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Anwar as-Sadat

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Mohammed Anwar al-Sadat (arabisch أنور السادات)‎ (* 25. Dezember 1918 in Mit Abul-kum, einem Dorf im Nil-Delta, † 6. Oktober 1981 in Kairo), war ein ägyptischer Staatsmann. Neben Nasser u.a. war er Mitgründer des Geheimbunds der Freien Offiziere; seit dem Staatsstreich 1952 bekleidete er hohe Ämter. Als Nachfolger Nassers wurde er 1970 Staatspräsident. Sadat lockerte das diktatorische Regime, führte Ägypten in den Oktoberkrieg 1973, löste das Land aus der engen Bindung an die Sowjetunion und schloss 1979 Frieden mit Israel; 1978 Friedensnobelpreis (zusammen mit Menachem Begin). Sadat fiel einem Attentat zum Opfer, das Gegner seiner Politik der Aussöhnung mit Israel verübten.


Kindheit und Jugend

Anwar Sadat wurde am 25. Dezember 1918 in Mit Abul-kum, einem Dorf im Nil-Delta, damals noch unter dem Familiennamen Sadati, geboren. Er war sehr mit seiner Heimat verbunden, was sich auch daran zeigte, dass er die gesamten Erlöse seiner Biographie sowie das Preisgeld des Nobelpreises dem Dorf schenkte. Sadat war stets stolz auf seine ländliche Herkunft und betonte, dass er ursprünglich ein fellah (Bauer) sei. Einige Kritiker warfen ihm allerdings vor, diese Abstammung aus politischen Gründen zu instrumentalisieren.

Anwar as-Sadat (1978)

Sadat wuchs mit seinen drei Geschwistern in Mit Abul-kum bei seiner Großmutter auf, während sein Vater, Mohammed Mohammed el-Sadaty mit seiner zweiten Frau Kheirallah im Sudan lebte, wo er bei einem britischen Sanitätstrupp als Dolmetscher arbeitete. Sadat fühlte sich offensichtlich in der Dorfgemeinschaft wohl, wo er Grundwerte des Zusammenlebens wie Zusammengehörigkeit, Nachbarschaftshilfe, Respekt vor Älteren, aber auch traditionelle Werte und Religiosität lernte. Neben diesem Gefühl der Geborgenheit erlebte er aber auch Krankheit, Armut und Analphabetismus. Diese frühen Eindrücke spiegelten sich in seiner späteren Sozialpolitik wieder, in der er sich für Armenfürsorge, ein gutes Gesundheitssystem und Bildung für alle einsetzte. 1924, mit sechs Jahren, bezog er mit seinem Vater eine Wohnung im Kairoer Vorort Kubri el-Kubba.

Sadat, der Revolutionär

Die folgenden Jahre in Kairo waren für Sadat geprägt von der Suche nach sich selbst. Nachdem sich Sadat kurze Zeit für die Schauspielerei interessiert hatte und sich auch für Rollen bewarb, entschied er sich schließlich doch für den Eintritt in die Armee, die zu dieser Zeit ein hohes Ansehen genoss. Mit einigen Schwierigkeiten schaffte er es, in die Militärakademie aufgenommen zu werden, welche er nach einem neunmonatigen Kurzlehrgang im Februar 1938 als Leutnant der Infanterie verließ.

Nach seiner Entlassung von der Militärakademie heiratete er die Tochter des Ortsvorstehers von Mit Abul-Kum Eqbal Affifi. Er wurde in den Kairoer Vorort Ma’adi zu einer Signaleinheit versetzt und hier begann sein politisches Interesse zu keimen. Und dies bedeutete vor allem, dass die Frustration über den Status Ägyptens als Quasi-Vasallenstaat Großbritanniens in ihm wuchs. Er fand es empörend, dass Ägypten von einer Monarchie abhängig war, die nicht ägyptisch war und dass die ägyptischen Politiker die britische Besatzung tolerierten und sogar legitimierten.

Sadat war zu der Überzeugung gekommen, dass Ägypten nur durch Gewalt sowohl von den Engländern wie von der korrupten Regierung jener Zeit befreit werden konnte. Dazu wollte er eine Organisation innerhalb der Streitkräfte bilden um die Revolution auszuführen. Während seiner Stationierung in Manquabad fand er einige Gleichgesinnte. Zu dieser Zeit begegnet er auch erstmals Gamal Abdel Nasser. 1939 gründete sich dann die erste geheime Organisation von Militärs, die sich „The Free Officers“ nannte und von Sadat geleitet wurde.

Etwa zeitgleich brach der Zweite Weltkrieg aus und auch Ägypten wurde zum Kampfschauplatz. Die Sympathien der Ägypter lagen dabei auf Seiten der Deutschen, die die verhassten Briten bekämpften und mit denen man, mangels Gelegenheit, nie schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Auch Sadat, der im Sommer 1941 nach Marsa-Matruh versetzt wurde, war von diesem Mann fasziniert. Doch bei ihm blieb es nicht bei der bloßen Bewunderung für den Feind seines Feindes, er schmiedete heimlich Pläne, wie man sich die Deutschen nützlich machen könnte. Er geriet in Kontakt mit einem Geheimbund innerhalb der ägyptischen Luftwaffe, dessen Ziel es war, Kontakt mit den Deutschen aufzunehmen und die Briten mit ihrer Hilfe zu vertreiben. Sadat wurde Mitglied dieser Truppe und es kam tatsächlich zu einem Verschwörungsversuch mit zwei deutschen Spionen. Sadat sollte diesen dabei behilflich sein, einen Sender bei den Briten einzuschleusen. Der Komplott flog auf und Sadat wurde von der britischen Sicherheitspolizei verhaftet. Er wurde zunächst ins Ausländergefängnis in Kairo gebracht und dann Ende 1942 in ein Gefängnis im 260 Kilometer südlichen Minieh verlegt.

Im Oktober 1944 gelang es Sadat aus einem Militärhospital zu fliehen, nachdem der zwei Jahre in verschiedenen Gefängnissen verbracht hatte. Fortan musste er als Flüchtling im Untergrund leben. Die Jahre der Inhaftierung waren nicht spurlos an Sadat vorübergegangen. Im Gefängnis hatte er viel Zeit sich auf sich zu besinnen und über den Sinn des Lebens nachzudenken. Obwohl er nun von seiner Gruppe isoliert war, hörte er nicht auf, sich als Teil dieser Gemeinschaft zu fühlen und weiter an das Ziel der Revolution zu glauben.

Nach seiner Flucht, der Krieg war beendet, wurde Sadat zum politischen Kämpfer, als Ziel immer noch die Beseitigung der Briten vor Augen. Er verstrickte sich in verschiedene Mordkomplotts gegen die ägyptische Führungsriege, die mit der britischen Besatzungsmacht zusammenarbeitete. Das erste Ziel der Verschwörer war Nahhas Pasha, der Führer der Wafd-Regierung, die mit Hilfe eines britischen Ultimatums 1942 installiert worden war. Als ein Attentatsversuch auf ihn scheiterte, wurde Amin Osman, auch ein Mitglied der Regierung Nahhas, zur nächsten Zielscheibe. Diesmal gelang der Anschlag, Osman wurde am 6. Januar 1946 erschossen. Sadat und seine Komplizen wurden gefasst und festgenommen.

Zwei Jahre wartete Sadat auf seinen Prozess, der ab Januar 1948 stattfand und 84 Sitzungen beanspruchte. Kritiker bezeichnen ihn als Farce. Der Vorsitzende Richter des Kollegiums, das schließlich elf der Angeklagten einschließlich Sadat freisprach, sollte später aus seinen Händen die höchste ägyptische Auszeichnung, die ‚Nil-Kette’ erhalten.

Sadat wird Präsident

Am 1. Juli 1953 wurde die Republik Ägypten ausgerufen. König Faruq ging am 26. Juli 1953 ins Exil und fortan hatte der Revolutionäre Kommandorat, wie sich der Führungsrat der Freioffiziere nun nannte, das Sagen. Nach einigen internen Debatten wurde Ägypten im März 1953 zur Republik erklärt. Ali Muhammad Nagib wurde zum ersten Präsidenten ernannt und viele Mitglieder des revolutionären Kommandorats wurden zu Ministern, Nasser bekleidete den Posten des Innenministers.

Sadat erhielt keinen Ministerposten, einige aus der revolutionären Führung standen ihm skeptisch gegenüber. Sadat wurde zunächst Herausgeber der Tageszeitung „Gumhuriyeh“, die als Sprachrohr des Revolutionären Kommandorats fungierte. Nach der Vereinigung von Ägypten und Syrien zur Vereinigten Arabischen Republik 1958 wurde Sadat zum Sprecher des gemeinsamen Parlaments ernannt. Diese Einrichtung erwies sich jedoch als Illusion und zerfiel bereits 1961 wieder. 1966 wurde Sadat zum Sprecher des ägyptischen Parlaments gewählt.

Das Jahr 1967 brachte mit dem Sechstagekrieg eine katastrophale Niederlage für die arabischen Staaten und damit auch für Ägypten. Nach dem Suizid des ägyptischen Verteidigungsministers Abdel Hakim Amer blieben von dem Revolutionären Kommandorat nur noch Hussein Shafei, Zakarah Mohieddin und Anwar el-Sadat übrig. Nasser arbeitete rund um die Uhr am Wiederaufbau der Armee und des Landes. Nasser vereidigte Sadat vor seinem Abflug zur Arabischen Gipfelkonferenz in Rabat als Vizepräsidenten. In dieser Position blieb Sadat bis zu Nassers Tod am 28. September 1970. Sadat übernahm nun das Präsidentenamt kommissarisch, wie es auch von der Verfassung vorgesehen war. Nach dieser sollte es eine Übergangszeit von 60 Tagen geben, in der durch eine Volksbefragung ein neuer Präsident bestimmt werden sollte. Am 15. Oktober 1970 wurde Sadat als neuer Präsident der Ägyptischen Republik durch eine Volksabstimmung bestätigt, er erhielt 90 Prozent der Stimmen.

Der lange Weg zum Frieden

Die gescheiterte Friedensinitiative von 1973

Anwar Sadat stand zu Beginn seiner Amtszeit vor großen Herausforderungen. Der 6-Tage-Krieg von 1967 hatte in Ägypten und der gesamten arabischen Welt ein Trauma hinterlassen. Man wollte sich mit den Folgen des Krieges nicht abfinden, zu groß waren Schmach und Demütigung gewesen. Die Bevölkerungen suchten nach Gründen, versuchten einen Schuldigen zu finden und verloren sich in Selbst-Ablehnung und Depression. Ein anderer Effekt der bitteren Niederlage war das Wiederaufkeimen des Islamismus, was auch Sadat vereinnahmte. Er verband mit der Stimme des Volkes die Stimme Gottes und glaubte, dass er Ausführender einer göttlichen Mission sei. Die außenpolitischen Ambitionen Ägyptens standen seit dem Krieg fest: Rückeroberung der besetzten Gebiete, Rache an Israel und Unterstützung der Palästinenser.

Die erste Aufgabe, die Sadat bewältigen musste, war, den innenpolitischen Machtkampf für sich zu entscheiden. Es gab viele Kritiker und Konkurrenten, vor allem in der Armeeführung. Manche hatten auf Sadats Schwäche gesetzt und warteten in Lauerstellung, um einen günstigen Moment zur Machtübernahme abzupassen. Große Differenzen gab es vor allem mit der pro-sowjetischen Gruppe um Ali Sabri, die alles daran setzte, Sadats Macht zu beschneiden. Doch dieser zeigte schnell, dass er mit der Macht umzugehen wusste, er besetzte alle wichtigen Positionen in Regierung, Kabinett und Massenmedien mit loyalen Unterstützern.

Sadats erster, unerwarteter außenpolitischer Schritt war das Verkünden einer „Friedensinitiative“ am 4. Februar 1971, also nur vier Monate nach seiner Machtübernahme. Er hatte das Jahr 1971 als „Jahr der Entscheidung“ proklamiert, dass er nicht verstreichen lassen wollte, ohne einen Fortschritt im Streit mit Israel errungen zu haben. Da er nicht dazu in der Lage war, den Krieg gegen Israel fortzuführen, wollte er nun Israel mit dieser Initiative in die Defensive treiben. Der Inhalt seines Friedensplans war folgender: Israel sollte sich aus dem Sinai zu den Pässen zurückziehen, im Gegenzug würde Ägypten den Sueskanal wiedereröffnen. Im Anschluss sollte ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet werden, Ägypten würde die diplomatischen Beziehungen zu den USA wiederherstellen und schließlich sollte ein Friedensvertrag mit Israel mit Hilfe des UN-Sondergesandten für den Nahen Osten, Gunnar Jarring, geschlossen werden.

Die 1971 von Sadat verkündete Friedensinitiative hatte bei weitem nicht die Wirkung wie sein Vorstoß sechs Jahre später. Es schien, dass die Zeit für eine solche Initiative noch nicht reif war und es bestehen ernsthafte Zweifel in Hinsicht auf die Glaubwürdigkeit Sadats, der nur durch die fehlenden Mittel an einer Fortsetzung des Abnutzungskriegs mit Israel gehindert worden war. Die erste offizielle Reaktion aus Israel kam von Premierministerin Golda Meïr in einem NBC Interview am 6. Februar 1971. Eine detailliertere und vorsichtigere Reaktion der Premierministerin gab es am 9. Februar nach einer langen Debatte in der Knesset. Ihr seien die Äußerungen Sadats viel zu vage, sagte sie, und sie sehe in ihnen die Wiederholung üblicher Phrasen.

Die erste größere außenpolitische Tat Sadats war die Unterzeichnung eines Freundschafts- und Bündnisvertrags mit der Sowjetunion am 27. Mai 1971. Dies verwirrte nicht zuletzt die Amerikaner, denn es war unverständlich warum Sadat zuerst seine prosowjetischen Regierungsmitglieder beseitigt hatte und anschließend einen solchen Vertrag unterzeichnete. Sadat gelang es trotz stärkster Überwachung durch die Amerikaner, Saudis und Russen seine außenpolitischen Motive zu verbergen. Insgeheim hatte er sich aber wohl schon längst dazu entschieden, was er am 8. Juli 1972 in die Tat umsetzte: Die Ausweisung aller sowjetischen Experten. Anlass für diesen drastischen Schritt war das erneute Ausbleiben sowjetischer Waffenlieferungen. Sadat verfügte, dass alle Experten (ca. 15.000) Ägypten binnen einer Woche verlassen sollten und sämtliche Ausrüstung, darunter vier MiG-25-Flugzeuge, in die UDSSR zurück gebracht werden sollten.

Der Yom-Kippur-Krieg und die Folgen

Sadat hatte schon länger an den 1972 vollzogenen Kurswechsel in der ägyptischen Außenpolitik gedacht. Vor allem durch die Saudis waren ihm Andeutungen zugespielt worden, die USA könnten ihm bei der Rückgewinnung der besetzten Gebiete behilflich sein. Sadat begann, einen “begrenzten” Krieg zu planen mit einer doppelten Zielsteckung: Die Ehre der ägyptischen Armee, die sie in der Schmach von 1967 eingebüßt hatten, durch eine Revanche an Israel zurückgewinnen und die Supermächte alarmieren, insbesondere die USA, um sie zum Eingreifen in den Friedensprozess zu bewegen.

Die Folge dieser Politik war der Yom-Kippur-Krieg. Er wurde sorgfältig in Abstimmung mit Syrien vorbereitet und startete mit einem Überraschungsangriff am 6. Oktober 1973. Schon kurz vor und während des Krieges beginnt sich eine entscheidende Entwicklung zu verstärken: Das Engagement der USA in Person des Außenministers der 1972 gewählten Nixon-Regierung Henry Kissinger. Er kontaktierte Sadat bereits vier Tage nach Kriegsbeginn, um ihm mitzuteilen, das durch einen Waffenstillstand eine gute Chance auf eine befriedigende Lösung bestand. Diese Initiative, und eine zwei Tage später durch den britischen Premier Edward Heath mit demselben Ziel wurden von Sadat, der unter dem Eindruck der ägyptischen Anfangserfolge stand, abgelehnt. Dies und die Eröffnung der zweiten ägyptischen Angriffswelle am 14. Oktober veranlassten Washington zur Freigabe der Waffenluftbrücke nach Israel. Letztlich aber führte der Druck der USA und auch der Sowjetunion, die ebenfalls für einen Waffenstillstand plädierte, dazu, dass der ägyptische Staatspräsident in einen Waffenstillstand aufgrund der UN-Resolutionen 242 und 338 einwilligte. Dasselbe tat Israel, am 24. Oktober wurde das Feuer eingestellt.

Im November 1973 stimmte Sadat einem 6-Punkte-Plan von Golda Meïr zu und es wurde vereinbart, am Kilometerstein 101 an der Straße Kairo-Sues ägyptisch-israelische Gespräche über eine Zurücknahme der Streitkräfte und eine Rückkehr zu den Frontlinien vom 22. Oktober zu beginnen. Diese Verhandlungen wurden unter Aufsicht der Vereinten Nationen geführt, zogen sich aber lange hin. Im Januar 1974 wurde das erste Abkommen zur Truppenentflechtung zwischen Ägypten und Israel unterzeichnet.

Das Verhältnis zur USA begann sich trotz Vorbehalten auf beiden Seiten, zu intensivieren. Washington verfolgte als Reaktion auf den Oktoberkrieg und das arabische Ölembargo eine Umarmungstaktik gegenüber den arabischen Frontstaaten, vor allem Ägypten, die eine Revision der bisherigen Prämissen bedeutete. Diese neue Außenpolitik fand symbolisch ihren Niederschlag in Nixons Kairo-Besuch im Juni 1974. Mit der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen und dem demonstrativen Abschluss eines Wirtschaftsabkommens war die amerikanische Bereitschaft, Ägypten und Syrien nunmehr scheinbar gleichrangig neben Israel zu behandeln, kundgetan. Die Nixon- bzw. Ford-Regierung machte allmählich ihre Vorankündigung war und räumte der Nahost- und Ölpolitik nach dem Abschluss des Vietnam-Abkommens 1973 Priorität ein. Im Gegensatz zu diesen Interessen der USA, die auch eine starke wirtschaftliche Begründung hatten, standen die Forderungen der arabischen Staaten: Rückzug der israelischen Truppen aus den 1967 besetzten Gebieten, Wiederherstellung der nationalen Rechte der Palästinenser und ein Ende der Siedlungspolitik. Der wichtigste Faktor in der Strategie Sadats war die Zurückgewinnung des besetzten Landes. Der Nixon-Besuch 1974 weckte in Sadat neue Hoffnungen. Er machte deutlich, dass sich Ägypten seine verlorenen Territorien zurückholen werde, ob mit Gewalt oder ohne. Kissinger, der auch unter Ford Außenminister blieb, überzeugte Sadat schließlich davon, dass ein schrittweises Vorgehen einem umfassenden Friedensvertrag vorzuziehen sei. Am 1. September wurde ein zweites Truppenentflechtungsabkommen unterzeichnet.

Von der Sadat-Initiative bis Camp David

Menachem Begin, Jimmy Carter und Anwar as-Sadat in Camp David

Die Installation der Carter-Regierung markierte den Beginn eines Versuchs, die Konfliktparteien und Streitpunkte umfassender anzusprechen. Während des Wahlkampfes 1976 hatte Carter eine ehrgeizigere Strategie gefordert, die zu diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten führen sollte. Die neue US-Strategie schien noch nicht aufzugehen. Sie rückte zwar ab von einer für die arabischen Staaten wenig hoffnungsvollen eindimensionalen Nahostpolitik, doch wurde die einseitige Parteinahme für Israel in allen strittigen Fragen beibehalten. Dies äußerte sich in einer Fortführung der US-Vetopolitik im UN-Sicherheitsrat, wo man 1976 und 1977 gegen eine überwältigende Mehrheit Resolutionen blockierte, die einen vollständigen Rückzug Israels ultimativ forderten sowie den Palästinensern legitime Rechte auf Selbstbestimmung zugestanden.

Sadat entschloss sich, in die Knesset zu gehen, um den Repräsentanten des israelischen Volkes klarzumachen, dass es bei ihnen lag, die Wahl zu treffen, wenn sie wirklich den Frieden wollten. Sein Ziel war es, den Israelis den Ball zuzuspielen. So kam es zu jener historischen Rede zur ägyptischen Parlamentseröffnung am 9. November 1977, in der Sadat verkündete, er würde bis ans Ende der Welt, selbst nach Israel in die Knesset gehen, wenn er dadurch den Tod eines einzigen Soldaten vermeiden könne.

Der israelische Ministerpräsident Menachem Begin war zu Verhandlungen bereit, stellte aber auch Bedingungen. Die Reaktion seitens der arabischen Staaten waren verheerend. Syrien, Irak, Libyen und Algerien brachen die diplomatischen Kontakte mit Ägypten ab, die PLO verurteilte die Initiative energisch. Sadat hatte gehofft, dass die arabischen Staaten an den Verhandlungen teilnehmen würden und glaubte auch weiterhin, dass ein ägyptisch-israelischer Friede eine Art Domino-Effekt auf die Region haben könnte. Sadats Hauptinteresse galt der Rückgewinnung des Sinai und für dieses Ziel würde er bis zum Äußersten kämpfen.

Am 19. November kam es dann zu dem spektakulären Israel-Besuch Sadats, als er auf dem Ben-Gurion-Flughafen bei Tel Aviv landete. Begin und sein gesamtes Kabinett begrüßten ihn und tausende Israelis bejubelten ihn auf seinem Weg nach Jerusalem. Am Tag darauf sprach Sadat vor dem israelischen Parlament, der Knesset. Erstmals erkannte ein arabischer Staatschef Israels Lebensrecht an, ohne Wenn und Aber.

In seiner Rede erklärt Sadat, er sei nicht nach Israel gekommen, um ein Separat-Abkommen mit Israel zu schließen, denn ein solches könne nicht zu einem dauerhaften Frieden in der Region führen. Dazu sei eine Lösung des Palästinenserproblems nötig und er wolle dieses Problem nicht verschieben, sondern jetzt eine umfassende Lösung herbeiführen. Als Grundlagen für einen Frieden nennt er den vollständigen israelischen Rückzug einschließlich Ost-Jerusalem, die Anerkennung eines Palästinenserstaates, international anerkannte und sichere Grenzen, die Begründung bilateraler Beziehungen auf Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen, also Gewaltverzicht zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten und die Beendigung des Kriegszustandes im Nahen Osten.

Es dauerte fast ein ganzes Jahr, bis sich Sadat und Begin nach zähen bilateralen Verhandlungen und durch das Eingreifen Jimmy Carters bewegt zu Friedensgesprächen nach Camp David zurückzogen. Nach 13 harten Verhandlungstagen wurde schließlich ein Friedensabkommen mit historischem Stellenwert vereinbart, denn es war das erste zwischen einem arabischen Staat und Israel überhaupt. Schnell hatte sich jedoch gezeigt, dass die Vorstellungen, die Sadat in seiner Knesset-Rede der Weltöffentlichkeit präsentiert hatte, illusorisch und realistisch nicht umsetzbar gewesen waren. Zu einem umfassenden Frieden, den es ja bis heute nicht gibt, war die Zeit lange nicht reif. Die arabischen Staaten reagierten verletzt, sie fühlten sich verraten und waren so zu keinen Verhandlungen bereit. Die Palästinenser, ebenfalls in einem schockähnlichen Zustand durch den Alleingang Ägyptens, hatten immer noch keine ausreichend legitimierte Führung, die an Verhandlungen hätte teilnehmen können. Letztlich war auch Israel zu keinen größeren Zugeständnissen bereit, Sadat erhielt zwar den Sinai zurück, doch den hatte Israel nie ernstlich gewollt.

1978 erhielten Begin und Sadat für ihren Einsatz für den Frieden den Friedensnobelpreis. Am 6. Oktober 1981 wurde Mohammed Anwar as-Sadat während einer Militärparade in Kairo durch ein Attentat von einem islamistischen Soldaten seiner Armee erschossen.

Nachfolger wurde Mohamed Hosni Mubarak.

Literatur

  • El - Sadat, Anwar: Unterwegs zur Gerechtigkeit, Wien u. a., 1978 - Deutsche Übersetzung der Memoiren Sadats. Sehr subjektiv, wenig selbstkritisch, zum Teil beschönigend. Aber auch aufschlussreich in Hinblick auf seine Persönlichkeit.
  • Heikal, Mohammed: Sadat, das Ende eines Pharao: eine politische Biographie, Düsseldorf, Wien, 1984 - Sehr kritische Biographie von Mohammed Heikal, ägyptischem Journalist und ehemaligem Freund Sadats. Bei ihm ist jedoch fraglich ob er die nötige Distanz zur einer objektiven Sicht der Dinge besitzt.
  • Finklestone, Joseph: Anwar Sadat: visionary who dared, London [u.a.], 1996
  • Israeli, Raphael: Man of defiance: a political biography of Anwar Sadat, To-towa, NJ, 1985 - Sowohl Finklestone als auch Israeli orientieren sich eher an der Biographie Sadats