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Thelonious Monk

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Thelonious Sphere Monk (* 17. Oktober 1917 in Rocky Mount, North Carolina; † 17. Februar 1982 in Weehawken, New Jersey) war ein amerikanischer Jazzmusiker (Pianist und Komponist).

Er ist neben Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Charlie Christian und Kenny Clarke einer der Mitbegründer des Bebop. Mit seinem eigenwilligen Klavierstil und seinen unverwechselbaren Kompositionen gilt Monk als einer der großen Individualisten und bedeutenden Innovatoren des Modern Jazz.

Biographie

Kindheit und Jugend

Thelonious Monk zieht als Kind Anfang der 20er Jahre mit seiner Familie nach New York in das vor allem von Farbigen bewohnte Viertel San Juan Hill südwestlich von Harlem. Der Vater, Thelonious Monk Sr., verlässt die Familie jedoch bereits wenige Jahre später. So liegt die Verantwortung für Erziehung und Lebensunterhalt von Thelonious und seinen beiden Geschwistern allein bei seiner Mutter Barbara, die als Angestellte für die Stadtverwaltung arbeitet. Monk wird von seiner Mutter in seinen musikalischen Neigungen unterstützt und erhält bereits als Kind Klavierunterricht. Im Alter von 13 Jahren hat er einen Klavierwettbewerb im Harlemer Apollo Theater so oft gewonnen, dass er von der weiteren Teilnahme ausgeschlossen wird.

Anfänge als Musiker

Die Stadt New York entwickelt sich in Monks Jugendzeit zu einer der großen Jazzmetropolen. Besonders der Stadtteil Harlem wird mit seinen vielen Clubs zu einem Brennpunkt dieser Entwicklung. So wächst Monk in einer musikalisch sehr lebhaften Umgebung auf und hört viele Jazzmusiker „live“. Als frühe Einflüsse gelten Duke Ellington, Fats Waller, Earl Hines und der Stride-Pianist James P. Johnson, der in der Nachbarschaft der Familie Monk lebt.

Erste Erfahrungen sammelt Monk, wie viele Musiker jener Zeit, als Pianist auf „House-Rent-Parties“. Diese sind in von Schwarzen bewohnten Stadtteilen weit verbreitet. Mieter, die ihre Miete (Rent) nicht aufbringen können, laden die Menschen ihrer Nachbarschaft ein, sorgen für musikalische Unterhaltung und lassen dann „den Hut herumgehen“. Davon bezahlen sie die Musiker und die Miete. Daneben begleitet Monk auch den Gesang seiner Mutter in der Kirche auf der Orgel. Ein New Yorker Auftritt des blinden Klavier-Virtuosen Art Tatum im Jahr 1932 hinterlässt bei dem fünfzehnjährigen Monk einen tiefen Eindruck.

Mit 17 Jahren verlässt Monk die High School, um mit einer Wanderpredigerin zwei Jahre lang als Pianist auf Tour zu gehen. Er tritt dabei auch in Kansas City auf, das damals eine pulsierende Jazz-Stadt ist. Sie ist u.a. die Heimat der Count Basie Band und der Pianistin Mary Lou Williams. Diese hört Monk spielen, erkennt sein Talent und ermutigt ihn in seinen musikalischen Ambitionen. Ihr zufolge verfügte Monk schon damals über einen rhythmisch und harmonisch sehr eigenwilligen Stil.

Minton’s Playhouse

Wieder zurück in New York City, schlägt Monk sich einige Jahre mit Gelegenheitsjobs als Pianist durch. Anfang der 40er Jahre wird er Hauspianist im Harlemer Club Minton’s Playhouse. Er ist Treffpunkt eines losen Verbandes junger Musiker, die bei Jam-Sessions nach neuen musikalischen Wegen abseits des Swing-Mainstreams suchen. Neben Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Charlie Christian und Kenny Clarke gehört Monk zu diesem Kreis, der sich später als Keimzelle eines neuen Stils – des Bebop – und damit des Modern Jazz erweisen wird.

Während Parker und Gillespie später zu den Protagonisten des Bebop avancieren, bleibt Monk diese Anerkennung jedoch zunächst versagt. Dies liegt zum einem an Monks individualistischer, für viele nur schwer nachvollziehbaren Spielweise, zum anderen aber auch an seiner notorischen Unzuverlässigkeit, die selbst bei großzügiger Auffassung von Pünktlichkeit kaum regelmäßige Proben mit ihm möglich machen. Zwar wird er 1946 von Dizzy Gillespie als Pianist für dessen Big Band engagiert. Da er jedoch wiederholt verspätet oder überhaupt nicht zu Proben oder Auftritten erscheint, wird er gefeuert.

Der Tenorsaxophonist Coleman Hawkins ist in dieser Zeit einer der wenigen Bandleader, die Monk als Pianisten engagieren. Hawkins, ein Veteran des traditionellen Swing-Stils, wird dafür jedoch heftig kritisiert, da das rhythmisch und harmonisch unkonventionelle Spiel Monks beim Publikum auf schroffe Ablehnung stößt. Trotz dieser Widerstände hält Hawkins den Pianisten in seinem Quartett und macht im Jahr 1944 mit Monk dessen erste Studioaufnahmen.

Da Monk noch immer bei seiner Mutter lebt, die auch für seinen Lebensunterhalt sorgt, muss er nicht aufgrund wirtschaftlicher Zwänge künstlerische Zugeständnisse machen oder seinen eigensinnigen Lebensrhythmus an die Gewohnheiten seiner Mitmenschen anpassen. Stattdessen kann er sich ungehindert ausschließlich seiner musikalischen Leidenschaft widmen und seine kompositorischen Ideen verwirklichen.

Zu dieser Zeit hält Monk auch eine Art „Hausseminare“ für befreundete Musiker ab. Der junge Miles Davis, Sonny Rollins, Bud Powell und andere gehen in der Wohnung der Familie Monk ein und aus und lassen sich von Thelonious dessen Kompositionen am Klavier erklären. Dabei achtet er penibel darauf, dass seine oft sehr komplizierten Stücke korrekt gespielt werden. Miles Davis, der ein Jahrzehnt später mit Monks Komposition Round Midnight seinen Durchbruch beim breiten Publikum erleben wird, sagt später, dass diese Lektionen für seine musikalischen Entwicklung von großer Bedeutung gewesen sind.

Die Blue Note–Jahre 1947–1952

Erst 1947 – Monk ist nun schon 30 Jahre alt – kommt beim aufstrebenden Plattenlabel Blue Note Records Monks erste Schallplatte als Bandleader heraus. Seine Partner bei den Aufnahmen der folgenden Jahre sind u.a. der Vibraphonist Milt Jackson und die Schlagzeuger Art Blakey und Max Roach.

Im gleichen Jahr heiratet er Nellie Smith (*1921, †2002), ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Aus der Ehe gehen zwei Kinder hervor, Thelonious Jr. (*1949) und Barbara (*1953, †1984).

Monk hat zu diesem Zeitpunkt bereits viele seiner Stücke komponiert, die erst Jahre oder Jahrzehnte später Anerkennung erlangen werden. Dazu zählen seine bekanntesten Kompositionen Well, You Needn’t, Round Midnight und Straight, No Chaser. Auch sein individualistischer Klavierstil mit dem für ihn typischen perkussiven Anschlag ist jetzt bereits voll ausgeprägt. Seine künstlerische Entwicklung ist damit weitgehend abgeschlossen: Im Laufe seiner weiteren Karriere wird seine Musik keine wesentlichen stilistischen Veränderungen und Brüche mehr erfahren. Viele der auf Blue Note veröffentlichten Aufnahmen stellen mustergültige Interpretationen seiner Kompositionen dar und gelten heute als Klassiker.

Monks erste Aufnahmen unter eigenem Namen verkaufen sich jedoch nur schleppend. Seine eigenwillige Musik trifft beim Publikum auf Unverständnis. Auch unter Musikerkollegen und Musikkritikern bleibt er umstritten. Häufig wird ihm sogar mangelndes technisches Können unterstellt.

Auch ein unglücklicher Vorfall Ende 1951 wird Monks Karriere in den folgenden Jahren empfindlich behindern: Bei einer Polizeikontrolle werden in einem von Monk geparkten Auto Drogen gefunden. Da er nicht gegen den wirklichen Drogenbesitzer – seinen Freund Bud Powell – aussagen will, wird er zu 60 Tagen Gefängnis verurteilt. Weit schwerer wiegt jedoch ein mehrjähriger Entzug der „Cabaret Card“, die damals für Engagements in Night Clubs in New York erforderlich war. Damit ist es Monk jahrelang unmöglich, Club-Engagements in seiner Heimatstadt zu bekommen.

Die Prestige–Jahre 1952–1954

Das Label Prestige macht Monk 1952 ein Angebot für Aufnahmen mit ihm. Da sich seine bisherigen Platten nur schlecht verkauft haben, lässt Blue Note Records ihn ziehen. Leider wird Monk bei Prestige teilweise stiefmütterlich behandelt. Einige seiner Schallplatten der frühen Fünfziger Jahre lassen ein deutlich verstimmtes Klavier hören. Doch auch während dieser Periode macht Monk einige bemerkenswerte Aufnahmen. Hervorzuheben sind seine Alben mit Sonny Rollins und die Aufnahmen vom Heiligabend 1954 mit Miles Davis als Leader, Milt Jackson, Percy Heath und Kenny Clarke: Diese gelten vielen Kennern als eine Sternstunde des Jazz.

Die Riverside–Jahre 1955–1961

Der Jazzproduzent und Monk-Fan Orrin Keepnews gründet Anfang der 50er Jahre das Label Riverside. Für nur 108 Dollar kauft er Monk 1954 aus dessen Vertrag bei Prestige heraus. Doch er zögert zunächst, Aufnahmen mit Monks Eigenkompositionen zu veröffentlichen. In der Absicht, das Publikum schrittweise an Monks exzentrische Musik heranzuführen, werden stattdessen zwei LPs mit Standards bzw. Interpretationen von Stücken Duke Ellingtons veröffentlicht, die bei Publikum und Kritik zumindest bescheidene Achtungserfolge erzielen.

Einen Wendepunkt in Monks Karriere stellt das Jahr 1957 dar. Zum einen erlangt er auf Betreiben der einflussreichen Baroness Pannonica de Koenigswarter seine Auftrittsgenehmigung zurück. Diese ehemalige Diplomatengattin aus dem Hause Rothschild kümmert sich in der Art einer Patronin um Jazz-Musiker. Dies ermöglicht Monk ein erfolgreiches mehrmonatiges Engagement im New Yorker Five Spot Café mit dem Tenorsaxophonisten John Coltrane.

Zum anderen wird das dritte auf Riverside veröffentlichte Album Brillant Corners zu einem Meilenstein in Monks Diskographie: Begleitet von dem Tenorsaxophonisten Sonny Rollins, dem Altsaxophonisten Ernie Henry, dem Bassisten Oscar Pettiford und dem Schlagzeuger Max Roach entsteht ein sorgfältig konzipiertes und produziertes Album, auf dem sich Monks Musik voll entfaltet. Großen Anteil daran hat Sonny Rollins, der als früherer Besucher von Monks „Seminaren“ mit dessen Musik bestens vertraut ist und diese entsprechend zu spielen versteht. Höhepunkte sind die vertrackte Neukomposition Brillant Corners sowie der ausgedehnte Blues mit dem lautmalerischen Titel Ba-Lue Bolivar Ba-Lues-Are. Dieser Titel bezieht sich auf das Bolivar Hotel in New York, in dem die Baroness de Koenigswarter in einer Suite residiert. Als zusätzlichen Dank für ihre Unterstützung nennt Monk eine seiner schönsten Balladen Pannonica. Mit diesem Album gelingt Monk endlich der Durchbruch beim Publikum.

Im weiteren Verlauf der 50er Jahre nimmt Monk zahlreiche bedeutende Schallplatten auf. Darunter sind Einspielungen mit so großen Musikern wie John Coltrane und Gerry Mulligan, mit seinem ehemaligen Mentor Coleman Hawkins und Solo-Einspielungen. Erfolgreiche Tourneen durch die USA und Europa schließen sich an. 1958 wird Monk im Down Beat Critics Poll erstmals zum besten Pianisten gekürt. Im Februar 1959 kommt es zu einem Konzert in der renommierten New Yorker Town Hall, bei dem Monk seine Musik in den orchestralen Bearbeitungen des Arrangeurs Hall Overton mit einem Tentett aufführt.

Im Jahr 1960 wird der Tenorsaxophonist Charlie Rouse Monks fester Partner in seinem Quartett. Rouse ist zwar kein Saxophonist vom Format eines John Coltrane oder Sonny Rollins, aber seine Spielweise fügt sich ideal in Monks Klangwelt ein. Diese Verbindung wird bis Ende der 60er Jahre bestehen bleiben.

Die Columbia–Jahre 1962–1968

Mit einem Vertragsabschluss beim Schallplattenriesen Columbia, wo bereits andere Jazz-Größen wie Miles Davis oder Dave Brubeck unter Vertrag sind, wird Monk 1962 endgültig zu einem international gefeierten Jazz-Star. Die ersten für Columbia aufgenommenen Schallplatten zeigen das Thelonious-Monk-Quartett mit Charlie Rouse am Tenorsaxophon, dem Bassisten John Ore und dem Schlagzeuger Frankie Dunlop in gereifter, perfekt aufeinander eingespielter Form und zählen mit zu seinen besten Aufnahmen. Ende 1964 kommt es im New Yorker Lincoln Center zu einer zweiten erfolgreichen Aufführung der Musik Monks in Big-Band-Besetzung. Monk unternimmt nun Tourneen nach Europa und sogar bis nach Japan. Das Time-Magazine nimmt ihn im gleichen Jahr auf die Titelseite.

Monks kompositorische Aktivität geht im Verlauf dieser Zeit jedoch mehr und mehr zurück. Aufnahmen neuer Kompositionen werden immer seltener. Einige seiner für Columbia aufgenommenen Schallplatten enthalten kein einziges neues Stück. Abgesehen von einigen improvisierten Stücken stammt Monks letzte Komposition aus dem Jahr 1967. Er spielt in dieser Zeit - anders als in den Fünfzigerjahren - auch nur noch selten mit Musikern außerhalb seines festen Quartetts und erhält dadurch nur wenige Impulse von außen. So erstarrt die einst so unkonventionelle und aufregende Musik Monks allmählich in einer vorhersehbaren Formelhaftigkeit.

Verstummen

Gegen Ende der 60er Jahre erhalten Monks Schallplatten nur noch mittelmäßige Kritiken in der Presse, und auch die Verkaufszahlen gehen zurück. Aus kommerziellen Erwägungen drängt Columbia Monk 1968, ein Album mit Orchester-Begleitung aufzunehmen. Die sehr glatt geratenen Arrangements von Oliver Nelson werden der Musik Monks jedoch in keiner Weise gerecht. Den Vorschlag, eine Platte mit Beatles-Kompositionen einzuspielen, lehnt Monk aber ab. Daraufhin beendet Columbia die Zusammenarbeit mit ihm. Sein Quartett löst sich in den Folgejahren nach und nach auf. Danach macht Monk mit wechselnden Begleitern nur noch vereinzelt Aufnahmen für kleinere Labels. Doch auch während dieser Zeit bleibt er sich stilistisch treu und spielt auf hohem Niveau.

Nach 1970 verschwindet Monk offenbar aus gesundheitlichen Gründen - er zeigt Symptome von Schizophrenie - von der Bühne. Seine letzte Aufnahme stammt aus dem Jahr 1971, seinen letzten öffentlichen Auftritt hat er 1976.

Der Mensch Thelonious Monk

Monk wird von Zeitgenossen als introvertierter Exzentriker und gutmütiger Familienmensch beschrieben. Er fällt schon äußerlich durch seine hünenhafte Gestalt, seine Vorliebe für ungewöhnliche Kopfbedeckungen und Sonnenbrillen sowie seinen Ziegenbart auf. Damit prägt er neben Dizzy Gillespie das Bild des Hipsters der 40er und 50er Jahre.

Bei Auftritten liebt Monk es, während Soli seiner Mitmusiker mit der Klavierbegleitung auszusetzen und in einem ihm eigenen Stil auf der Bühne zu tanzen. In der Öffentlichkeit ist er äußerst wortkarg und folgt ausschließlich seinem eigenem Lebensrhythmus, was sich unter anderem so äußern kann, dass er schläft, wann und wo es ihm beliebt. Gesellschaftliche Konventionen wie z.B. Pünktlichkeit haben für ihn nur bedingt Gültigkeit. Seine Unzuverlässigkeit zu Beginn seiner Laufbahn ist geradezu legendär. Seinen Mitmenschen gegenüber zeigt er sich oft desinteressiert. Selbst gegenüber der Musik anderer Musiker ist er gelegentlich ignorant oder äußert sich sogar abfällig darüber.

Trotz seiner Exzentrik ist Monk aber offenbar ein durchaus verantwortungsbewusster Familienvater und verlässlicher Freund. Seine Angehörigen schildern den in der Öffentlichkeit so schweigsamen und einzelgängerischen Monk als einen in seiner vertrauten Umgebung durchaus kommunikativen und geselligen Menschen. Er führt nicht nur über Jahrzehnte ein intaktes Familienleben. Mit Bud Powell, Coleman Hawkins und der Baroness de Koenigswarter verbindet ihn auch eine lebenslange, enge Freundschaft. Er ist außerdem ein durchaus guter Geschäftsmann, der sich nie unter Wert verkauft. Es sind von ihm auch keinerlei Drogenprobleme bekannt, die sonst für seine Musikergeneration fast schon typisch sind.

Die meiste Zeit seines Lebens lebt Monk in der Wohnung seiner Kindheit und verlässt New York nur ungern. So beharrlich und souverän er in seiner Musik ist, so unsicher, gar hilflos ist er oft außerhalb seiner vertrauten Umgebung. Nachdem er 1959 auf dem Bostoner Flughafen von der Polizei aufgegriffen und wegen seines erratischen Verhaltens für drei Tage in psychiatrische Beobachtung gegeben wurde, lässt Monk sich auf Reisen meist von seiner Frau Nellie begleiten, die ihm auch oft bei seinen seltenen Interviews zur Seite steht.

Viele von Monks Kompositionen beziehen sich im Titel direkt auf Verwandte, enge Freunde oder sogar auf den Komponisten selbst. Little Rootie Tootie bezieht sich auf den Spitznahmen seines Sohnes Thelonious Jr., Boo Boo’s Birthday auf den seiner Tochter Barbara. Crepuscule With Nellie ist seiner Ehefrau gewidmet, Pannonica der Baroness de Koenigswarter. Thelonious, Blue Monk oder Monk’s Mood sind nur drei der Stücke, die den Namen des Komponisten im Titel tragen.

Monk wird während seines gesamten Lebens von Frauen in seiner unmittelbaren Umgebung gefördert und umsorgt: anfangs von seiner Mutter, später von seiner Frau Nellie, die in für Monk wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch den Lebensunterhalt der Familie Monk sichert, und zuletzt von der Baroness de Koenigswarter, in deren Villa in New Jersey er sich 1973 im Alter zurückzieht. Dort verbringt er mit seiner Frau Nellie fast völlig zurückgezogen seinen Lebensabend. Sein psychischer Zustand verschlechtert sich in dieser Zeit zunehmend. Seine letzten Lebensjahre verbringt Monk in geistiger Umnachtung. Er stirbt 1982 nach einem Gehirnschlag.

Sein Sohn Thelonious Jr. folgt dem Vater als Musiker, indem er eine Karriere als professioneller Schlagzeuger einschlägt und das „Thelonious-Monk-Institute for Jazz“ ins Leben ruft. Dessen Ziel ist es, musikalisch begabte Jugendliche zu fördern. Es verleiht jährlich den renommierten Thelonious-Monk-Award an herausragende Talente.

Die Musik Thelonious Monks

Monk gilt als Mitbegründer und führender Musiker des Bebop. Er nimmt innerhalb dieses Genres jedoch eine Außenseiterposition ein: zum einen wegen seiner eigenwilligen Kompositionen, zum anderen wegen seines nicht weniger individuellen Improvisationsstils. Monk entwickelt eine sehr eigenständige musikalische Ästhetik, die zwar etwa zeitgleich mit dem Bebop entsteht und auf diesen einwirkt, aber im Wesentlichen von diesem unabhängig ist.

Der Komponist

In für den Bebop atypischer Weise sind Monks Kompositionen nicht bloße Neuharmonisierungen bekannter Standards, sondern meist vollständig neue Themen. Diese sind teils hoch komplex und enthalten ungewöhnliche Harmoniefolgen - wie etwa Round Midnight - , teils aber auch frappierend einfach, zum Beispiel ausgerechnet das Stück Thelonious, das auf einem einzigen Ton aufbaut.

Monk hat eine Vorliebe für besonders kurze, prägnante Themen. Sie beruhen zwar oft auf dem 12-taktigen Blues-Schema oder der 32-taktigen Standardform populärer Songs. Doch gern verfremdet er symmetrische 8-, 16- oder 32-taktige Formteile, indem er scheinbar völlig unlogisch und überraschend ungerade Takte anhängt, einschiebt oder die Melodie um einen halben Beat vorverlegt. Themen wie I mean you oder Straight no chaser basieren auf solchen rhythmischen Verschiebungen und Unregelmäßigkeiten.

Diese Besonderheiten geben Monks Stücken einen sperrigen und irritierenden, aber umso faszinierenderen Charakter: Sie sind an ihrer individuellen Formensprache meist unmittelbar als seine Werke zu erkennen.

Der Improvisator

Als Pianist improvisiert Monk selten wie typische Bebop-Solisten in rasanten, sondern bevorzugt eher moderate Tempi. Ihm liegt nicht daran, seine Virtuosität unter Beweis zu stellen, sondern die verborgenen Strukturen eines Themas aufzudecken und den Hörer dabei mitzunehmen. Er variiert ständig die Melodien und Harmonien der kompositorischen Vorlagen, indem er Motive, Phrasen und Akkorde daraus abstrahiert, dehnt oder verkürzt. Seine kantigen, bizarren Improvisationen sind spontan erfunden, bilden aber keine losgelöste und frei assoziierte Linie, sondern beziehen sich immer auf das zu Grunde liegende Thema.

Monk benutzt damals sehr ungewöhnliche Akkorde, Intervalle und Skalen: Etwa den übermäßigen Dreiklang, die Ganztonleiter, die erhöhte Quarte (das „Bebop“-Intervall) und kleine, als besonders dissonant empfundene Sekunden. Er kombiniert diese Elemente auf bizarre Weise miteinander und verteilt seine Akkorde über die ganze Klaviatur. Er setzt diese sowohl als harmonische Wendungen als auch als eigene „Farben“ ein, so dass völlig überraschende neue Klangwelten aufblitzen.

Auch rhythmisch setzt Monk in dem für ihn typischen perkussiven Stil unerwartete, aber umso effektvollere Akzente. Er setzt diese sparsam, aber immer an Stellen, wo sie ein Höchstmaß an Aussagekraft erreichen. Er spielt mit Pausen und Gegenrhythmen, die den weiterlaufenden swing kontrastieren. Indem er die Form verfremdet und neue großräumige thematische Bezüge herstellt, erzeugt er außergewöhnliche Spannungsmomente und öffnet neue Horizonte. Der Hörer kann miterleben, wie Monk das Stück improvisierend kommentiert, durchdenkt und nochmals ganz neu erfindet.

Monks Art der Komposition und Improvisation sind untrennbar miteinander verbunden. Der Kritiker Whitney Balliet fasst diese Wechselbeziehung so zusammen: “Seine Improvisationen sind verflüssigte Kompositionen, seine Kompositionen sind gefrorene Improvisationen.”

Innerhalb des Modern Jazz geht Monk bis an die Grenzen zur Auflösung jeder Tonalität, Phrasierung und Rhythmik. Deswegen ist er lange Zeit dem Unverständnis von Publikum und Kritik ausgesetzt. In der Bebop-Ära wird er deshalb oft heftig abgelehnt und angefeindet. Seine Kritiker führen seine Art, Spannung zu erzeugen, auf mangelndes technisches Können und fehlendes Swing-Gefühl zurück. Monks Musik gewinnt jedoch gerade durch seine konsequent skurrile Exzentrik eine innere Stimmigkeit und Geschlossenheit, wie sie auch im Jazz nur selten zu finden sind. Sein sehr persönlicher Improvisationsstil findet daher nur wenige Nachahmer.

Monk lotet die kompositorischen und improvisatorischen Möglichkeiten innerhalb des modernen Bebop-Idioms bis an ihre Grenzen aus: Er ironisiert vermeintlich Bekanntes, parodiert Klischees, unterläuft die Erwartungshaltung des Hörers und schafft neue, unvermutete Bezüge. Dabei gibt er aber die Tradition niemals auf, sondern bleibt im Rahmen der funktionalen, vom Blues „getränkten“ Jazzharmonik und konventionellen Songformen. Diese vorgegebenen Strukturen sind als Basis seiner Spielweise immer erkennbar und werden gerade durch ihre Verfremdung hervorgehoben. Ein besonderer Reiz der Musik Monks liegt daher in dem stets spürbaren Spannungsverhältnis zwischen den traditionellen musikalischen Formen und ihrer individualistischen Transformation.

Einfluss auf andere Musiker

Durch seine verspätete Anerkennung macht sich Monks Einfluss erst ab etwa 1955 bemerkbar. Er eröffnet dem Jazz in den 50er Jahren neuartige Perspektiven: Sein experimenteller Stil nimmt schon vieles von dem vorweg, was später in den 60er Jahren im Free Jazz üblich und breit entfaltet wird. Durchsetzt von seinem zynischen Humor klingt bei Monk Vieles erstmals an, was ebenso geniale Jazz-Avantgardisten später weiterentwickeln. So beeinflusst Monk zahlreiche Jazzmusiker der 60er Jahre wie John Coltrane, Ornette Coleman, Sonny Rollins und Eric Dolphy.

Er selbst ist jedoch nicht bereit, die radikalen Umwälzungen mitzumachen, sondern steht dem Free Jazz der 60er Jahre seinerseits ablehnend gegenüber. Er wirft den jungen Avantgardisten vor, unzusammenhängend und unlogisch einfach nur „einen Haufen Noten“ nacheinander zu spielen. Den Free-Jazz-Pionier Ornette Coleman beschuldigt er sogar, mit seinen neuartigen musikalischen Konzepten den Jazz zu zerstören. - Hier zeigt sich, dass der Komponist und Strukturalist Monk auf die traditionelle Form angewiesen blieb, um seine individuelle musikalische Sprache sprechen zu können.

Monk komponierte im Laufe seines Lebens nur etwa knapp 70 Themen (Duke Ellington zum Beispiel komponierte etwa 2000!). Dennoch gilt er als einer der wenigen großen Jazz-Komponisten. Viele seiner Stücke wurden wegen ihrer genialen eigenwilligen, oft bizarren Formensprache ihrerseits zu Jazzklassikern (sogenannten „Standards“). Sie haben in dem, was man als Modern Jazz bezeichnet, eine absolut überragende Stellung eingenommen und gelten als Paradebeispiele für diese Musikrichtung, an der kein bedeutender heutiger Jazzmusiker und Jazzpianist vorbeikommt.

Seit Monks Tod erlebt seine Musik eine regelrechte Renaissance, die bis heute anhält. Viele namhafte Musiker beschäftigen sich bis heute intensiv mit seinem Werk und spielen seine Kompositionen ein. Dazu gehören unter anderen Anthony Braxton, Misha Mengelberg, Chick Corea und Alexander von Schlippenbach, der in einem Konzertprogramm das Gesamtwerk Monks aufführt. Der Sopransaxophonist Steve Lacy spielte einige Jahre seiner Karriere sogar ausschließlich Monk-Kompositionen.

Monks Einfluss reicht jedoch weit über den Jazz hinaus. So erschien 1984 das von Hal Willner produzierte Doppelalbum That’s The Way I Feel Now, auf dem sowohl Jazz- als auch Popmusiker Monk ihre Ehrerbietung erweisen. Unter ihnen sind Donald Fagen, Gil Evans, Dr. John und John Zorn. Auch das Kronos Quartet hat eine kammermusikalische Hommage an Monk aufgenommen.

1989 kam der von Clint Eastwood produzierte Dokumentarfilm Thelonious Monk: Straight, No Chaser unter der Regie von Charlotte Zwerin ins Kino.

Kompositionen

  • 52nd Street Theme
  • Ask me now
  • Ba-Lue Bolivar Ba-Lues-Are
  • Bemsha Swing
  • Blue Monk
  • Bright Mississippi
  • Brilliant Corners
  • Bye-Ya
  • Crepuscule With Nellie
  • Epistrophy
  • Evidence
  • Hackensack
  • I mean you
  • In walked Bud
  • Introspection
  • Let´s call this
  • Light Blue
  • Little Rootie Tootie
  • Misterioso
  • Monk´s Dream
  • Monk´s Mood
  • Off Minor
  • Pannonica
  • Played Twice
  • Reflections
  • 'Round Midnight
  • Ruby My Dear
  • Rhythm-A-Ning
  • Straight, No Chaser
  • Well You Needn't

Wichtige Aufnahmen

Bereits zu Lebzeiten wurden mehr als 50 Aufnahmen Thelonious Monks unter seinem eigenen Namen oder dem anderer Leader veröffentlicht. Seit seinem Tode werden seiner Diskographie bis heute zahlreiche weitere, bislang unveröffentlichte Aufnahmen oder Zusammenstellungen hinzugefügt. Eine vollständige Auflistung an dieser Stelle ist weder sinnvoll noch möglich. Stattdessen wird hier exemplarisch auf einige besonders hervorzuhebende Aufnahmen hingewiesen.

Alben

  • Genius Of Modern Music Vol. 1 (1948, Blue Note)
  • Genius Of Modern Music Vol. 2 (1952, Blue Note)
  • Miles Davis: Miles Davis And The Modern Jazz Giants (1954, Prestige)
  • Brillant Corners (1957, Riverside)
  • Thelonious Monk With John Coltrane (1957, Riverside)
  • Thelonious Alone In San Francisco (1957, Riverside)
  • The Thelonious Monk Orchestra At Town Hall (1959, Riverside)
  • Criss Cross (1963, Columbia)
  • Monk Big Band & Quartet In Concert (1964, Columbia)
  • Solo Monk (1965, Columbia)
  • The London Collection Vol. I+II (1971, Black Lion)

Zusammenstellungen

  • The Best Of Thelonious Monk. The Blue Note Years (1947-1952, Blue Note, erschienen 1991)
  • Thelonious Monk 85th Birthday Celebration (1952-1961, ZYX Music, erschienen 2002)
  • The Columbia Years: '62-'68 (1962-1968, Sony, erschienen 2001)

Andere

Es existieren zahlreiche Schallplatten, auf denen andere Musiker ausschließlich Kompositionen Thelonious Monks spielen, oder bei denen diese einen Schwerpunkt bilden. Diese Liste kann daher nur eine kleine Auswahl wiedergeben.

  • Steve Lacy: Reflections (1958, New Jazz)
  • Roswell Rudd / Misha Mengelberg: Regeneration (1982, Soul Note)
  • Verschiedene: That’s The Way I Feel Now (1984, A&M)
  • Kronos Quartet : Monk Suite (1985, Nonesuch)
  • Steve Lacy: Only Monk (1985, Soul Note)
  • Anthony Braxton: Six Monk’s Compositions (1987, Black Saint)
  • Paul Motian: Monk In Motian (1988, jmt)
  • Carmen McRae: Carmen Sings Monk (1988, Novus)
  • Steve Lacy: More Monk (1989, Soul Note)
  • Bebop & Beyond: Plays Thelonious Monk (Blue Moon, 1990)
  • T.J.Kirk: If Four Was One (Warner Bros., 1996)
  • Alexander von Schlippenbach: Plays Monk (enja, 1997)
  • T.S.Monk: Monk On Monk (N2K, 1997)

Filme/DVDs

  • Thelonious Monk: Straight, No Chaser (Dokumentarfilm von Charlotte Zwerin, 1989)

Literatur

  • Thomas Fitterling: Thelonious Monk Sein Leben Seine Musik Seine Schallplatten, Oreos Verlag 1987, ISBN 3-923657-14-5
  • du Misterioso. Jazzlegende Thelonious Monk (Schweizer Zeitschrift, TA-Media Verlag, Heft Nr. 3, März 1994)
  • Arthur Taylor: Notes and Tones: Musician-to-Musician Interviews, Da Capo Press 1993, ISBN 030680526X (ausgiebige Interviews mit 30 Jazzmusikern, darunter Monk)
  • Marcus A. Woelffle: Liner Notes zur CD-Box Thelonious Monk 85th Birthday Celebration (ZYX Music 2002)

Weblinks