Alltagsleben, Stuttgart 2003, ISBN 3-806-21791-2
  • Stephen Bull: An Historical Guide to Arms & Armor, ISBN 0-8160-2620-3
  • George Cameron Stone: A Glossary of the Construction, Decoration and Use of Arms and Armor, ISBN 0-486-40726-8

Weblinks

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