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Antisemitismusforschung

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Die Antisemitismusforschung untersucht die komplexen Ursachen und Formen des modernen, völkisch-nationalistisch und rassistisch geprägten Antisemitismus bis 1945, seine Wurzeln in Antiker Judenfeindschaft, im mittelalterlichen und neuzeitlichen Antijudaismus sowie seine Fortsetzungen und Wandlungen im Antisemitismus nach 1945. Ihre Vertreter entwickeln, diskutieren und veröffentlichen wissenschaftliche Erklärungen, die man Antisemitismustheorien nennt. Außerdem werden Praktiken des Antisemitismus dokumentiert.

Überblick

Erklärungen für Judenfeindlichkeit werden seit dem 18. Jahrhundert gesucht, haben also die Entstehung des modernen Antisemitismus von Beginn an begleitet. Eine systematische wissenschaftliche Forschung wurde daraus jedoch erst seit dem Holocaust. Die neuere Antisemitismusforschung vieler Länder richtet besondere Aufmerksamkeit auf die Aufhellung seiner unmittelbaren und mittelbaren, kurz- und langfristigen Ursachen.

Sie ist jedoch kein fest umrissenes Fachgebiet, sondern umgreift vielfältige Forschungsansätze und wissenschaftliche Teildisziplinen, die sich dem Phänomen des Antisemitismus von sehr verschiedenen Seiten her nähern. Sie thematisieren sowohl die Einzelepochen wie auch übergreifende Zusammenhänge – etwa zwischen christlichem Antijudaismus und Rassismus –, sowohl die Kontinuitäten in allen Formen von Judenfeindlichkeit wie auch ihre Differenzen und Transformationen im Lauf der Geschichte Europas. Darüber hinaus widmet sich die Antisemitismusforschung der Analyse gegenwärtiger Formen der Judenfeindlichkeit in ihren qualitativen und quantitativen Ausprägungen. Als wissenschaftliche Disziplinen sind daran Geschichtswissenschaft, Psychologie, Soziologie, Theologie und Literaturwissenschaft beteiligt.

Der Begriff selbst wurde seit seinem Aufkommen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Bezug auf seine sprachliche Richtigkeit, seine Anwendbarkeit auf frühere historische Epochen, der Breite der unter ihm korrekterweise zu behandelnden Phänomenen und Problematik und seiner Abgrenzung zu verwandten Begriffen in der Forschung kontrovers gesehen (siehe Antisemitismus bis 1945#Der Begriff).

Die uneinheitlichen und multinationalen Forschungsansätze haben eine Institutionalisierung der Antisemitismusforschung lange Zeit erschwert. Erst 1982 kam es unabhängig voneinander zur Einrichtung zweier universitärer Zentren:

Das Jerusalemer Institut vertritt einen weiten Begriff von Antisemitismus als Oberbegriff für alle Formen von Judenfeindlichkeit und untersucht diese von der Antike bis zur Gegenwart in allen möglichen Ländern. Einen Überblick über seine wie auch amerikanische und deutsche Forschungsergebnisse bietet die vierbändige Reihe Current Research on Antisemitism, herausgegeben von Herbert A. Strauss und Werner Bergmann.

Das Berliner Institut, unter der Leitung des Historikers Wolfgang Benz, dagegen verwendet den Begriff im engeren Sinne für die „moderne“, völkisch-rassistisch geprägte Judenfeindlichkeit, die seit 1789 entstand und sich seit 1871 in Deutschland unter diesem Begriff als politische Bewegung etablierte. Sein Schwerpunkt liegt daher auf der europäischen, besonders der deutschen Geschichte. Es ist interdisziplinär aufgebaut und bemüht sich um eine Bündelung der in verschiedenen Disziplinen durchgeführten Einzeluntersuchungen. Dazu gibt es das Jahrbuch für Antisemitismusforschung [1] heraus.

1995 wurde in Frankfurt a.M. das Fritz-Bauer-Institut als Studien- und Dokumentationszentrum zur Erforschung der Geschichte und Wirkung des Holocaust gegründet.[2]

Aufklärerische Vorurteilskritik

Die christliche Theologie des Mittelalters projizierte die Lage und das Leiden der jüdischen Minderheit in christlich dominierten Gesellschaften stets als „Strafe“ oder „Fluch Gottes“ auf die Betroffenen zurück und wirkte damit als sich selbst erfüllende Prophezeiung. Die Juden blieben als „Zeugen der Wahrheit des Christentums“ (Papst Paul IV. in der Bulle cum nimis absurdum [3] 1555 in Anlehnung an Augustinus De civitate Dei XVIII, 46 [4]) aus der christlich-ständischen Gesellschaftsordnung ausgeschlossen und wurden nur als potentielle Christen toleriert. Die ihnen auferlegten Diskriminierungen sollten sie zum Übertritt zum Christentum animieren und somit zur Erfüllung der christlichen Heilsgeschichte beitragen.

Die Aufklärung begann, diese Deutungsmuster zu durchbrechen und als irrationalen Aberglauben zu kritisieren. Die soziale Sonderrolle der Juden wurde nun nicht länger als eine Art Naturgesetz, sondern als Ergebnis zweck- und interessenbestimmter Vorurteile betrachtet, die es durch Menschenbildung und sozialen Fortschritt aufzuheben gelte. Dabei wurden die Juden nicht mehr als heilsgeschichtlicher Gegenpol zur jenseitigen Erlösung im Christentum, sondern als gleichberechtigte und daher zu emanzipierende Staatsbürger eingeordnet. Ihre – auch von der Aufklärung negativ bewerteten – religiösen, sozialen und ökonomischen Eigenschaften wurden fortan auf die Jahrhunderte dauernde Diskriminierung und Verfolgung zurückgeführt.

Die aufgeklärte Kritik am mittelalterlichen Judenhass klammerte die jüdische Religion aus der Erklärung für die christlichen Vorurteilsstrukturen aus. Sie betraf als Kritik an jeder Religion das Judentum mit und zielte auf seine Aufhebung in einer von einer religionslosen Vernunft bestimmten Humanität. [5] Gotthold Ephraim Lessing formulierte diese säkularen Utopie in seinem Drama Nathan der Weise: Er beschwor die Toleranz der drei monotheistischen Weltreligionen und ließ gerade die jüdische Hauptfigur – eine Hommage an Lessings engen Freund Moses Mendelssohn – diese vertreten. Andererseits forderte Lessing wenige Jahre später mit der Bildung des Menschengeschlechts die notwendige Aufhebung des „jüdischen Kinderglaubens“ und lehnte damit seinerseits das konkrete Judentum seiner Zeit ab. [6]

Die Ambivalenz der aufklärerischen Kritik an Judenfeindlichkeit zeigte sich vor allem an den Plänen zur Judenemanzipation. Diese wurde vielfach nicht mit Philosemitismus oder den Menschenrechten begründet, sondern mit politischen Interessen an der Wirtschaftsförderung und Homogenisierung des modernen Staates. Die Assimilation der Juden, d.h. die Aufgabe ihrer ethnischen und religiösen Besonderheiten, wurde als Ergebnis oder sogar Voraussetzung für ihre rechtliche Gleichstellung eingefordert.[7] Im deutschsprachigen Raum war die Schrift Über die bürgerliche Verbesserung der Juden (1781) von Christian Wilhelm Dohm für diese Position maßgebend.[8] Nur in Frankreich wurde die rechtliche Gleichstellung der Juden 1791 in einem Gesetzesakt vollzogen, während sie in Deutschland von 1812 bis 1871 und nochmals bis 1918 auf kleine, oft revidierte Teilschritte ausgedehnt wurde. Der Anspruch der Juden auf gleiche Rechte wurde vom Fortgang ihrer Anpassung abhängig gemacht und vielfach trotz ihrer Anstrengungen verweigert.

Hieran knüpfte die Judenfeindlichkeit dieser Epoche an. Die verkürzte Aufklärung antijüdischer Vorurteile, die die historische Eigenart des Judentums selber vielfach nicht tolerierte, begünstigte die Entstehung ethnozentrischer und rassistischer Theorien, die den modernen Antisemitismus pseudowissenschaftlich zu untermauern versuchten. Diese erklärten einen irrationalen Judenhass in der Bevölkerung als angeblich unvermeidbaren Dauerkonflikt aus unveränderlichen Volkstums- und Rasse-Eigenschaften. Sie behaupteten also einen unaufhebbaren, durch keine Geistesbildung oder soziale Veränderung überwindbaren Gegensatz zwischen Juden und allen übrigen Völkern bzw. „Rassen“. Dies war wesentlicher Bestandteil der antisemitischen Propaganda und gab ihr den Schein einer wissenschaftlichen Debatte, welche die sogenannte Judenfrage tief im öffentlichen Denken und Fühlen verankerte. So konstatiert zum Beispiel der bis 1945 sozusagen als Standardwerk [9] geltende 1921 erschienene, und in Hitlers Mein Kampf eigearbeitete, Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene von Fritz Lenz.

… und es ist klar, daß die Juden ihr so überaus günstiges Abschneiden in der sozialen Auslese nicht ihrer Konfession, sondern ihren Rasseanlagen verdanken. [10]

Deren „Lösung“ war dann nur durch Vertreibung oder Ausrottung aller Juden vorstellbar, wie sie der Nationalsozialismus im Gefolge dieses aggressiven Nationalismus und Rassismus dann auch versuchte.

Marxistische Ideologiekritik

Karl Marx deutete mit seinem Aufsatz Zur Judenfrage (1843) den Antisemitismus erstmals im Rahmen einer allgemeinen Kapitalismuskritik. Die Judenemanzipation müsse als Emanzipation vom Judentum begriffen werden, weil es den zu überwindenden Geist des Kapitalismus repräsentiere:

Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus des Judentums? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld. (...) Der Jude hat sich bereits auf jüdische Weise emanzipiert, indem durch ihn und ohne ihn das Geld zur Weltmacht und der praktische Judengeist zum praktischen Geist der christlichen Völker geworden ist. Die Juden haben sich insoweit emanzipiert, als die Christen zu Juden geworden sind. (...) Die politische Emanzipation des Juden, des Christen, überhaupt des religiösen Menschen, ist die Emanzipation des Staats vom Judentum, vom Christentum, überhaupt von jeder Religion.[11]

Dies sei aber ausschließlich über den Klassenkampf und nicht über den antisemitischen Rassenkampf erreichbar. Der Antisemitismus sei als manipulative Ablenkung von realen Klassengegensätzen zu begreifen, als eine Ersatzideologie zur Kanalisierung sozialer Unzufriedenheit. Nach Friedrich Engels stellt er eine Abwehrreaktion vorkapitalistischer Gesellschaftsschichten, die mit Erreichen des Kapitalismus eigentlich verschwinden müssten, dar:

Der Antisemitismus ist also nichts anderes als eine Reaktion mittelalterlicher, untergehender Gesellschaftsschichten gegen die moderne Gesellschaft, die wesentlich aus Kapitalisten und Lohnarbeitern besteht, und dient daher nur reaktionären Zwecken unter scheinbar sozialistischem Deckmantel; …[12]

Im Marxismus wurde also das konkrete zeitgenössische Judentum – ebenso wie der Hass dagegen – als zu überwindende Begleiterscheinung und Ausdrucksform des Kapitalismus eingeordnet. Dabei wurde Antisemitismus zwar erstmals als Ausdruck gesellschaftlicher Interessen begreiflich, andererseits wurde er fast ausschließlich als interessengebundene Manipulation des Bewusstseins erklärt. So prägte August Bebel auf dem Kölner Parteitag 1893 die SPD-Parteiposition, dass der Antisemitismus eine innerkapitalistische Strategie zur Bekämpfung des Sozialismus sei. Er räume von Proletarisierung bedrohten Mittelschichten eine Möglichkeit systemkonformer Kapitalismuskritik ein, indem er einen Teil der Bourgeoisie (die Juden) preisgebe.

Diese Manipulationsthese wurde nach 1945 in der marxistisch-leninistischen Geschichtsschreibung zu einem statischen Erklärungsmuster verfestigt. So schrieb etwa der DDR-Historiker Walter Mohrmann 1972:

Judenhass und Judenverfolgungen wurden in der Klassengesellschaft dann verbreitet und praktiziert, wenn die herrschende Ausbeuterklasse sich genötigt sah, die von ihr unterdrückten Volksmassen durch demagogische Politik vom Klassenkampf fernzuhalten. Antisemitismus ist ein spezifisches Mittel, um die gesellschaftlichen Ursachen der Scheidung zwischen Besitzenden und Besitzlosen, der erbarmungslosen Knechtung der Produzenten durch die Besitzer der Produktionsmittel zu verschleiern. [13]

In den marxistischen Deutungen wird erkannt, dass Antisemitismus überwiegend in reaktionären Interessengruppen verbreitet war, eine politische Funktion für deren Herrschaftsinteressen hatte und für diese instrumentalisiert wurde. Zugleich berücksichtigen die marxistischen Analytiker jedoch unzureichend, dass der Antisemitismus nicht auf eine „herrschende Klasse“ begrenzt war, sondern sich durch alle Bevölkerungsschichten zog. Er war nicht nur eine Manipulationsstrategie der Bourgeoisie, sondern fand auch dort bereitwillige „Abnehmer“ und Teilnehmer, wo Judenhass keine rationale Interessenbasis hatte, weil dort nur wenige Juden lebten und kaum reale Einflüsse auf die wirtschaftliche Situation der Bevölkerungsmasse hatten.

Außerhalb des Ostblocks entwickelten u.a. Moishe Postone und Detlev Claussen mit ihrer These von der „halbierten Kapitalismuskritik“ eine abgeschwächte Version der marxistischen Deutung des Antisemitismus. Postone erachtete die auf den Thesen marxistischer Klassiker aufbauenden Erklärungsmodelle besonders im Blick auf den Nationalsozialismus als zu einseitig und damit wenig fruchtbar:

Sowohl die undogmatische Linke als auch die orthodoxen Marxisten neigten dazu, den Antisemitismus als Randerscheinung des Nationalsozialismus zu behandeln. […] Das Ergebnis ist, daß die Vernichtungslager entweder als bloße Beispiele imperialistischer oder totalitärer Massenmorde erscheinen oder unerklärt bleiben.[14]

Psychoanalyse

Psychologische Ansätze in der Antisemitismusforschung betonen, dass Judenfeindlichkeit nicht aus gesellschaftlichen Verhältnissen allein erklärbar sei. Sie berücksichtigen individuelle oder kollektive psychische Dispositionen. Diese verortet die Psychoanalyse seit Sigmund Freud im Unbewussten. Entsprechende Ansätze wurden in Europa und den USA insbesondere zwischen den 1930er und 1950er Jahren, unter dem unmittelbaren Eindruck der NS- Gewaltherrschaft, entwickelt.

Der schwedische Psychoanalytiker Hugo L. Valentin schrieb 1935 – rückblickend auf die Weimarer Republik und die Kaiserzeit – den Aufsatz Anti-Semitism Historically and Critically examined. Darin erklärte er den „Judenhass“ als Variante einer allgemeinen Fremdenfeindlichkeit, die nicht spezifisch deutsch sei. Es gebe weltweit weniger eine „Judenfrage“ als eine „Antisemitenfrage“. Juden könnten Antisemitismus durch ihr Verhalten weder positiv noch negativ beeinflussen, da dieser so gut wie nichts mit ihnen selber als vielmehr mit einer imaginären Vorstellung vom Juden zu tun habe. Die Frage müsse daher lauten, welche Funktion der Antisemitismus für den Antisemiten, bzw. eine antisemitische Gruppe habe.

Freuds Aufsatz Der Mann Moses und die monotheistische Religion von 1938 versuchte erstmals, Antisemitismus als individual- und kollektivpsychologische Pathologie aus der abendländischen Kulturgeschichte zu erklären. Freud deutete die Entstehung des Judentums wie den christlich-europäischen Judenhass als ödipalen Konflikt:[15]

Ich wage die Behauptung, dass die Eifersucht auf das Volk, welches sich für das erstgeborene, bevorzugte Kind Gottvaters ausgab, bei den anderen heute noch nicht überwunden ist […] Das Judentum war eine Vaterreligion gewesen, das Christentum wurde eine Sohnesreligion.

Antisemitismus sei ein Aufbegehren gegen die Triebverzicht verlangende monotheistische Religion:

Unter einer dünnen Tünche von Christentum sind sie geblieben, was ihre Ahnen waren, die einem barbarischen Polytheismus huldigten. Sie haben ihren Groll gegen die neue, ihnen aufgedrängte Religion nicht überwunden, aber sie haben ihn auf die Quelle verschoben, von der das Christentum zu ihnen kam. (…) Ihr Judenhass ist im Grunde Christenhass.

In der vom Unterbewusstsein mit Kastration gleichgesetzten Beschneidung sah Freud wie auch sein Schüler Wilhelm Reich[16] 1933, die „tiefste unbewusste Wurzel des Antisemitismus“.

1944 unterstützte das Psychatrische Symposium zum Antisemitismus in San Francisco psychoanalytische Erklärungsansätze. 1962 wurden diese auf Initiative von Alexander Mitscherlich beim 4. Kongress der DGTP in Wiesbaden fortgeführt.[17] Freuds Theorien wurden von Otto Fenichel, Ernst Simmel, Rudolph M. Loewenstein, Bela Grunberger, Bernhard Berliner, Mortimer Ostow und vielen anderen aufgegriffen und ergänzt.

Fenichel deutete Antisemitismus als einen doppelten Verschiebungs- und Projektionsprozess einerseits eigener unbewusster und verdrängter, vornehmlich auf Vatermord, sexuelle Motive, und anale Bedürfnisse gerichteter Triebe, andererseits aber auch als stellvertretende Aggressionsabfuhr am Juden als „vermeintlichem Repräsentant“ gesellschaftlicher Unterdrückung. Die Eignung der Juden für diese Projektion fand er in den „der Fremdartigkeit seiner geistigen Kultur, seinen körperlichen (schwarzen) und religiösen (Gott des unterdrückten Volkes) Eigenheiten und seinen alten Bräuchen …“ gegeben. Für die Entwicklung antisemitischer Tendenzen zu Massenphänomenen erachtet er eine große Unzufriedenheit der Massen mit den bestehenden Verhältnissen, die einer psychischen Kanalisierung bedürfe, sowie eine jüdische kulturelle Tradition innerhalb des Gastlandes ohne allzu viel Verbindungen zur diesem als erforderlich. Beide Bedingungen sah er im zaristischen Russland als idealtypisch gegeben.[18] Gegen eine monokausal psychoanalytische Erklärung betonte er:

Eine Untersuchung der Einflüsse, welche die antisemitische Persönlichkeitsstruktur und deren Funktionen bestimmt, lässt die Frage nach der Entstehung dieser Einflüsse und nach der gesellschaftlichen Funktion antisemitischer Reaktionen noch unbeantwortet. (S. 36)

Die wichtige Funktion der projektiven Abwehr eigener als negativ empfundener Gefühle für eine gestörte Persönlichkeit betonte, ebenso wie Fenichel, auch Bernhard Berliner mit den Worten:

Menschen hassen an anderen Menschen nichts mehr als das, was sie an sich selbst hassen und zu überwinden suchen.[19]

Nach Ackerman und Jahoda weisen antisemitisch eingestellte Personen zwar signifikant gehäuft besondere Charakter- und Persönlichkeitsstrukturen auf, die jedoch nicht mit bestimmten Arten von Störungen korrelieren. Angststörungen seien gehäuft anzutreffen, was die Rolle der Angstabwehr bei antisemitischen Äußerungen interessant werden lasse.[20]

Loewenstein und Grunberger betrachten Antisemitismus als Ausdruck eines Krankheitszustandes, der von leichten Ausprägungen bis zu schwersten pathologischen Wahnsystemen reiche. Darunter leide allerdings nicht der Kranke, der sogar einen sekundären Krankheitsgewinn und weder Leidensdruck noch Krankheitseinsicht habe, sondern die Opfer ihrer Krankheit. Charakteristisch sei hierbei eine Regression auf früheste Stadien des Ichs beziehungsweise Über-Ichs [21]. In für Psychosen typischer Weise setzten Antisemiten die Realitätsprüfung ihres Wahns außer Kraft.[22] In diesem regressiven Stadium könnten Widersprüche problemlos nebeneinander bestehen, so dass „der Jude“ gleichzeitig als der „größte Kapitalist“ und der „übelste Kommunist“ erscheinen könne, ohne dass dieser offensichtliche Widerspruch den Kranken beunruhigt. Antisemitische Reaktionen sind daraus folgend, nach Grunberger, immer auch Verletzungen eines „gekränkten Narzissmus“.

Ähnlich deutet Ernst Simmel Antisemitismus als irrationale Handlungsimpulse von Einzelnen und Gruppen zur Überwindung pathologischer Störungen. Er sieht darin einen Rückfall in infantile, primär vom Destruktionstrieb beherrschte Entwicklungsstufen unter Verleugnung der äußeren Realität. Er entwickelt das Modell einer Massenpsychose, die es dem Einzelnen dennoch ermögliche, eigene psychische Defizite zu kompensieren und im Gegensatz zur isolierten psychotischen Person dennoch psychisch relativ intakt und sozial integriert zu bleiben. Ermöglicht werde dies durch die Kraft der Gruppe zur Überwindung der Machtlosigkeit des Einzelnen gegenüber der Realität:[23]

Dieser Umstand ermöglicht es ihm, mit Hilfe einer Massenpsychose zur Realität zurückzukehren, vor der der einzelne Psychotiker fliehen muss.

Als akuten Auslöser dieser Massenpsychose sieht Simmel wie bei jeder Psychose einen plötzlichen Bruch mit der Realität:[24]

Der Antisemitismus trat immer dann offen in Erscheinung, wenn die Sicherheit des Individuums oder der Gesellschaft durch katastrophale Ereignisse erschüttert wurde.

Mortimer Ostow sieht in der Entwicklung destruktiver Tendenzen Einzelner und Gruppen, wie sie sich auch im Antisemitismus speziell in imaginierten Bedrohungs- und Weltuntergangszenarien zeige, die Abwehr suizidaler Wünsche, Depressionen, sowie der ihr zugrunde liegenden Schuldgefühle. Das Aufgehen in der Gruppe komme dabei den Bestrebungen zur Regression der Ich-Funktion in Hinsicht auf eine grenzenlose Tendenz zur Synthese und Integration und dem damit verbundenen Individualitätsverlust zusätzlich entgegen.[25]

Der Antisemitismus wird darüber hinaus auch in seiner auffälligen Verbindung zur Xenophobie untersucht. Für Arno Gruen war der Jude der „personifizierte innere Fremde“ und letztlich „das Fremde in uns selber“.[26] Die Ursache dafür wird in einer frühkindlichen Fremdenabwehr gesehen, die später in manichäischem Schwarz-Weiß-Denken endet, wenn sie in der Sozialisation des Individuums nicht überwunden wird.

Margarete Mitscherlich knüpfte nach 1945 mit dem Aufsatz Antisemitismus – eine Männerkrankheit? an die Psychoanalyse Freuds an, betonte aber stärker die geschlechtsspezifischen Unterschiede: Projektion des Vaterhasses, Verschiebung der Inzestwünsche auf den Juden ('Rassenschande'), Rivalitätsaggressionen etc. – diese unbewussten psychischen Motive für die Entwicklung des Antisemitismus sind vor allem für die männliche Psyche relevant. Frauen würden dagegen nur selten vatermörderische Wünsche hegen.[27]

Psychoanalytische Erklärungen für das Kollektivphänomen Antisemitismus können weder dessen phasenweise Zu- und Abnahme noch die unterschiedlichen politischen Folgen des Phänomens zureichend erklären. Daher werden sie von historischer und soziologischer Forschung bisher kaum rezipiert. Das individualpsychologische Methodenrepertoire der Psychoanalyse wird im Blick auf gesellschaftliche und politische Gesamtprozesse für nur bedingt anwendbar gehalten.

Kritische Theorie

Die Frankfurter Schule führte psychologische und marxistische Theoriebildung in einer umfassenden gesellschafts- und ideologiekritischen Kritischen Theorie zusammen. Das Frankfurter Institut für Sozialforschung untersuchte schon im Vorfeld der nationalsozialistischen Machtergreifung die Anfälligkeit von Arbeitern und Kleinbürgern für den Antisemitismus und Faschismus empirisch, um diese sozial- und individualpsychologisch zu erklären. Die Studien über Autorität und Familie von Erich Fromm (1936) gehörten zu den ersten Veröffentlichungen zum „autoritären Charakter“.[28]

Zu den frühen Studien über Hitler und seine Anhänger gehörte auch das Buch des ehemaligen Mitglieds der Frankfurter Schule Paul Wilhelm Massing: Hitler is no Fool 1939. Massing veröffentlichte 1949 auch eine der ersten historischen Darstellungen des deutschen Antisemitismus von 1871 bis 1914, der zum Nationalsozialismus führte: Rehearsal for Destruction: A Study Of Political Anti-Semitism in Imperial Germany (1959 auf Deutsch mit dem irreführenden Untertitel Vorgeschichte des politischen Antisemitismus erschienen).

Max Horkheimer stellte schon früh selbstkritisch fest, dass soziologisch-historische Erklärungsmodelle zum Verständnis des Antisemitismus nicht ausreichten und es in Soziologie und Philosophie keine Untersuchung gebe, die mit Freuds oder Fenichels psychoanalytischen Aufsätzen vergleichbar sei.[29] Deshalb verbanden er und Theodor W. Adorno diese Ansätze in der „Dialektik der Aufklärung“ zu einer umfassenden Kulturkritik der Neuzeit. Dabei war besonders der abschließende Aufsatz „Elemente des Antisemitismus“ von 1944 von Bedeutung.

Die Kritische Theorie sieht die industrielle Vernichtung des europäischen Judentums als geschichtlichen Einschnitt und Ausgangspunkt einer völligen Neubegründung von Gesellschaftstheorie, da sie den Menschen den kategorischen Imperativ aufgezwungen habe, „ihr Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.“[30] Für Horkheimer konnte die kapitalistische Gesellschaft nur durch den Antisemitismus heute noch richtig verstanden werden. Dieser habe in erster Linie gesellschaftliche Ursachen, weil die durch Herrschaftsprinzip und Warentausch vermittelte Gesellschaft sich in der psychologischen Verfassung des Subjekts niederschlage. In den Juden finde das gesellschaftlich deformierte Individuum ein Objekt, dem es alle als negativ wahrgenommenen Anteile dieser Gesellschaft, in die es unauflöslich eingebunden sei und die es selber trage, zuschreibe.

Die antisemitische Verhaltensweise wird in den Situationen ausgelöst, in denen verblendete, der Subjektivität beraubte Menschen als Subjekte losgelassen werde. […] Der bürgerliche Antisemitismus hat einen spezifisch ökonomischen Grund: Die Verkleidung der Herrschaft in Produktion. [31]

Mit den studies in prejudice („Vorurteilsstudien“) und dem Mittel der Autoritarismusskala bemühte sich die Frankfurter Schule auch um eine, zumeist qualitative, empirische Absicherung ihrer Thesen. Bahnbrechend waren dabei Adornos Aufsätze The Authoritarian Personality und Antisemitism and Emotional Disorder von 1950 (beide 1973 in „Studien zum autoritären Charakter“ auf Deutsch erschienen). Hier ging es nicht um die Entstehung des Antisemitismus, sondern um seinen „Resonanzboden“, d.h. die individuelle Anfälligkeit für diese Ideologie und die Charakterstruktur ihrer Träger. Adorno versuchte anhand von Personen mit besonders starker antisemitischer Einstellung zu zeigen, dass es einen potentiell faschistischen Charakter gibt, in dem sich Unterwürfigkeit, Aggressivität, Neigung zu Projektion, und Manipulation zu einer strukturellen Einheit verbinden. Er stellte eine „unabwendbare antidemokratische Konsequenz“ des Antisemitismus fest.

Einen Versuch zur Charakterisierung der „antisemitischen Persönlichkeit“ unternahm auch Else Frenkel-Brunswick unter der Fragestellung:

Welche Art von Menschen akzeptiert antisemitische Ideen und wird zu ihrem aktiven Träger? […] Welche Funktion, falls er überhaupt eine hat, erfüllt der Antisemitismus in ihrer Persönlichkeitsstruktur?

Sie beobachtete bei einer Gruppe von 100 Studenten, davon 76 weiblichen Teilnehmern eines Psychologie-Grundkurses, eine „Art allerdings kaum differenzierter konservativer Einstellung mit einer Tendenz zur Aufrechterhaltung des Status quo“ mit „Neigungen zu individualistischem und willkürlichem, teilweise zu Gewalt neigendem, Verhalten in öffentlichen Angelegenheiten“ sowie eine auffällige Neigung zur „Hochschätzung und Reinerhaltung der eigenen ethnischen und sozialen Gruppe in Verbindung mit der Ablehnung von Minderheiten“, die sie als „Pseudokonservatismus“ kennzeichnete.[32]

Diese Thesen ließen sich empirisch bisher nicht verifizieren; ob und wieweit ihre Methodik wissenschaftlich ist, ist umstritten. Denn autoritäre, gewaltbereite und sadistische Tendenzen sind unter Männern wie Frauen auch im Verbund mit anderen antidemokratischen Ideologien und in anderen totalitären Systemen anzutreffen. Nur wenige Vertreter wie Moishe Postone versuchen heute, die Kritische Theorie zu aktualisieren und zu erweitern.

Gruppensoziologie

Die Gruppensoziologie begreift Antisemitismus als Produkt von Gruppenkonflikten – als Frage von Einschluss in und Ausschluss aus Gemeinschaften. Die frühe deutsche Soziologie (Max Weber [33], Werner Sombart, Georg Simmel) beschränkte sich darauf, aus ethnischen, kulturellen und religiösen Traditionen der Juden, ihren Gruppencharakter zu konstruieren. Dieser sei durch kapitalistische Wirtschaftsgesinnung, geographische Mobilität und Pariarecht gekennzeichnet.[34] Auf dieser Grundlage konnte Antisemitismus nur als Ablehnung der angeblich spezifisch jüdischen Eigenschaften gedeutet werden. Die Gruppensoziologie hat solche essentialistischen Deutungen zurückgewiesen und schrittweise den Fokus der Forschung auf die Funktion des Antisemitismus für die antisemitische Gruppe umgelenkt.

Unter dem Einfluss des Zionismus hat erstmals Fritz Bernstein den Versuch einer Erklärung von Antisemitismus auf der Basis der Gruppensoziologie unternommen: Antisemitismus diene der Herstellung von Identitätsstiftung und Binnenhomogenität einer ingroup durch Abgrenzung von der jüdischen outgroup. Die Juden ständen wegen ihrer Minderheitenexistenz in europäischen Gesellschaften stets als outgroup zur Verfügung, auf deren Kosten ingroups der Mehrheitsgesellschaft ihre Selbstdefinition betreiben können. Es habe sich gezeigt, dass dieser Ausgrenzungsmechanismus nicht durch Assimilation hintergehbar sei.[35]

Die Grundidee, Antisemitismus als unüberwindbare Gruppenfeindschaft zu beschreiben, hat auch literarische Aufarbeitungen dieses Themas inspiriert, insbesondere von Arnold Zweig und Max Frisch.[36]

In The Sociology of Modern Antisemitism (1942)[37] hat Talcott Parsons nach Gründen für Gruppenfeindseligkeit gegenüber Juden gesucht. Die Auflösung alter Gemeinschaftsstrukturen in modernen Gesellschaften und der Konkurrenzdruck durch das kapitalistische Leistungsprinzip produzierten Aggressionen von „Modernisierungsverlierern“, die auf Gruppen außerhalb des nationalen Kollektivs verschoben werden müssten. Ob, wie Parsons meint, der reale Gruppencharakter der Juden mit dazu beitrage, sie zur Zielscheibe von Anfeindungen zu machen, ist in der soziologischen Forschung umstritten.

Eva Gabriele Reichmann hat in Die Flucht in den Hass 1956 diesbezüglich zwischen einer „echten“ und einer „unechten Judenfrage“ unterschieden. Erstere beruhe auf tatsächlichen Gruppenkonflikten, während letztere einem Aggressions- und Selbstbestätigungsbedürfnis der nichtjüdischen Umwelt entspringe und somit eher psychologisch als soziologisch zu erklären sei. In Anlehnung an die politische Theoretikerin Hannah Arendt (insbesondere 1951) und den Historiker und Antisemitismusforscher Gavin Langmuir (insbesondere 1990) hat sich mittlerweile die Ansicht durchgesetzt, dass der Antisemitismus, zumindest in der Neuzeit, nicht auf Realkonflikten basiert, sondern sich durch einen chimärischen Charakter auszeichnet.[38] Daher wird die Konstruktion des Juden als das „Fremde“ oder das „Andere“ als eine notwendige Bedingung von Antisemitismus betrachtet.

Die gruppensoziologische Einordnung von Antisemitismus in allgemeine Fremdenangst gegenüber ethnischen Minderheiten in westlichen Gesellschaften ist erst durch die neuere Nationalismusforschung in Frage gestellt worden: In Anlehnung an Zygmunt Bauman hat etwa Klaus Holz festgestellt, dass Antisemitismus nicht als eine unter vielen Formen von Fremdenfeindlichkeit gesehen werden kann, da Diskurse des nationalen Antisemitismus die Juden als nicht klassifizierbare, internationalistische Gruppe einstufen. Sie verkörperten somit die Negation des nationalen Prinzips überhaupt.

Krisentheorie der Moderne

Dieser Erklärungsansatz ist politik- und sozialgeschichtlich ausgerichtet und betrachtet Antisemitismus im Zusammenhang mit krisenhaften Umbrüchen, ökonomisch tiefgreifenden Gesellschaftsveränderungen und politischen Interessen, die mit dem Entstehen der Nationalstaaten Europas einhergingen.

Dabei wird der seit 1870 in Deutschland auftretende „moderne“, zunehmend rassistisch begründete Antisemitismus von früheren und weiterbestehenden Formen der Judenfeindlichkeit deutlich abgesetzt. Die Entstehung einer antisemitischen Bewegung im Kaiserreich wird auf ein Ursachengeflecht politischer, sozialer und ökonomischer Faktoren zurückgeführt. Dazu gehören u. a.

  • die Industrialisierung unter frühkapitalistischen Bedingungen,
  • die Besonderheiten der rechtlichen und politischen Emanzipation jüdischer Deutscher, die sich fast 100 Jahre lang hinzog und zur Verfestigung antijüdischer Klischees und einer problematischen „Judenfrage“ beitrug,
  • die verpasste Chance der Demokratisierung von unten durch das Scheitern der Märzrevolution von 1848,
  • die wirtschaftliche Depression nach dem Gründerkrach von 1873, der darauf folgende Niedergang des Liberalismus und Bismarcks „konservative Wende“ von 1878/79,
  • eine nationale und kulturelle Identitätskrise (Kulturpessimismus), die seit etwa 1879 durch übersteigerten Nationalismus und Antisemitismus kompensiert worden sei.

Im Gegensatz zur vormodernen Judenfeindlichkeit zeichne sich der moderne Antisemitismus durch folgende Kennzeichen aus:

  • Säkularisierung des christlichen Judenhasses
  • Rassentheoretische Fundierung
  • Amalgamierung mit dem modernen Nationalismus
  • politische Organisation (Parteien, Vereine, Verbände)
  • Instrumentalisierung in politischen Auseinandersetzungen
  • „Judenfrage“ als Kern- oder Weltproblem

Nach 1945 hat sich dieses Erklärungsmodell, das auch Impulse von Forschungen der Weimarer Zeit und der Frankfurter Schule aufgriff, in der Bundesrepublik weithin durchgesetzt. Einer seiner Vertreter ist Hans Rosenberg, der in seiner Studie Große Depression und Bismarckzeit 1967 empirisch nachweisen konnte, dass zwischen der Wirtschaftsdynamik und dem Wachstum des Antisemitismus ein enger Wirkungszusammenhang bestand:

Seit 1873 stieg der Antisemitismus, wenn der Aktienkurs fiel. [39]

Nach Rosenberg verhalten sich Konjunkturen des Antisemitismus umgekehrt proportional zur wirtschaftlichen Konjunkturentwicklung. Gleichzeitig verwirft Rosenberg die Realkonfliktthese. Nicht tatsächliche, sondern wahrgenommene Konfliktlinien zwischen Juden und Nichtjuden täten sich in Krisenzeiten auf. Rosenberg betont, dass nur wenige Zeitgenossen die radikalen Struktur- und Konjunkturveränderungen damals durchschauten, so dass irrationale Erklärungen dafür umso leichter Fuß fassen konnten. Diese hatten einen gewissen Schein von Plausibilität, weil traditionell tatsächlich relativ viele Menschen jüdischer Herkunft im Banken- und Kreditgewerbe tätig waren. Währenddessen suchten Handwerker, Mittelständler, Land- und Industriearbeiter in eben jenen Kreisen nach den Schuldigen für Absatzkrisen, Pleiten, Inflation und Arbeitslosigkeit.

Ergänzend wies Reinhard Rürup in seinem Aufsatz Emanzipation und Antisemitismus 1975 [40] auf politische Interessen hin: Reaktionäre feudalistische oder nationalistische Politiker hätten die im Volk verbreitete Bereitschaft zur Suche nach Sündenböcken gezielt instrumentalisiert, um das Kleinbürgertum in das antiliberale Lager einzubinden. So habe die Funktion des Antisemitismus objektiv darin gelegen,

von den tatsächlichen Ursachen sozialer Konflikte und Krisen [abzulenken] und zugleich ein Ventil für kollektive Unzufriedenheit und Aggressionstriebe [zu bieten]. (S. 123)

Englische, amerikanische und kanadische Historiker (insb. Geoff Eley, David Blackbourn, Helmut W. Smith, James Retallack) haben dagegen den antigouvernementalen Charakter des Antisemitismus stärker betont. Der moderne Antisemitismus ist demnach kein Teil einer Ablenkungsstrategie des Obrigkeitsstaats gewesen, sondern hat sich als antimoderne Protestideologie aus dem Bürgertum heraus entwickelt. Daneben haben einige Forscher (v.a. James F. Harris) darauf hingewiesen, dass einige der Kennzeichen des modernen Antisemitismus bereits in voremanzipatorischer Zeit gegeben waren. Auch die angloamerikanische Forschungstradition bestätigt den Zusammenhang von Antisemitismus und Gesellschaftskrise.(Werner Jochmann).[41]

Die Krisentheorie hat vor allem in der Forschung zu Parteien, Vereinen, Verbänden und gesellschaftlichen Gruppen, die sich dem Antisemitismus zuwandten, breiten Niederschlag gefunden. Norbert Kampe untersuchte 1988 beispielsweise das Verhältnis von Studenten und ‚Judenfrage‘ im Deutschen Kaiserreich mit dem Ergebnis, dass der Ausschluss der jüdischen Kommilitonen aus den meisten Studentenverbindungen um 1890 vor dem Hintergrund tiefer Existenzängste des Bildungsbürgertums zu sehen sei. Der akademische Arbeitsmarkt war damals so stark geschrumpft, dass Abschottung gegenüber Aufsteigern und Außenseitern, zu denen vor allem die gerade erst zur Universitätslaufbahn zugelassenen Juden gehörten, nahe zu liegen schien. So ging die ursprünglich liberal gesinnte Akademikerzunft ein Mentalitätsbündnis mit den wilhelminischen Eliten auf Kosten der Juden ein. Besonders in den Burschenschaften, so Kampe, sei diese Allianz von Antisemitismus, Nationalismus und reaktionärer Kaisertreue dann bis weit in die Weimarer Republik hinein wirkungsmächtig geworden.[42]

Kampes Studie ließ jedoch außer Acht, dass gerade unter Theologiestudenten, die keine jüdischen Konkurrenten fürchten mussten, der Judenhass stark verbreitet war. So zeigten sich christlich-konfessionelle Korporationen anfällig für den Rassenantisemitismus. Dabei kann die schwierige Perspektive für Pfarramtsanwärter, die seit 1885 durchschnittlich fünf Jahre auf eine Anstellung warten mussten, eine Rolle gespielt haben.

In den letzten beiden Jahrzehnten ist vor dem Hintergrund des Booms der „neuen Kulturgeschichte“ Kritik an der Konzentration der Krisentheorie auf sozioökonomische Faktoren und strukturfunktionalistische Erklärungen geübt worden. Seitdem ist die Krisentheorie durch mentalitätsgeschichtliche Ansätze erweitert worden. Olaf Blaschke und Wolfgang Heinrichs haben z. B. Einstellungen zum Judentum in den christlichen Konfessionen zur Zeit des Kaiserreichs untersucht. Sie haben festgestellt, dass auf Bodenverluste der Kirchen in Staat und Gesellschaft mit einer Reaktivierung und Modernisierung traditioneller christlicher Judenfeindschaft reagiert wurde. Den Aufstieg des modernen Judentums deuteten konservative Christen beider Konfessionen als Mahnung zu innerer Geschlossenheit und zur Abwehr gegen die Moderne durch Rechristianisierung. Daher sei der moderne Antisemitismus nicht mit dem Rassenantisemitismus identisch, vielmehr habe neben und in Mischung mit ihm ein christlich- konservativer Antisemitismus bestanden, der mindestens ebenso wirkungsmächtig gewesen sei.[43]

Der traditionelle und im 19. Jahrhundert keineswegs überwundene, sondern vielfältig weiterwirkende Antijudaismus spielt für die Erklärung des modernen Antisemitismus in den sozialgeschichtlich orientierten Forschungen allerdings nach wie vor kaum eine Rolle. Umgekehrt überschätzen kirchengeschichtliche Studien wiederum oft die rein geistesgeschichtliche Kontinuität zwischen beiden Formen der Judenfeindlichkeit. Dass bereits der mittelalterliche Judenhass oft ökonomische Hintergründe hatte und nachaufklärerische „Erlösungsutopien“ religiöse Feindmotive beerbten und transformierten, wurde lange Zeit in beiden Forschungsrichtungen unterbelichtet.

Religions-, kirchengeschichtliche und mediävistische Studien

Judenfeindlichkeit war im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit überwiegend religiös legitimiert, selbst dann, wenn in der Praxis der Judenverfolgung politische und wirtschaftliche Motive zum Tragen kamen und protorassistisch geprägte Feindbilder und Gesetzgebungen (so z. B. in Spanien nach der Reconquista) wirkten. Daher ist speziell für die christliche Judenfeindlichkeit der Vormoderne der Begriff Antijudaismus geprägt worden, der sich allerdings nicht allgemein durchgesetzt hat. Mit dem Aufstieg des Christentums in Europa wurden judenfeindliche Stereotypen zum integralen Bestandteil mittelalterlicher Theologie und auch in der Reformation nicht überwunden. Die in päpstlichen Bullen und in der, schon mit Augustinus beginnenden [44], Adversos- Iudaeos- Literatur (Latein: „gegen die Juden“) am häufigsten vorzufindenden Vorwürfe beziehen sich auf:

  • Blindheit und Verstocktheit gegenüber Jesus Christus als Messias
  • Kollektivschuld am Tode Jesu
  • Abkunft vom Teufel (Joh. 8,44)
  • Verschwörung zum Schaden der Christenheit

Die mindere Rechtsstellung der Juden und ihre Ausgrenzung aus der christlich-ständischen Gesellschaftsordnung wurden seit der Konstantinischen Wende, zum Beispiel auf dem Vierten Laterankonzil im Jahr 1215, welches den Ausschluss der Juden von öffentlichen Ämtern und die Vermeidung von Handels- und anderen Beziehungen zu Christen anordnete [45], schrittweise durchgesetzt und als heilsgeschichtliche Notwendigkeit interpretiert. Das Elend der Juden sollte die Überlegenheit des Christentums erweisen und die Juden zur Konversion bewegen. Der eschatologische Vorbehalt (Röm. 11), der den Juden eine bleibende Rolle im Rahmen der christlichen Heilsgeschichte einräumte, verlor zunehmend an Bedeutung. Spätestens seit dem 12. Jahrhundert traten zu den theologischen Vorwürfen im engeren Sinne Hostienfrevel- und Ritualmordbeschuldigungen hinzu. Sie sind zwar eher der Volksfrömmigkeit zuzuordnen, und wurden von der weltlichen und geistlichen Obrigkeit zurückgewiesen [46], gleichzeitig aber von Bischöfen und vom monastischen Klerus nachträglich gerechtfertigt oder sogar aktiv propagiert.[47] Gewalttaten gegen Juden in Form von Pogromen, Vertreibungen und Zwangstaufen häuften sich in Krisenzeiten und Phasen des religiösen Aufbruchs, wie den Kreuzzügen, den Pest- und Lepraepidemien im 14. Jahrhundert, oder zur Reformationszeit.[48]

Auf der Basis dieser Kenntnisse über den Antijudaismus im Mittelalter gehen kirchen- und theologiehistorische Arbeiten seit 1945 vor allem der Frage nach, welchen Anteil das Christentum an der Entstehung des modernen Antisemitismus hatte, wie antijüdische Stereotypen der Neuzeit überliefert wurden und wie sie in den Volkstums- und Rassentheorien des 19. und 20. Jahrhunderts weiterwirkten. So ranken sich die Forschungskontroversen in diesem Bereich primär um die Kontinuitätsfrage und darum, ob und in welchem Ausmaß Judenfeindlichkeit systematisch in christliche Theologie eingeschrieben war.

Zunächst jene Positionen, die Brüche und Übergänge hervorheben: Die häufig in populärwissenschaftlichen Zusammenhängen auftretende Behauptung eines „Antisemitismus“ im Neuen Testament, ist allgemein zurückgewiesen worden. Antijüdische Polemik (z. B. Mt. 23, 13–29; Joh. 8,44; 1. Thess 2,16) sei dort ein Produkt binnenjüdischer Auseinandersetzungen, die erst mit der Ablösung der christlichen Gemeinden von ihrer jüdischen Umwelt und der Konstantinischen Wende judenfeindliche Wirkungen gezeitigt haben.

Gavin Langmuir hat in judenfeindlichen Quellen seit dem 12. Jahrhundert zunehmende chimärische Züge in den Feindbildkonstruktionen beobachtet und darin den Übergang vom Antijudaismus zum Antisemitismus erkannt. Die antijüdischen Feindbilder hätten sich bereits im Spätmittelalter nicht mehr an realen theologischen Gegensätzen zwischen Christen und Juden orientiert.

Heiko A. Oberman hat in der Reformationszeit Rahmenbedingungen ausgemacht, die zur Radikalisierung und Modernisierung christlicher Judenfeindlichkeit führten. Angesichts existenzieller Bedrohungen von Innen (Glaubensspaltung) und Außen (Türkenkriege) habe sich in Europa eine Endzeitangst verbreitet, die nach Verfolgung der vermeintlichen Repräsentanten „des Antichristen“ in dieser Welt verlangte. (Das betraf neben den Juden auch so genannte Häretiker, Hexen, konfessionelle Gegner, aufständische Bauern u. a.)

Johannes Heil geht demgegenüber von einem langfristigen Säkularisierungsprozess vom 13. bis zum 16. Jahrhundert aus, in dem sich Judenfeindlichkeit aus theologischen, heilsgeschichtlichen oder überhaupt religiösen Diskurskontexten löste. Die dem Judentum in der christlichen Gesellschaft zugeschriebene Rolle wandelte sich vom „Gottesfeind“ zum „Menschenfeind“.[49]

Das Fazit des, für die protestantische Theologie repräsentativen Lexikons Religion in Geschichte und Gesellschaft, das Christentum trage am modernen Antisemitismus nur indirekt Schuld[50], bildet aber bis heute keinen Konsens in der theologischen und kirchengeschichtlichen Antisemitismusforschung. Die Entwicklung von Kontinuitätsthesen ist gerade in diesem Bereich der Forschung weit verbreitet. Sie kann Ansätze der jüdischen Geschichtsschreibung aufgreifen, die in der Nachfolge von Heinrich Graetz und Jules Isaac eine langfristige Wirksamkeit des christlichen Judenhasses bis in den modernen Antisemitismus hinein angenommen hat. (Ganz in diesem Sinne z. B. Leon Poliakov, Jacob Katz Robert Wistrich, William Nicholls, Albert S. Lindemann[51])

Ausgangspunkt für die Vertreter von Kontinuitätsthesen waren Aussagen von Adolf Hitler und Julius Streicher u.a. führender Nationalsozialisten, die bewusst christliches Vokabular verwendeten und die Nähe zur Judenfeindschaft Martin Luthers suchten. [52] Im protestantischen Bereich wird Luthers später Judenhass daher oft als Bindeglied zwischen mittelalterlichem Antijudaismus und neuzeitlichem Antisemitismus, besonders in seiner spezifisch deutschen Ausprägung, angesehen. Man zog eine gerade Traditionslinie von Luther selbst über den lutherischen Hofprediger Adolf Stoecker [53] bis zu den Deutschen Christen. Dagegen haben Achim Detmers und Peter von der Osten-Sacken judenfeindliche Schriften einzelner Reformatoren stärker im historischen Kontext der Reformationsgeschichte untersucht und ihre Bindung an die unmittelbaren Zeitumstände und theologischen Denksysteme betont. Dennoch rückt auch Osten-Sacken Luther in die Nähe des modernen Antisemitismus.[54]

Tatsächlich wirken Luthers Forderungen an die Fürsten in Von den Juden und ihren Lügen (1543) fast wie eine Handlungsanleitung für die „Reichskristallnacht“ von 1938.[55]

Erstlich, daß man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe, und beschütte, daß kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich. Und solches soll man thun unserem Herrn und der Christenheit zu Ehren. [56]

Dabei wurden jedoch Luthers Aussagen häufig aus dem historischen Kontext gelöst. So wurde übersehen, dass sie im wesentlichen den mittelalterlichen Stereotypen und Feindbildern folgten und sich kaum von den Positionen anderer Reformatoren (z. B. Martin Bucer) und Altgläubigen (z. B. Johannes Eck) unterschieden.[57]

Während traditionell eher der Protestantismus im Fokus der Antisemitismusforschung stand, hat sich in den letzten Jahrzehnten, bedingt durch die teilweise Öffnung der vatikanischen Archive, eine Kontroverse um die Entwicklung der Judenfeindlichkeit im Katholizismus entwickelt. Einige Historiker zeichnen eine Kontinuität radikaler Judenfeindlichkeit im Katholizismus bis hin zur Verstrickung in den Holocaust.[58] Andere Historiker und Theologen haben in Bezug auf Deutschland eine katholische Immunität gegenüber dem modernen Rassenantisemitismus behauptet. Den Versuch einer Synthese hat Olaf Blaschke unternommen: Antisemitismus sei im katholischen Milieu tief verankert gewesen, aber nicht als reine Weiterführung des mittelalterlichen Musters. Vielmehr habe sich eine spezifisch katholische Version des modernen Antisemitismus entwickelt, die Distanz gegenüber Rassismus und eliminatorischen Lösungen wahrte, die Bekämpfung der Juden als politische, wirtschaftliche und religiöse Gegner aber als legitim einstufte.[59]

Andere Ansätze beziehen sich vorrangig auf Motivation für religiösen Antisemitismus. So befasste sich Stefan Lehr gezielt mit den weiterwirkenden religiösen Motiven im Antisemitismus seit 1870. Er stellte zwischen 1870 und 1900 allein etwa 130 Ritualmordanklagen gegen Juden in zahlreichen Ländern Europas fest, die fast immer mit der „Gottesmord“-Anklage begründet wurden und häufig in der Karwoche vor Ostern erfolgten. Dieses Argument bildete den Hauptfaktor für die Aktivierung von Pogromen und gezielter Judenhetze von meist kirchlichen Agitatoren des 19. Jahrhunderts. Damit erhärtete Lehr die Vermutung, dass keine eindeutige, weder zeitliche noch inhaltliche Abgrenzung zwischen Antijudaismus und Antisemitismus möglich ist, sondern sich christliche und rassistische Vorurteile gegenseitig durchdrangen und verstärkten.

Er sprach von einem „Wurzelgeflecht“ zwar verschiedener, aber nie isoliert auftretender, sondern sich vielfältig beeinflussender religiöser, sozialer, politischer und ökonomischer Motive für den Judenhass der modernen, besonders der deutschen und österreichischen Industriegesellschaften Mitteleuropas. Auch konnte er zeigen, dass es gerade bürgerliche, sogar theologisch gebildete Parteipolitiker waren, die mit kampagnenartigen Vortragsreisen die religiöse Judenfeindlichkeit in der Landbevölkerung, die bereits nachgelassen hatte, wieder anfachten. Diese Agitatoren waren Lehr zufolge keineswegs skurrile Außenseiter, sondern verfügten in der Kaiserzeit über großen publizistischen Einfluss, wenn auch ihre direkten politischen Erfolge gering blieben. Antisemitismus war demnach im Kaiserreich keine Randerscheinung, sondern fester Bestandteil des öffentlichen Diskurses um das Verhältnis von Nation und Religion, der wiederum eng mit den Interessen der politischen Eliten verbunden gewesen sei.[60]

Die Studie von Claus-E. Bärsch 1988 zieht sogar eine direkte Linie von der Apokalyptik, der Satanologie und dem Antijudaismus im Neuen Testament, besonders in der Offenbarung des Johannes, zur nationalsozialistischen Ideologie von Adolf Hitler und Joseph Goebbels. Diese These stieß u. a. bei Christhard Hoffmann auf Ablehnung, weil sie die verwickelte Überlieferung und den Wandel christlicher zu antisemitischen Stereotypen zu stark vereinfache und damit dem Bild eines „Ewigen Juden“ als Hassobjekt der europäischen Gesamtgeschichte Vorschub leiste. Die Rezeption antijudaistischer Motive bei den Nationalsozialisten sei oft keine lebendige Fortsetzung, sondern künstliche „Erfindung einer Tradition“ zu Propagandazwecken gewesen. So hätten Antisemiten gezielt nach judenfeindlichen Aussagen Luthers gesucht und sie in einen neuen, säkular-rassistischen Kontext gestellt, um sie politisch benutzen zu können.[61]

Während die sozialgeschichtliche Forschung weiterwirkende religiöse Motive häufig unterschätzt, betonen Kirchenhistoriker oft zu einlinig eine Kontinuität und letztlich Identität von Antijudaismus und Antisemitismus, indem sie letzteren Begriff auf alle vormodernen Formen von Judenfeindlichkeit übertagen. Demgegenüber dominieren in der Mediävistik die Bemühungen, die Unterschiede zwischen vormoderner und moderner Judenfeindlichkeit sichtbar zu machen. [62] [63] So ist, bei allerdings gravierenden Differenzen in der Periodisierung, mittlerweile die Ansicht konsensfähig, dass dem modernen Antisemitismus die Säkularisierung der antijüdischen Feindbilder und ihrer Kontexte vorausging.

Kulturgeschichtliche Studien

Forschungen verschiedener Fachdisziplinen befassen sich mit den Ideen, Bildmotiven, Mentalitäten und kulturellen Denkmustern, die den Antisemitismus des 19. Jahrhunderts mit früheren Formen von Judenfeindlichkeit verbinden oder ihn davon unterscheiden. Sie betonen jedoch meist eher die Kontinuität als die Diskontinuität. Einige Historiker haben sich in diesem Zusammenhang um eine Synthese von Kultur-, Ideen- und Sozialgeschichte bemüht. Andere vertreten einen radikalen Konstruktivismus, der die Eigenlogik antisemitischer Bildwelten und Diskurse betont, d.h. ihre Entwicklung als unabhängig von realhistorischen Ereignissen und Strukturen einstuft.

Trotz dieser Gegensätze wird zunehmend interdisziplinär geforscht. Beispielhaft dafür ist das Projekt von Herbert A. Strauss am Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung von 1983 bis 1987, in dem Kunsthistoriker, Religions-, Sozial- und Literaturwissenschaftler Bilder von Juden und Judentum in der deutschen populären Kultur 1900 bis 1950 untersuchten und damit einen wesentlichen Beitrag zur Erklärung der Vorgeschichte des Rasseantisemitismus leisteten. Aus diesem Projekt gingen bekannte Arbeiten von Rainer Erb, Werner Bergmann, Stefan Rohrbacher, Michael Schmidt und Peter Dittmar hervor (siehe Literaturverzeichnis).

Ein Ergebnis dieser Studien war, dass religiöse Motive wie der Gottesmordvorwurf und die Ritualmordlegende, aber auch die Ahasver-Legende und das Bild des Wucherjuden nach der Aufklärung nicht verschwanden, sondern tief im kollektiven Bewusstsein besonders der Landbevölkerung verankert blieben. Michael Schmidt erklärt dies als im Mittelalter „erlernte Feindschaft“, die man gerade in Krisenzeiten umso mehr festhielt und besonders in Konfliktsituationen dann aktivierte.

Solche Bilder blieben aber auch im säkularen Rassenantisemitismus wirksam, so dass auf der Bild- und Motivebene eine starke Kontinuität zum Antijudaismus oder sogar zur antiken Judenfeindlichkeit besteht. Hier zog Arthur Hertzberg eine Linie vom Judenhass antiker Bildungsbürger wie Sueton und Tacitus, auf die sich französische Aufklärer wie Voltaire beriefen, zum Antisemitismus. In Deutschland sieht Eleonore Sterling eher die Romantik, die auf den Rationalismus der Aufklärer reagierte, als dessen Wurzel an. Im Rahmen der Forschungen zur völkischen Bewegung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik (Uwe Puschner u. a.) ist herausgearbeitet worden, dass religiöse Vorstellungen im Rassenantisemitismus nicht an Bedeutung verloren haben. Die Religion wurde in völkischen Zirkeln als Spiegel der Rasseneigenschaften eines Volkes interpretiert. Demnach glaubte man, aus der angeblich minderwertigen Ethik der jüdischen Religionsgesetze (Talmud, Schulchan Aruch) den „schädlichen Rassencharakter“ der Juden erweisen zu können. (so u. a. Theodor Fritsch) Religion und Rasse verbindende Theorien erzielten durch auflagenstarke Publikationen und das nationalistische Vereins- und Verbandswesen Verbreitung im konservativen Bürgertum, auch über sektiererische Zirkel hinaus. Mit ihrer Charakterisierung des Antisemitismus in Deutschland und Frankreich vor 1918 als „kultureller Code“ hat Shulamit Volkov Kulturgeschichte und politische Sozialgeschichte zusammengeführt. Der Antisemitismus habe nicht auf unmittelbares Handeln in der „Judenfrage“ abgezielt, sondern sei das Erkennungszeichen einer nationalistischen und antiliberalen Gegenkultur gewesen.[64]

Paul Rose vertritt demgegenüber die These vom „revolutionären Antisemitismus“ in Deutschland, den gerade demokratische, auf Veränderung drängende Idealisten seit 1789 vertreten hätten: So seien gerade kirchenfeindliche Philosophen und Intellektuelle von Immanuel Kant [65] über Johann Gottfried Herder, Hegel [66] und Johann Gottlieb Fichte [67] bis zu Karl Marx [68], die eine demokratische und gerechte Weltordnung anstrebten, oft essentiell judenfeindlich gewesen. Die „Judenfrage“ sei für sie kein Randthema, sondern die Kehrseite und Voraussetzung ihrer universalistischen Erlösungsutopien gewesen. Dabei wirkten sich sonstige Gegensätze kaum aus, so dass Liberale wie Karl Gutzkow und Sozialisten wie Marx im Blick auf das Judentum sehr ähnlich dachten und redeten wie die Antisemiten Wilhelm Marr und Richard Wagner (Das Judenthum in der Musik).

Weshalb gerade Juden in diesen säkularen Utopien als Feinde von Liebe, Freiheit, Gerechtigkeit und Humanität erschienen, erklärt Rose ebenfalls mit weiterwirkenden religiösen Stereotypen. Die Ritualmordlegende sei nach der Damaskusaffäre (1840) zum Vorwurf des „Menschenopfers“ in Form von Ausbeutung oder „Blutsaugerei“ – als Metapher für Kapitalismus – umgewandelt worden; die Ahasverlegende sei zur ewigen Charaktereigenschaft des Judentums von Egoismus, Materialismus und niedriger Verstocktheit mutiert. Eine besonders radikale Version der Kontinuitätsthese vertritt Michael Ley. Er interpretiert Antisemitismus als Produkt frühchristlicher religiöser Dogmen, die durch das Christentum und späterhin durch diverse Säkularreligionen (Nationalismus, Faschismus, Kommunismus) bis nach Auschwitz weitergetragen wurden.[69] Mit ihrer Säkularisierung seien die vormodernen antijüdischen Stereotypen noch wirksamer geworden als im Mittelalter, wo das Judentum religiös abgelehnt, aber teilweise sozial geduldet gewesen sei. Denn die rationale Welterklärung ließ Juden keinen Freiraum mehr, sondern verlangte nach einer Radikallösung: Diese sei dann nur als Totalauslöschung in Form von Assimilation oder Vertreibung und – da diese undurchführbar blieb – Ausrottung vorstellbar gewesen. Daher habe es im deutschen Liberalismus anders als in England oder den Niederlanden kein pluralistisches Konzept gegeben, das Juden eine eigenständige, gleichberechtigte Existenz in der bürgerlichen Gesellschaft zubilligte. Angesichts solcher Thesen stellt sich die Frage, ob man hier nicht Vorstellungen von Multikulturalismus an die Vergangenheit heranträgt, die im Zeitalter des Nationalismus und des klassischen Nationalstaats keine Optionen waren. Im Kontrast dazu haben Uriel Tal und Uffa Jensen die Grenzen des Liberalismus in der „Judenfrage“ nicht mit Antisemitismus in Verbindung gebracht, sondern im Abgrenzungsbedürfnis von Judentum und Protestantismus erkannt. Beiden sei es darum gegangen, eine Unterscheidbarkeit ihrer, mittlerweile stark angenäherten, Ethik und Theologie sicherzustellen.[70]

Andere Kulturhistoriker haben sich weder an der Liberalismuskritik beteiligt, noch motiv- und geistesgeschichtliche „Tiefenbohrungen“ zur vormodernen Judenfeindlichkeit durchgeführt. Vielmehr haben sie den Charakter des Antisemitismus als antimoderne Ideologie der Moderne bestätigt. Die Entscheidenden Erweiterungen in der Sprach- und Bildwelt des Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert sehen sie in Verknüpfungen mit anderen modernen Anti-Ideologien, wie Antifeminismus, Antislawismus und Antibolschewismus. (Forschungsansätze dazu bei Christina von Braun und Massimo F. Zumbini) Darüber hinaus habe die überlieferte Beschreibung des „jüdischen Körpers“ Anregungen aus Medizin, Anthropologie und Biologie erfahren. (Sander L. Gilman, Klaus Hödl)

Ein Problem kulturgeschichtlicher Ansätze ist, dass sie die Kontinuität judenfeindlicher Stereotypen und Feindbilder häufig überschätzen und die eklektizistische Natur des modernen Antisemitismus nicht genügend berücksichtigen. Der moderne Antisemitismus tendierte dazu, propagandistische Wirkung über ideologische Konsistenz zu stellen. So wurden von ihm ältere judenfeindliche Traditionen gezielt aufgegriffen und dem Propagandarepertoire hinzugefügt, ohne dass jemals tatsächliche geistesgeschichtliche Kontinuitäten zur vormodernen Judenfeindschaft bestanden hätten. Dieses methodische Problem tritt vor allem in Arbeiten auf, welche die motivgeschichtliche Ebene nicht verlassen und daher übersehen, dass gleiche Motive in unterschiedlichen historischen und diskursiven Kontexten nicht dieselbe Bedeutung haben müssen.

An ideen- und diskursgeschichtlichen Studien ist wiederum kritisiert worden, dass sie sich mit der politischen, philosophischen und theologischen „Höhenkammliteratur“ begnügen und dem Antisemitismus der Unter- und Mittelschichten keine eigenständige Entwicklung zubilligen. So wird dessen Verbreitung häufig als Verbreitung judenfeindlicher Ideologien in den geistigen Eliten der Gesellschaft gedeutet, während der umgekehrte Weg kaum in Betracht gezogen wird. Auch den Übergang von antisemitischer Agitation zur Gewalt gegen Juden können kulturgeschichtliche Ansätze, sofern sie sich ausschließlich auf Sprache und Symbole fokussieren, nicht erklären (vgl. entspr. Rezensionen von Christhard Hoffmann, Till van Rahden, Ulrich Sieg und Rainer Hering).

Studien zum Zusammenhang von Antijudaismus und Antisemitismus

Ein zentrales Thema der Antisemitismusforschung ist das Verhältnis des mittelalterlichen Antijudaismus zum modernen Antisemitismus.

Der US-Historiker Raul Hilberg schrieb 1961 ein umfangreiches Standardwerk über den Zusammenhang zwischen mittelalterlichem Antijudaismus und nationalsozialistischem Antisemitismus, das die Kontinuität zwischen beiden mit zahlreichen Einzeluntersuchungen belegt, ohne sie gleichzusetzen. Er sieht von den Zwangstaufen der Goten Spaniens im 6. Jahrhundert bis zu den Vernichtungslagern der Nazis logische Bezüge. Dabei unterscheidet er rückblickend drei Hauptperioden:

Die Kirche errang das Religionsmonopol und bestimmte über die Juden, welche bald zu den „Ketzern“ gerechnet wurden. Die „wahre“ Religion gebot die Gewaltmission. Da die Zwangstaufen wenig erfolgreich waren, griff die Kirche zu „Schutz“-Maßnahmen, indem sie die Juden ghettoisierte. – Diese Periode folgte dem Motto: Ihr habt kein Recht, als Juden unter uns zu leben!

Seit den Kreuzzügen wurden Juden immer häufiger vor die Wahl gestellt: „Bekehrt euch, oder ihr werdet vertrieben.“ Vertreibungen und Pogrome wurden fallweise, ähnlich wie Hexenverfolgung bei Pest-Epidemien, die Regel. Martin Luther deutete dieses Leiden als „Strafe Gottes“ für „Unglauben“ und „Verstocktheit“. Er übernahm damit das Judenbild des Mittelalters und überlieferte es der Neuzeit. – In dieser Periode lautete das Motto: Ihr habt kein Recht, unter uns zu leben!

Trotz der Brechung des kirchlichen Religionsmonopols schloss die Emanzipation des Bürgers die Juden weiterhin aus, und ihre Vertreibung blieb das Ziel. Romantik, Idealismus und Nationalismus machten den „Antisemitismus ohne Gott“ zur bürgerlichen Normalität. Rassistische Theorien, die der Nationalsozialismus später in die Tat umsetzte, gewannen an Boden. Vor 1939 ging es den Nazis überwiegend um die Entrechtung und Enteignung der Juden. Der Vernichtungsplan nahm erst während des Krieges Gestalt an. Die „Endlösung“ war einfacher und billiger als die Vertreibung. – Diese Periode folgte dem Motto: Ihr habt kein Recht, zu leben!

Die Shoa war für Hilberg also kein absolutes Novum, kein „Betriebsunfall“, und keine unbegreifliche „Katastrophe“. Die deutsche Bürokratie habe den massenhaften Mord der Juden nur darum so schnell und gründlich durchführen können, weil sie auf jahrhundertelange Erfahrungen in diesen Vorgehensweisen zurückgreifen konnte. Das kanonische Recht der katholischen Kirche von Justinian bis zu Papst Pius VI. habe sämtliche Maßnahmen enthalten, welche die Nationalsozialisten übernahmen:

Die lange Gewöhnung der Bevölkerung an die Isolation, Verachtung und Verfolgung der Juden, so Hilberg, habe die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Holocaust fast ohne Widerstand dagegen durchgeführt werden konnte. [71]

Für Christhard Hoffmann, Historiker an der Universität Bergen (Norwegen) u.a., liegt die Differenz und gleichzeitige Verwandtschaft von mittelalterlich-christlicher und modern-rassistischer Judenfeindlichkeit vor allem in drei Faktoren:

  • Juden konnten durch die Taufe Mitglied der christlichen, und durch Assimilation der bürgerlichen Gesellschaft werden. Der Rassismus dagegen verschloss ihnen diesen Ausweg. Dessen Ideologen lehnten darum nicht nur die gesetzliche Gleichstellung, sondern auch und gerade die kirchliche Judenmission als „Eindringen fremden Blutes“ vehement ab.
  • In beiden Fällen glaubte man an einen unaufhebbaren Gegensatz zwischen Judentum und herrschender Weltanschauung. Aber das Mittelalter ertrug die Fortexistenz der Juden trotz ihrer göttlichen „Verwerfung“ eher, weil ein Christ Gottes Geschichtsplan nicht kannte und daher die Lösung von gesellschaftlichen Widersprüchen eher dem „Jenseits“ überließ. In den säkularen Erlösungsutopien dagegen macht der Mensch seine Geschichte selbst, so dass Lösungen im Diesseits politisch errungen werden müssen. Die Auflösung religiöser Gegensätze durch bürgerliche Gleichberechtigung konnte – zumal, wenn die soziale Integration der Juden misslang – leichter zur Zielvorstellung einer Radikallösung durch Vertreibung und Vernichtung umschlagen.
  • Im Christentum und den liberalen oder sozialistischen Zukunftserwartungen galt das Judentum immer als überholte, alte, in seinen schon toten Resten zu überwindende Größe. Juden konnten nur als Christen, Bürger oder Sozialisten am allgemeinen „Fortschritt“ teilhaben. Als dieser ausblieb bzw. seine negativen Folgen überhand nahmen, wurde das Zukunftsbild des Rassismus plausibler: Nur radikale Ausmerzung des „Anderen“, des „Volksschädlings“, könne die Dekadenz und „Zersetzung“ der eigenen Kultur aufhalten. Die Vorstellung einer Lösung lag nicht mehr im quasi automatischen Fortschreiten der Geschichte zum Besseren. Der so genannte „Kulturverfall“ wurde als Ausgeburt „bösartiger Mächte“ bezeichnet. Als deren Inbegriff wurde die „jüdische Rasse“ dingfest gemacht. Die „Verjudung“ diente als einfache Erklärung uneinheitlicher komplexer Phänomene: Den Krisenerscheinungen der Demokratie, des Liberalismus, des Sozialismus, des Kapitalismus und des Kommunismus als Theorien und z.T. Praktiken wurde somit eine einheitliche Ursache unterstellt. Dabei wurde der christliche Dualismus von Gott und Satan, Gut und Böse in neuer Gestalt – als welthistorischer Gegensatz von „Ariern“ und „Semiten“ – reaktiviert. [72]

In der Mediävistik ist die Suche nach antijudaistischen Elementen im modernen Antisemitismus auf grundsätzliche Kritik gestoßen. Unter Zusammenführung von historischen und gruppensoziologischen Ansätzen hat Gavin Langmuir auf der Basis mittelalterlicher Quellen eine Typologie judenfeindlicher Einstellungen entwickelt:

  • realistische Einstellungen: basieren auf tatsächlichen Gegensätzen zwischen Juden und Nichtjuden.
  • xenophobe Einstellungen: übertragen Eigenschaften einzelner Gruppenmitglieder auf die Gesamtgruppe.
  • chimärische Einstellungen: operieren mit erfundenen Zuschreibungen, die allein die Existenz der Juden als Gruppe voraussetzen.

Allein die chimärische Judenfeindschaft begreift Langmuir als Antisemitismus, während der Antijudaismus bis etwa ins 12. Jahrhundert durch realistische und xenophobe Einstellungen bestimmt gewesen sei. Langmuirs Typologie ist zwar auf Zustimmung gestoßen, doch wird bezweifelt, dass sie als Fundament für die begriffliche Trennung zwischen Antijudaismus und Antisemitismus tauglich ist. Die drei Typen judenfeindlicher Einstellungen lassen sich in allen Epochen nachweisen. Daher hat sich Johannes Heil nicht auf den Wandel der Motive, sondern ihrer diskursiven Kontexte konzentriert, für die er einen langfristigen Säkularisierungsprozess annimmt. Das Heraustreten der Judenfeindlichkeit aus theologisch- religiösen Zusammenhängen ist demnach für den Übergang zum Antisemitismus entscheidend. Dieser sei mit dem Rassenantisemitismus im 19. Jahrhundert abgeschlossen, beginne aber bereits im Spätmittelalter, so dass man diese Zwischenphase als Frühantisemitismus kennzeichnen könne.[73]

Der Übergang vom Antijudaismus zum Antisemitismus ist eine nach wie vor offene Forschungsfrage. Die einzelnen historiographischen Ansätze unterscheiden sich in ihren methodischen Prämissen und ihren Periodisierungsvorstellungen zu stark, als dass sich aus ihnen eine Synthese bilden ließe. In der Forschung lassen sich vier idealtypische Erklärungsmodelle ausmachen:

  • Radikalisierungsthese: Der Übergang vom Antijudaismus zum Antisemitismus gestaltet sich als ein etappenweise vor sich gehender Inhaltswandel der Judenfeindlichkeit. Dieser wird als Radikalisierung gedacht, welche letztlich im Holocaust mündet. (Hilberg)
  • Parallelexistenzthese: Es gibt inhaltliche Überschneidungen zwischen Antijudaismus und Antisemitismus, aber keinen Übergang. In der Moderne existieren beide Spielarten der Judenfeindlichkeit parallel nebeneinander. (siehe Abschnitt Religions- und Kirchengeschichte)
  • Entlehnungsthese: Der moderne Antisemitismus bedient sich im Motivrepertoire des Antijudaismus, säkularisiert allerdings die entlehnten Elemente und ordnet sie in nachreligiöse Kontexte ein. (Hoffmann)
  • Säkularisierungsthese: Judenfeindliche Diskurse und ihre Kontexte unterlagen bereits im Spätmittelalter einem langfristigen Säkularisierungsprozess. Einen in der Neuzeit fortwirkenden Antijudaismus gibt es nicht. (Langmuir und Heil)

Heutige Fragestellungen

Struktureller Antisemitismus

Als strukturell antisemitisch werden Ideologien bezeichnet, die sich nicht ausdrücklich gegen Juden richten, aber dem „klassischen“ Antisemitismus von ihrer Begrifflichkeit und Argumentationsstruktur her ähneln. Gemeint ist vor allem die aus dem Frühsozialismus stammende Unterscheidung von Finanzkapital und Produktivkapital, wobei Ersteres mit seinen Repräsentanten identifiziert wird. [74] Diese werden für die Armut und das Leiden des „kleinen Mannes“ verantwortlich gemacht. Oft kommt der Vorwurf dazu, die „reichen Bonzen“ würden nur von der Arbeit der ehrlichen Arbeiter leben, während sie selbst nicht arbeiteten.

Durch diese Personalisierung und Verkürzung einer marxistischen Gesellschaftskritik ähneln Ideologien, die das Finanzkapital und seine Vertreter ablehnen, strukturell dem Antisemitismus und können in Judenhass übergehen oder diesen fördern. Denn Juden galten schon im Antijudaismus des Mittelalters traditionell als Wucherer und wurden seit 1789 mit der „Zirkulationssphäre des Kapitals“ [75] in Verbindung gebracht. Dabei verwies man stets auf einzelne reiche jüdische Bankiers oder „Spekulanten“, die als typische Vertreter aller Ausbeuter galten. So wurde das Judentum als treibende Kraft des entstehenden Kapitalismus ausgemacht. Auch die Nationalsozialisten stellten „schaffende“ Deutsche den „raffenden“ Juden gegenüber und identifizierten das Finanzkapital mit dem Judentum.

Insofern heutige antikapitalistische Gruppen und Theorien solche Argumente und Bilder übernehmen und einzelne Vertreter, etwa des IWF oder der Weltbank, als Juden darstellen und ihr Judesein hervorheben, weisen sie strukturell antisemitische Züge auf. Eine im Jahr 2002 von der EU in Auftrag gegebene Studie zu Antisemitismus [76] behauptet, dass sich Globalisierungskritiker antisemitischer Stereotypen bedienten. [77] Der Mitautor der Studie, Werner Bergmann (Professor für Antisemitismusforschung an der TU-Berlin), verweist darauf, dass es „unter anderem die Diskussionen innerhalb von Attac Deutschland [waren], die uns darauf aufmerksam gemacht haben.“ [78]

Auch Ideologien, die von einer Weltverschwörung ausgehen, welche im Hintergrund die Fäden der Politik zieht, oder die behaupten, eine bestimmte Personengruppe versuche insgeheim die Weltherrschaft an sich zu reißen (z. B. Antiamerikanismus), werden als struktureller Antisemitismus gedeutet. [79] Eine strenge Abgrenzung zwischen strukturellem und sekundärem Antisemitismus ist nicht möglich.

Sekundärer Antisemitismus

Als sekundären Antisemitismus bezeichnet man eine Form subtiler Judenfeindlichkeit, die nach dem Holocaust und in Reaktion auf ihn vor allem in Deutschland und Österreich entstand. Er speist sich aus Gefühlen der Scham und Schuldabwehr und benutzt dazu oft als Antizionismus ausgegebene Pauschalkritik am Staat Israel. Sein Denkmuster ist durch ein berühmtes Bonmot des israelischen Psychoanalytikers Zwi Rex gekennzeichnet: Die Deutschen werden den Juden Auschwitz niemals verzeihen.

Der sekundäre Antisemitismus verzichtet auf unmittelbar judenfeindliche Äußerungen und bestreitet überhaupt jede antisemitische Motivation. Stattdessen bedient er sich Argumentationsstrategien, die über eine Verschiebung des Opfer-Täter-Koordinatensystems, Vorbehalte und Feindseligkeiten gegenüber Juden transportieren.[80]

Für die Forschung ergibt sich in der Auseinandersetzung mit dem sekundären Antisemitismus ein Quellen- und Definitionsproblem: Ist es auch dann noch sinnvoll, von Antisemitismus zu sprechen, wenn die zu untersuchenden Äußerungen die Grenzen des nach dem Holocaust Sagbaren und, in Deutschland und Österreich, auch die Grenzen des Legalen (Holocaustleugnung) wahren? Dabei hängen Feststellung und eventuelle Stärke eines sekundären Antisemitismus wesentlich von der Begriffsdefinition von Antisemitismus ab. Der deutsche Historiker Ernst Nolte bestreitet seine Existenz:

Von Antisemitismus sollte eigentlich erst gesprochen werden, wenn der Kampf gegen die Juden zum Zentrum einer Ideologie wird und wenn den Juden als solchen und insgesamt die Schuld an einer verhängnisvollen Entwicklung zugesprochen wird. [81]

Jehuda Bauer, Professor für Holocauststudien an der Universität in Jerusalem, möchte den Begriff „Antisemitismus“ auf die nationalsozialistische Ausprägung, die in der Shoa mündete, begrenzen und lehnt daher das Konzept des sekundären Antisemitismus ab.

Im Zusammenhang mit „sekundärem Antisemitismus“ lassen sich insbesondere folgende Diskurse einordnen:

  • der Angriff auf tatsächliche, zumeist aber konstruierte, Tabuisierungen in der politischen Kultur, den Medien und der Geschichtsschreibung, vorzufinden z. B. in der Frage der Legitimität von Israelkritik, die zumindest in rechts- und linksradikalen Kreisen sehr häufig eindeutig antisemitisch besetzt ist.
  • die Relativierung des Holocaust durch seinen Vergleich mit anderen Genoziden und seine kausale Verknüpfung mit dem bolschewistischen „Klassenmord“: so vor allem durch Ernst Nolte seit 1986 (siehe Historikerstreit), in der Affäre um Äußerungen des Politikers Martin Hohmann populistisch diskutiert.
  • die Unterstellung, die Juden würden ihre Opferrolle im Holocaust ausnützen, um sich in aller Welt politische und wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen: so u. a. in der Finkelstein-Kontroverse um die so genannte Holocaust-Industrie. (siehe unten)

In letzter Zeit ist auch ein verstärkter Antisemitismus in islamischen Ländern zu beobachten, der Argumentationsstrategien des sekundären Antisemitismus verwendet. Einige Forscher sprechen im Blick auf diese durch die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA veränderte Situation bereits von einem globalen neuen Antisemitismus. Diesen Begriff benutzen der US-amerikanische Historiker Dan Diner u.a. auch zur Charakterisierung von „linken“ und „rechten“ politischen Strömungen, die mit Argumenten des so genannten „Antiamerikanismus“ in ihrer Extremform einen Komplott des israelischen Zionismus mit den herrschenden jüdischen Kreisen in den USA zur Eroberung der Welt konstatieren. [82]

Eliminatorischer deutscher Antisemitismus?

Hauptartikel: Antisemitismusdebatte

1996 sorgte Daniel Jonah Goldhagens Buchveröffentlichung Hitlers willige Vollstrecker für eine heftige Kontroverse in Medien und Forschung. Für ihn verfolgten die Deutschen die Juden aus einem besonderen „eliminatorischem Antisemitismus“ heraus, der zu den „lang tradierten und kaum noch hinterfragten Grundüberzeugungen der deutschen Kultur“ gehört habe.[83] Im Gegensatz zu vorherrschenden Erklärungsversuchen machte Goldhagen also den deutschen Antisemitismus, den es in anderen Ländern nicht derart extrem gegeben habe, als zentrale Ursache des Holocaust aus. Seinem Buch warfen Fachhistoriker, darunter Hans Mommsen und Raul Hilberg, willkürliche Quellensichtung, mangelnde wissenschaftliche Methodik[84], einen veralteten Forschungsstand und mangelhaftes Qualitätsniveau vor.[85]

1998 erschien die Studie des US-amerikanischen Politologen Norman Finkelstein Eine Nation auf dem Prüfstand, in der er Goldhagen vorwarf, historische Sachverhalte zu verfälschen, mit seiner Erklärung eines angeblichen deutschen antisemitischen Volkscharakters selbst rassistische Denkmuster zu übernehmen und die Deutschen kollektiv so unter Anklage zu stellen, wie es die Nationalsozialisten mit den Juden getan hätten. Dies behindere das Nachdenken darüber, „was die Juden selber zum Antisemitismus der Nazis beigetragen haben könnten“. Nach Peter Longerich kommen diese Thesen einem „weitverbreiteten, amorphen Gefühl des 'endlich genug' entgegen, und gefährden die deutsche Demokratie.“[86] Eberhard Jäckel lehnte eine Stellungnahme zu Finkelsteins Buch ab.

Meinungsforschung

Versuche, antisemitischen Einstellungen durch Meinungsumfragen auf den Grund zu gehen, sind schon im 19. Jahrhundert zu beobachten.[87] Repräsentative demoskopische Studien wurden erstmals 1946 durch die US-Besatzungsmacht in Deutschland durchgeführt und von bundesrepublikanischen Wissenschaftlern im Abstand von jeweils ca. einem Jahrzehnt wiederholt. Dabei wurde einerseits festgestellt, dass judenfeindliche Einstellungen weit über rechtsextreme Kreise hinaus verbreitet sind, andererseits aber kontinuierlich abgenommen haben. (Von 40 % der Befragten in den 1960er Jahren auf ca. 20 % heute.[88]) Vorbehalte gegenüber Juden sind bei älteren Menschen verbreiteter als bei jungen. Bei Westdeutschen (15 %) waren sie 1990 häufiger anzutreffen als bei Ostdeutschen (4–6 %), was sich aber bis 2006 nivelliert hat. [89] Die Ergebnisse der Meinungsforschung haben (besonders aufgrund der zugrundeliegenden Fragestellung und Begriffsdefinition) eine große Bandbreite: Andere Studien kommen zu gänzlich abweichenden Schlussfolgerungen bezüglich einer Zustimmung zu antisemitischen Äußerungen. Sie reichen von 7 % im Jahr 1994 bis zu aktuellen 12 % in Ostdeutschland, und 17 % im Jahr 1994 und aktuellen 31 % in den alten Bundesländern, wobei die Zustimmung zu antisemitischen Äußerungen bei Frauen geringer erscheint und bei Arbeitslosen deutlich ausgeprägter ist. [90] Auch diese Befunde decken sich nicht mit den demoskopischen Forschungen über Rechtsextremismus und zeigen, dass es notwendig ist, die Ergebnisse der Meinungsforschung kritisch zu hinterfragen und Methoden der qualitativen und quantitativen Sozialforschung transparent zu machen. Zusätzlich zu Ergebnissen empirischer Studien wird der gegenwärtige Antisemitismus mit ergänzenden Forschungsmethoden untersucht, dokumentiert und publiziert. Einige Autoren versuchen auf diese Weise und durch die Mitarbeit in Organisationen, gesellschaftspolitischen Einfluss auf öffentliche Debatten zu gewinnen.

Vergleichende Studien auf europäischer Ebene haben deutlich gemacht, dass Antisemitismus ein Nationen übergreifendes Phänomen ist. (siehe Literaturverzeichnis) Als zentrale Ergebnisse sind festzuhalten:

  • Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Präsenz von Juden in einer Gesellschaft und dem Ausmaß des Antisemitismus. Spanien, Italien und Polen belegen in entsprechenden Studien „Spitzenplätze“, obwohl der jüdische Bevölkerungsanteil in diesen Ländern extrem gering ist.
  • In vielen europäischen Ländern (Frankreich, Niederlande, Schweden, Großbritannien) haben sich Einwanderer arabisch-islamischer Herkunft als eine Hauptträgerschicht des Antisemitismus etabliert. Ihre Judenfeindlichkeit ist durch die Parteinahme zugunsten der Palästinenser im Nahostkonflikt bestimmt. Es lässt sich allerdings beobachten, dass sich islamistische und antizionistische Positionen mit dem, aus westlichem Denken entlehnten, Rassenantisemitismus verbinden.
  • Deutschland liegt in den Antisemitismusstudien im europäischen Mittelfeld, bei Einzelfragen, die sich auf die Relativierung der NS-Herrschaft und des Holocaust beziehen, dagegen an der Spitze.
  • In den ehemaligen Ostblockstaaten lässt sich beobachten, dass Antisemitismus in eine enge Verbindung mit einem neuen Nationalismus getreten ist, der sich sowohl antirussisch als auch antiwestlich gibt. Auch die Virulenz religiöser Vorurteile ist in Osteuropa größer als in Westeuropa. [91]

Die demoskopischen Antisemitismusstudien haben es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur den manifesten Antisemitismus einer „unbelehrbaren“ Minderheit, sondern auch latent judenfeindliche Einstellungen zu messen. Dieser Anspruch kann allerdings nur annähernd als eingelöst betrachtet werden. Trotz zugesicherter Anonymität werden zahlreiche Probanden gesellschaftlich erwünschte Antworten geben. Außerdem dürften auch die häufig sehr suggestiven Frageitems zu gesellschaftlich erwünschten Antworten verleiten. Darüber hinaus ist „latenter Antisemitismus“ (z. B. als „unterschwellig im Alltagsdiskurs vorhandenes stillschweigendes Einverständnis über die Existenz der Juden als eines nicht genau definierten Kollektivs“ [92]) ein schwammiger Begriff geblieben, der eine klare Differenzierung zwischen Vorurteil und Antisemitismus nicht zulässt.

Siehe auch

Referenzen

  1. Die Jahrbücher von 1992 bis 2005 auf www.zfa.kgw.tu-berlin
  2. Informationen zum Fritz-Bauer-Institut http://www.fritz-bauer-institut.de
  3. Die Bulle „Cum Nimis Absurdum“ von Papst Paul IV auf www.sedisvakantismus.org
  4. Augustinus: De civitate Dei („Vom Gottesstaat“), aus dem Lateinischen übertragen von Wilhelm Thimme, eingeleitet und kommentiert von Carl Andresen (ISBN 3423301236). Online auf Deutsch unter Augustinus: De civitate Dei XVIII, 46 – Die Ankunft unseres Erlösers durch die Menschwerdung des Wortes und die Zerstreuung der Juden in alle Welt, wie es geweissagt war. auf www.unifr.ch
  5. Jacob Katz: Vom Vorurteil bis zur Vernichtung. Der Antisemitismus 1700–1933. München 1990: C. H. Beck. ISBN 3406335551, Seite 30 ff.
  6. „Während daß Gott sein erwähltes Volk durch alle Staffeln einer kindischen Erziehung führte: waren die andern Völker des Erdbodens bey dem Lichte der Vernunft ihren Weg fortgegangen.“ […] (§. 20) „Aber jedes Elementarbuch ist nur für ein gewisses Alter. Das ihm entwachsene Kind länger, als die Meinung gewesen, dabey zu verweilen, ist schädlich.“ (§. 51) aus: Gotthold E. Lessing: Die Erziehung des Menschengeschlechts. Berlin 1780. Dtv, 1997, ISBN 3423026308
  7. Rainer Erb/ Werner Bergmann, Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780–1860, Berlin, 1989
  8. Christian Wilhelm Dohm: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. Olms, 1973, ISBN 3487046318
  9. Das Standardwerk zur menschlichen Erblichkeitslehre und Rassehygiene von Erwin Baur, Eugen Fischer und Fritz Lenz im Spiegel der zeitgenössischen Rezensionsliteratur 1921–1941 auf www.deposit.ddb.de
  10. Erwin Baur, Eugen Fischer und Fritz Lenz: Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene. J. F. Lehmanns Verlag, München, 1923, Band 1, Seite 294
  11. Karl Marx in Marx-Engels-Werke Band 1, S. 353, 372.
  12. Friedrich Engels in Marx-Engels-Werke Band 22, Seite 49ff
  13. Walter Mohrmann: Antisemitismus – Ideologie und Geschichte im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Deutscher Verlag der Wissenschaften VEB, 1972
  14. Moishe Postone: Deutschland, die Linke und der Holocaust. Politische Interventionen. Ça ira-Verlag, 2005, ISBN 3-924627-33-X, S. 168
  15. Prof. Dr. Günter Schulte: Freuds „Moses und der Monotheismus“ auf www.guenther-schulte.de
  16. Wilhelm Reich: Die Massenpsychologie des Faschismus. Kiepenheuer & Witsch, 1986, ISBN 3462017942, S. 73
  17. Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V.
  18. Otto Fenichel: Elemente einer psychoanalytischen Theorie des Antisemitismus. In: Ernst Simmel: Antisemitismus. S. 55f
  19. Bernhard Berliner: Einige religiöse Motive des Antisemitismus. In: Ernst Simmel: Antisemitismus. S. 106f
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  21. Bela Grunberger: Der Antisemit und der Ödipuskomplex. In: Psyche XIV, 1962, S. 258
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  25. Mortimer Ostow: Myth and Madness – The Psychodynamics of Antisemitism S. 21, 88ff und 126
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  27. Mitscherlich, Antisemitismus- Eine Männerkrankheit?, in: Ginzel (Hrsg.), Antisemitismus, Köln 1991, S. 336–342.
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  30. Theodor W. Adorno: Negative Dialektik, Frankfurt, Suhrkamp, 2000 (1966), S. 358
  31. Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Fischer Taschenbuch, Frankfurt, 2004, ISBN 3596274044, Seite 201 und 202
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  33. Max Weber in Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus, Seite 181: „Das Judentum stand auf der Seite des politisch oder spekulativ orientierten „Abenteuer“-Kapitalismus. Sein Ethos war, mit einem Wort, das des Paria-Kapitalismus, - der Puritanismus trug das Ethos des rationalen bürgerlichen Betriebs und der rationalen Organisation der Arbeit. Er entnahm der jüdischen Ethik nur, was in diesen Rahmen passte.“ Online unter www.uni-potsdam.de
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  63. Hermann Greive: Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1995, ISBN 353408859X, Seite 1. Grieve schreibt, dass „...die neuzeitliche, nachaufklärerische Entwicklung in der Geschichte der Judenfeindschaft etwas Neues hervorgebracht hat, daß - mit anderen Worten - der moderne Antisemitismus ein eigenständiges, von den älteren Formen des Judenhasses zu unterscheidendes Phänomen ist.“
  64. Für den gesamten Absatz: Hertzberg, The Enlightenment and the Jews; Sterling, Judenhaß; Puschner u. a. (Hrsg.), Handbuch zur völkischen Bewegung; Volkov, Antisemitism as a Cultural Code, in: LBIYB 23 (1978), S. 25–46.
  65. „Die unter uns lebenden Palästiner [gemeint sind Juden] sind durch ihren Wuchergeist seit ihrem Exil, auch was die größte Menge betrifft, in den nicht ungegründeten Ruf des Betruges gekommen.“ aus: Immanuel Kant: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798), Meiner, 2003, ISBN 378731654X, Seite 205
  66. „Alle folgenden Zustände des jüdischen Volkes, bis auf den schäbigsten, niederträchtigsten, lausigsten Zustand, in dem es sich noch heutigtags befindet, sind weiter nichts als Folgen und Entwicklungen ihres ursprünglichen Schicksals, …“ zitiert: Hegels theologische Jugendschriften. Nach den Handschriften der Königlichen Bibliothek in Berlin. Herrausgeber: Herman Nohl, Minerva, Frankfurt, 1991, ISBN 978-3-86598-139-4, Seite 256. Zitiert nach: Vom Vorurteil bis zur Vernichtung. Der Antisemitismus 1700–1933. München 1990: C. H. Beck. ISBN 3406335551, Seite 75
  67. „Aber ihnen Bürgerrechte zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht ihnen allen die Köpfe abzuschneiden, und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sei.“ in: Johann Gottlieb Fichte: Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution, 1793, Meiner Felix Verlag GmbH, 1999, ISBN 3787302891, Seite 101
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  84. Ruth Bettina Birn: Revising the Holocaust, in: The Historical Journal 40,1, 1997
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  87. Hermann Bahr, Antisemitismus. Ein internationales Interview, Wien 1893.
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  89. Werner Bergmann: Geschichte des Antisemitismus. C. H. Beck, München, 2002, ISBN 3 406 479871, Seite 135 und 136
  90. Oliver Decker und Elmar Brähler: Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland
  91. Werner Bergmann: Geschichte des Antisemitismus. C. H. Beck, München, 2002, ISBN 3 406 479871, Seite 133 bis 138
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Literatur

Marxistische Ideologiekritik

Psychoanalyse

  • Sigmund Freud: Der Mann Moses und die monotheistische Religion. de Lange, Amsterdam 1939, 1975, Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1990, ISBN 359626300X
  • Bela Grunberger und Pierre Dessuant: Narzißmus, Christentum, Antisemitismus. Eine psychoanalytische Untersuchung. Klett-Cotta, 2000, ISBN 3608918329
  • Ernst Simmel (Hrsg.): Antisemitismus. (mit Aufsätzen von Simmel, Horkheimer, Fenichel, Bernhard, Adorno u. a.). Fischer Taschenbuch, 1993, ISBN 3-596-15530-4
  • Rudolph Maurice Loewenstein: Psychoanalyse des Antisemitismus. Suhrkamp, 1982 (Erstausgabe 1968), ISBN 3518102419
  • Yosef H. Yerushalmi: Freuds Moses. Endliches und unendliches Judentum. Fischer Taschenbuch, Frankfurt, Februar 1999, ISBN 3596123364
  • Wolfgang Hegener: Erlösung durch Vernichtung. Psychoanalytische Studien zum christlichen Antisemitismus. Psychosozial-Verlag, 2004, ISBN 3898063550
  • Mortimer Ostow: Myth and Madness – The Psychodynamics of Antisemitism. Transaction Pub, 1995, ISBN 1560002247
  • Jean Paul Sartre: Überlegungen zur Judenfrage. Rowohlt, Reinbek 1994, ISBN 3-499-13149-8

Kritische Theorie

  • Theodor W. Adorno /Max Horkheimer: Elemente des Antisemitismus. In: Dialektik der Aufklärung: Philosophische Fragmente. Fischer TB-Verlag, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-596-50519-4
  • Lars Rensmann: Kritische Theorie über den Antisemitismus. Studien zu Struktur, Erklärungspotential und Aktualität. Argument Verlag, 2001, ISBN 3886196429
  • Nathan W. Ackermann, Theodor W. Adorno, Bruno Bettelheim, Else Frenkel-Brunswik, Marie Jahoda, Morris Janowitz, Daniel J. Levinson, Nevitt R. Sanford: Der autoritäre Charakter. Band 2: Studien über Autorität und Vorurteil. 1. Auflage 1969, ISBN 3885353415
  • Moishe Postone: Nationalsozialismus und Antisemitismus – ein theoretischer Versuch. (S. 242–254) In: Dan Diner (Hrsg.): Zivilisationsbruch: Denken nach Auschwitz. Fischer TB-Verlag, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-596-24398-X

Krisentheorie der Moderne

  • Werner Jochmann: Gesellschaftskrise und Judenfeindschaft in Deutschland 1870–1945. Hamburg 1988
  • Norbert Kampe: Studenten und 'Judenfrage' im Deutschen Kaiserreich. Die Entstehung einer akademischen Trägerschicht des Antisemitismus. Göttingen 1988
  • Hans Rosenberg: Große Depression und Bismarckzeit. Wirtschaftsablauf, Gesellschaft und Politik in Mitteleuropa. Berlin 1967, S. 94ff
  • Fritz Stern: Kulturpessimismus als politische Gefahr. Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland. München 1985
  • Herbert A. Strauss (Hrsg.): Hostages of Modern Civilization: Studies on Modern Antisemitism 1870–1933/39. 2 Bände, Berlin-New York 1992/93.

Kirchengeschichtliche Studien

  • Claus-E. Bärsch: Antijudaismus, Apokalyptik und Satanologie. Die religiösen Elemente des nationalsozialistischen Antisemitismus. In: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 40 (1988)., S. 112–133
  • Dietz Bering: Gibt es bei Luther einen antisemitischen Wortschatz? Zur Widerlegung einer politischen Legende. In: Zeitschrift für Germanistische Linguistik (ZGL) 17.2 (1989), S. 137–161
  • Hermann Greive: Theologie und Ideologie. Katholizismus und Judentum in Deutschland und Österreich 1918–1935. Heidelberg 1969
  • Stefan Lehr: Antisemitismus – religiöse Motive im sozialen Vorurteil. Christian Kaiser Verlag, München 1974, ISBN 3-459-00894-6
  • Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hersg.): Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus. (Arnoldshainer Texte Band 85) Haag & Herchen Verlag, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3861371871

Kulturgeschichtliche Studien

  • Peter Dittmar: Die Darstellung der Juden in der populären Kunst zur Zeit der Emanzipation. München 1992
  • Martin Friedrich: Vom christlichen Antijudaismus zum modernen Antisemitismus. Die Auseinandersetzung um Assimilation, Emanzipation und Mission der Juden um die Wende zum 19. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 102 (1991)., S. 319–347
  • Christhard Hoffmann: Das Judentum als Antithese. Zur Tradition eines kulturellen Wertungsmusters. In: Werner Bergmann, Rainer Erb (Hrsg.): Antisemitismus in der politischen Kultur nach 1945. Opladen 1990
  • Christhard Hoffmann: Neue Studien zur Ideen- und Mentalitätsgeschichte des Antisemitismus. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung I (1992), S. 274–285
  • Stefan Rohrbacher, Michael Schmidt: Judenbilder. Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitischer Vorurteile. Reinbek 1991
  • Shulamit Volkov: Antisemitismus als kultureller Code. In: Jüdisches Leben und Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert. Zehn Essays. Beck, München 2000, ISBN 3-406-42149-0
  • Shulamit Volkov: Das geschriebene und das gesprochene Wort. Über Kontinuität und Diskontinuität im deutschen Antisemitismus. In: Jüdisches Leben und Antisemitismus S. 54–75

Historische Darstellungen Vorgeschichte

  • Werner Bergmann, Rainer Erb: Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780–1860. Metropol Verlag, Berlin, 1989, ISBN 392689377X
  • Arthur Hertzberg: The French Enlightenment and the Jews. The Origins of Modern Antisemitism. New York 1968
  • Nicoline Hortzitz: „Früh-Antisemitismus“ in Deutschland (1789–1871/72). Tübingen 1988
  • Paul W. Massing: Vorgeschichte des politischen Antisemitismus. Frankfurt am Main 1959
  • George L. Mosse: Die völkische Revolution. Über die geistigen Wurzeln des Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1991
  • Leon Poliakov: Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus. Wien 1977
  • Leon Poliakov: Geschichte des Antisemitismus. Band V: Die Aufklärung und ihre judenfeindliche Tendenz. Worms 1983
  • Eleonore Sterling: Judenhaß. Die Anfänge des politischen Antisemitismus in Deutschland (1815–1850). Frankfurt am Main 1969
  • Paul Lawrence Rose: Revolutionary Antisemitism in Germany. From Lant to Wagner. Princeton 1990

Geschichte

  • Helmut Berding: Moderner Antisemitismus in Deutschland. Frankfurt am Main 1988
  • Werner Bergmann, Rainer Erb, Christhard Hoffmann (Hrsg.): Traditions of Prejudice. The Religious and Intellectual History of Antisemitism.
  • Hermann Greive: Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland. Darmstadt 1983
  • Jacob Katz: Vom Vorurteil bis zur Vernichtung. Der Antisemitismus 1700–1933. München 1989
  • Jacob Katz: Zur jüdischen Sozialgeschichte: epochale und überepochale Geschichtsschreibung. In: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 1991. S. 429–436
  • Walter Mohrmann: Antisemitismus. Ideologie und Geschichte im Kasierreich und der Weimarer Republik. Berlin (Ost) 1972
  • Werner Mosse, Arnold Paucker (Hrsg.): Die Juden im Wilhelminischen Deutschland. Tübingen 1976
  • Thomas Nipperdey/Reinhard Rürup: Antisemitismus. Artikel in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache. Band 1, Stuttgart 1972, S. 129–153
  • Peter G.J. Pulzer: Die Entstehung des politischen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867–1914. Gütersloh 1966
  • Herbert A. Strauss, Norbert Kampe (Hrsg.): Antisemitismus. Von der Judenfeindschaft zum Holocaust. Frankfurt am Main 1985
  • Uriel Tal: Christians and Jews in Germany. Religion, Politics and Ideology in the Second Reich, 1870–1914. Ithaka & London 1975

Meinungsforschung

  • Anti- Defamation- League (Hg.), European Attitudes towards Jews, Israel and the Palestinian- Israeli Conflict, New York 2002.
  • Anti- Defamation- League (Hg.), European Attitudes towards Jews. A 5 Country Survey, New York 2002.
  • Werner Bergmann, Antisemitismus- Umfragen nach 1945 im internationalen Vergleich, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 5 (1996), S. 175–195.
  • Werner Bergmann, Rainer Erb: Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland. Ergebnisse der empirischen Forschung 1946–1989. Opladen 1991

Heutige Fragestellungen

  • Jahrbuch für Antisemitismusforschung. (Hrsg. Wolfgang Benz), Bd. 1 - 15. (Bd. 1-10 Campus Verlag, Frankfurt a.M.), (Bd. 10-15, Metropol, Berlin), 1992-2006
  • Werner Bergmann: Psychologische und soziologische Theorien zu Vorurteil und Diskriminierung. In: Herbert A. Strauss, Werner Bergmann (Hrsg.): Lerntag über Vorurteilsforschung heute. Berlin (TU) 1987, S. 9–27
  • Wolfgang Benz, Angelika Königseder (Hrsg.): Judenfeindschaft als Paradigma: Studien zur Vorurteilsforschung. Metropol Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-936411-09-3
  • Pilipp Gessler: Der neue Antisemitismus. Hinter den Kulissen der Normalität. Herder, Freiburg 2004 ISBN 3451054930


Forschungsentwicklung

  • Werner Bergmann, Mona Körte: Antisemitismusforschung in den Wissenschaften. Metropol, Berlin 2004, ISBN 3936411484
  • Gavin I. Langmuir: Towards a Definition of Antisemitism. Berkeley/Los Angeles 1990
  • Reinhard Rürup: Zur Entwicklung der modernen Antisemitismusforschung. In: Emanzipation und Antisemitismus. Studien zur 'Judenfrage' der bürgerlichen Gesellschaft. Göttingen 1975, S. 115–125

Weblinks