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Judensau

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Die Tiermetapher „Judensau“ bezeichnet ein im Mittelalter entstandenes häufiges Bildmotiv der antijudaistischen christlichen Kunst und antisemitischen Karikatur. Hierbei zielt insbesondere die Verwendung des Schweine-Motivs auf eine Demütigung ab, da das Schwein im Judentum als besonders unrein gilt.

Judensau-Spottbilder sind seit dem frühen 13. Jahrhundert vor allem in Deutschland belegt. Sie sind auf Steinreliefs und Skulpturen an etwa 30 Kirchen und anderen Gebäuden vornehmlich Mitteleuropas bis heute zu sehen. Daneben begegnet man dem Bildmotiv seit dem 15. Jahrhundert in der Art einer bösartigen Karikatur in Flug- und Hetzschriften und anderen Medien. Seit dem 19. Jahrhundert taucht der Begriff auch als Schimpfwort gegen Juden auf. Die Nationalsozialisten griffen den Begriff auf und verwendeten ihn in der Abwandlung „Saujude“ als Hetzparole zur Beschimpfung, Demütigung und Bedrohung von Menschen jüdischer Herkunft.

Wer den Ausdruck heute gegenüber Menschen benutzt oder öffentlich über sie äußert, macht sich in Deutschland (Vorlage:Zitat § Strafgesetzbuch), Österreich (§ 115 österreichisches StGB) und der Schweiz wegen Beleidigung strafbar. In besonders schweren Fällen kommt in der Bundesrepublik auch eine Strafe wegen Volksverhetzung ( § 130 StGB) in Betracht.

Einblattdruck mit Wittenberger Judensau, 1546

Das mittelalterliche Bildmotiv und seine Rezeption

Das mittelalterliche Bild einer „Judensau“ stellt Menschen und Schweine in intimem Kontakt dar. Die menschlichen Figuren zeigen die typischen Kennzeichen jüdischer Kleidung – etwa den damaligen „Judenhut“ oder den gelben Ring. In der häufigsten Variante saugen diese als Juden kenntlich gemachten Figuren wie Ferkel an den Zitzen einer Sau. In anderen Darstellungen reiten sie verkehrt herum auf einem Schwein: das Gesicht dem After zugewandt, aus dem Urin spritzt. Auf wieder anderen Darstellungen umarmen oder küssen sie Schweine.

Verbreitung

Judensau am Dom St. Peter in Regensburg (Juni 2004)

Judensau-Skulpturen oder -Bilder sind noch an vielen Orten, meist an Kirchengebäuden, zu finden. Etliche davon sind so stark verwittert, dass das Motiv unkenntlich wurde; einige wurden aber auch erst in jüngster Zeit wiederentdeckt. Die Untersuchung Isaiah Shachars von 1974 und weitere Quellen erwähnen (alphabetisch geordnet):

Die älteste bekannte Darstellung (um 1230?) stammt aus dem Domkreuzgang von Brandenburg. Dem 13. Jahrhundert zugehörig gelten auch die Beispiele in Lemgo, Xanten, Eberswalde, Wimpfen und Magdeburg. Dem 14. Jahrhundert rechnet Shachar die Motive in Heiligenstadt, Köln (Dom), Metz, Regensburg, Uppsala, Gnesen, Colmar und Nordhausen zu. Die übrigen Judensau-Bilder gehören dem 15. Jahrhundert an.

Heute nicht mehr vorhandene Darstellungen gab es ferner in Freising am Dom, in Frankfurt am Main (siehe unten), in Salzburg am Rathausturm und in Kelheim (siehe unten). Die dortige Judensau trug das Datum 1519.

Während die älteren Zeugnisse sich auf Sakralbauten beschränken, zeigt die Verwendung an Profanbauten im 15. Jahrhundert wie z. B. am Salzburger Rathaus, wie sich der Adressatenkreis der Darstellung verbreiterte.

Deutung

Legt man die späteren, im 15. Jahrhundert entstandenen Bildmotive der Analyse zugrunde, so lassen sie sich als früheste Form einer judenfeindlichen Karikatur interpretieren, die drei sozialpsychologische Hauptfunktionen erfüllte (nach Angelika Plum):

  • die Juden dem Spott der Allgemeinheit preiszugeben, indem auf ihre angeblich typischen Verhaltensweisen hingedeutet wurde. Dies setzte antijudaistische Vorurteile beim Betrachter voraus;
  • eben diese Vorurteile zu verfestigen und zur Abgrenzung von Juden, indirekt so auch zum Handeln gegen sie zu ermuntern;
  • die Juden selbst in ihrem religiösen Selbstverständnis anzugreifen und zu verletzen.

Als grobe Spottbilder verbinden sie die Darstellung einer Intimität zwischen Mensch und Tier häufig mit Ausscheidungs- und Verdauungsprozessen. Dies zielte auf eine möglichst „effiziente“ Diffamierung der Dargestellten durch extreme, symbolisch verkürzte Zuspitzung auf das „Typische“ (Matthias Beimel). Die Obszönität der Bilder appelliert beim Betrachter an Gefühlsreaktionen wie Ekel, Scham und Hass.

Das Motiv sollte das Judentum als Ganzes in besonders quälender Form öffentlich verunglimpfen, demütigen und aus der menschlichen Gemeinschaft ausgrenzen:

  • So untersagt die Tora (3. Mose 11,7) Juden den Verzehr bestimmter Tierarten, darunter des Schweins. Schweinefleisch und Schweinemilch gelten Juden als unreine (nicht koschere) Nahrung.
  • Intimität zwischen Mensch und Tier (Zoophilie) gilt in der Bibel als besonders schwere Perversion und todeswürdiges religiöses Vergehen (2. Mose 22,18).

Dem Betrachter des Judensau-Motivs wurde also suggeriert, dass Juden besonders sündige, abstoßende, verkehrte und ausschweifende Dinge tun und mit Schweinen artverwandt seien. Das sprach ihnen ihre Menschenwürde ab, auf die es in ihrer Religion gerade ankommt: Die Gottebenbildlichkeit unterscheidet den Menschen von den Mitgeschöpfen, die ihm dienen und deren Leben er bewahren, aber nicht mit der Gottheit verwechseln soll (1. Mose 1-2). Zugleich zementierte das Motiv eine gesellschaftliche Distanz zur jüdischen Minderheit. Darum kann man darin einen Vorläufer des späteren Rasse-Antisemitismus sehen.

Bedeutungswandel im Mittelalter

Die frühesten Darstellungen im 13. Jahrhundert sollten noch nicht das Judentum insgesamt verhöhnen. Shachar zufolge entstand das Motiv nicht als antijüdische Satire: Zwar würden Juden damit zweifellos negativ dargestellt, aber sie stünden als moralische Exempelfiguren für die Sünder („The Judensau“ S. 22f.).

Diesen Kontrast zwischen "verdorbenem" und "edlem", moralisch überlegenen Dasein bezogen die Skulpturen an Kirchen des Hochmittelalters jedoch auch schon auf das Verhältnis beider Religionen. Sie symbolisierten den Aufstieg des Christentums zur herrschenden Weltanschauung, indem sie die siegreiche Ecclesia (Kirche) der unterlegenen Synagoge gegenüberstellten, ohne aber diese zu verspotten. Am Straßburger Münster zum Beispiel wurde letztere noch als formvollendete, edle und auch in der Trauer über ihre Niederlage hoheitsvolle Frauenfigur dargestellt (Entstehungszeit 1230).

In später entstandenen Bildmotiven zeigt sich die zunehmende Verachtung des Judentums insgesamt. Am Chorgestühl des Erfurter Doms wird der Konflikt der Religionen als Turnier visualisiert (Anfang des 15. Jahrhunderts). Während die Kirche auf einem Pferd reitet, sitzt die Synagoge auf einem Schwein.

Das Judensau-Relief an der Wittenberger Stadtkirche (um 1440) stellt ein betont "perverses", verhöhnendes Bild dar, das Abscheu und Ekel erregen sollte. „Der Jude“ erschien nun als widerwärtige Kreatur. Zudem trägt das Motiv den Titel „Schem Ha Mphoras“ (hebräisch „der unverstellte Name“), bringt also den Namen Gottes mit einem für gläubige Juden unreinen Tier in Verbindung. Es bedeutet damit für sie eine ungeheuerliche Blasphemie. Dies zeigt anschaulich, dass sich gegen Ende des Mittelalters der ursprünglich religiöse Gegensatz von Kirche und Synagoge zu einer totalen, alle Lebensbereiche umfassenden Verachtung des Judentums als solchem verdichtet hat.

Seit 1517 war die Schlosskirche der Predigtort Martin Luthers und Ursprung der Reformation. Seine antijudaistische Schmähschrift von 1546 trug denselben Titel wie das Motiv (Weimarer Ausgabe Bd. 53, S. 600 ff.; Originaldruck von Luthers „Schem Hamphoras“, Volltext) und deutete es wie folgt:

Hinter der Saw stehet ein Rabin, der hebt der Saw das rechte Bein empor, und mit seiner lincken hand zeucht er den pirtzel uber sich, bückt und kuckt mit grossem vleis der Saw unter dem pirtzel in den Thalmud hinein, als wolt er etwas scharffes und sonderlichs lesen und ersehen.
Kupferstich (18. Jh.) der Frankfurter Judensau

Damit bezog Luther die Judensau auf den Talmud und verhöhnte die rabbinische Schriftexegese und den jüdischen Glauben insgesamt als schmutzige Lächerlichkeit. Damit schloss er jeden denkbaren theologischen Dialog mit Juden und die Anerkennung ihrer eigenständigen Tradition aus.

Besonders provokant und verletzend gestaltet war die Judensau am Alten Brückenturm in Frankfurt am Main, die gegen Ende des 15. Jahrhunderts entstand und bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts sichtbar war. Ein Mann in Judentracht ritt auf einer Kot fressenden Sau, ein anderer saugte an einer Zitze, ein dritter trank den Urin. Die Bildunterschrift lautete: „Sauff du die Milch friß du den dreck das ist doch euer bestes geschleck“. Die Darstellung verknüpfte das Judensau-Motiv mit dem angeblichen Ritualmord an Simon von Trient und schürte eine Pogromstimmung (Schouwink, S. 88). Sie wurde auch auf Holzschnitten und Kupferstichen verbreitet.

Frühe Neuzeit: Gedruckte Zeugnisse

Darstellung aus einem Blockbuch des 15. Jahrhunderts

Seit der Erfindung des Buchdrucks finden sich Judensau-Spottbilder vermehrt in Büchern und Flugschriften, besonders in der Reformationszeit. Auf so genannten Judenspottmedaillen des 16. Jahrhunderts war das Motiv ebenfalls vertreten.

Auch die deutschsprachige Literatur bezeugt in Gestalt eines Fastnachtspiels von Hans Folz aus dem 15. Jahrhundert, wie sehr das Judensau-Motiv Allgemeingut war. Im Spiel Ein spil von dem herzogen von Burgland (Keller Nr. 1) wird am Schluss als Strafe für die Juden vorgeschlagen (zitiert nach Schöner 2002, S. 197):

Ich sprich, das man vor allen ding
Die allergrost schweinsmuter pring,
Darunter sie sich schmiegen all
Saug ieder tutten mit schall;
Der Messias lig unter dem schwanz!

Im 17. und 18. Jahrhundert waren die Judensau-Darstellungen von Wittenberg und Frankfurt am Main besonders populär. Sie wurden mehrfach in Büchern abgebildet und dienten der antijüdischen Propaganda.

Es finden sich aber auch noch im 19. Jahrhundert Darstellungen, insbesondere in der Druckgrafik, die Juden in abfälliger Weise mit Schweinen in Verbindung brachten.

Das Motiv in der antisemitischen Propaganda

Judensau in einem antisemitischen Buch von 1822

Die medial breit ausgefächerte Fortsetzung der antijüdischen Propaganda im 19. Jahrhundert setzte eine etablierte, durch die genannten Bildzeugnisse verfestigte Assoziation von Juden mit Schweinen voraus. Im deutschen Kaiserreich nahm die Tradition antisemitischer Karikaturen im Kontext der Judenemanzipation (1870–1890) einen Aufschwung.

Seit wann die verbale Beschimpfung Judensau üblich ist, ist der Literatur über die mittelalterliche Bilddarstellung nicht zu entnehmen. Der einschlägige Band des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm von 1877 enthält kein Stichwort Judensau.

Seit der Novemberrevolution von 1918 benutzten nationalistische Rechte in Deutschland den Ausdruck, um die „Novemberverbrecher“ öffentlich zu denunzieren. So kursierte seit etwa 1920 ein deutschnationales Stammtisch-Lied, das gegen den damaligen Außenminister der Weimarer Republik hetzte:

Knallt ab den Walther Rathenau, die gottverfluchte Judensau!

1922 wurde diese Aufforderung in die Tat umgesetzt und Rathenau auf offener Straße erschossen.

Auf diese Funktion des Motivs griffen dann auch die Nationalsozialisten zurück. Sie aktivierten die seit dem Mittelalter im Volk verankerten antijudaistischen Stereotypen gezielt für die ideologische Vorbereitung des Holocaust. Der „Stürmer“ griff seit 1923 auf die Tradition antisemitischer Karikaturen zurück. Er verband religiöse mit pornographischen und rassistischen Motiven. Die in der Kirchengeschichte vorgegebene Verbindung der „Judensau“ mit Ritualmord, „Blutsaugern“ und „Satan“ wurde fortgesetzt und gesteigert.

Diese Tradition bildete den Hintergrund, wenn Zerrbilder Juden etwa mit schiefen Zähnen, Tierklauen, triefenden Mundwinkeln und gierigem Blick darstellten, die Scharen junger blonder Mädchen verführten und „vergifteten“. Die Motivik bezog sich nun auf die „Rassenschande“, aber auch auf das „Aussaugen“ der „arischen Rasse“. In einer Stürmer-Karikatur vom April 1934 symbolisiert das Judensau-Motiv die angebliche Medienmacht der Juden. Die mit einer Mistgabel durchbohrte Sau trägt die Aufschrift Juden-Literatur-Verlage, die Bildunterzeile lautet: "Wenn die Sau tot ist müssen auch die Ferkel verderben." Als am Tropf der Verlage hängende "Ferkel" sind u. a. Thomas Mann, Erich Maria Remarque, Albert Einstein und Alfred Kerr dargestellt (Interfoto Bild-Nr. 00209619).

Damit wurden aktuelle Ereignisse aufgegriffen und in Form einer „personalen Typenkarikatur“ auf eine angeblich typische, dauerhafte Charaktereigenschaft aller Juden zugespitzt, die auf Ursachen in der jüdischen Kultur, Religion und Rasse verweisen sollte. Anders als die neuen politischen Karikaturen des 19. Jahrhunderts richteten sich diese Bilder nicht mit aufklärerischer Intention gegen die Herrschenden, um durch deren Verspottung eine subversive Distanz in der Bevölkerung zu fördern, sondern gegen eine unterlegene Minderheit, die dem Betrachter als völlig verabscheuungswürdig ausgeliefert wurde. Sie sollten nicht komplexe politische Zusammenhänge transparent machen, sondern knüpften an eine Suche nach Sündenböcken an.

Im Kontext der systematischen Judenverfolgung vom Boykott jüdischer Geschäfte (1. April 1933) an entfaltete diese Hetzpropaganda dann ihre historisch beispiellose Wirkung. Seit den „Gesetzen zum Schutz des deutschen Blutes“ von 1935 waren sexuelle Kontakte zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen streng untersagt und für den jüdischen Partner mit der Todesstrafe bedroht. Nichtjüdische Frauen, die solcher „Rassenschande“ beschuldigt wurden, wurden öffentlich gedemütigt, indem man ihnen Schilder mit der Aufschrift um den Hals hängte:

Ich bin am Ort das größte Schwein und lass mich nur mit Juden ein.

Aktualität der Beschimpfung

Aufgrund der historischen Erfahrungen gehören „Judensau“ und „Saujude“ im heutigen Strafrecht zu den eindeutigen Beleidigungen. Zu hören sind diese Ausdrücke dennoch, etwa auf Fußballplätzen gegen jüdische oder israelische Sportler oder Schiedsrichter. Das Motiv tritt aber nicht nur – ähnlich wie „Türkensau“ – als gewöhnliche Beschimpfung oder Fremdenhass auf, sondern weiterhin auch als gezieltes Mittel zur Entmenschlichung von Juden.

Seit etwa 1990 haben Angriffe auf Menschen jüdischer Herkunft in Deutschland wieder zugenommen. Dabei geht es oft um antisemitische Straftaten wie die Schändung jüdischer Grabstätten und Mahnmale. So wurde etwa das Grab von Bertolt Brecht kurz nach Öffnung der Berliner Mauer 1989 mit der Parole "Sau-Jude" beschmiert. In der Nacht zum 20. April 1992, des „Führers Geburtstag“, warfen Neonazis eine Schweinekopfhälfte in den Vorgarten der Erfurter Synagoge. Das Mahnmal für deportierte Juden in Berlin-Grunewald wurde im Oktober 1993 mit Schweineköpfen geschändet. Im Oktober 1998 trieben Neonazis ein Ferkel mit einem aufgemalten Davidstern und dem Namen von Ignatz Bubis über den Alexanderplatz in Berlin.

Diese Form der Entwürdigung soll nicht nur Repräsentanten des Judentums in Deutschland, sondern alle Juden treffen. Sie kommt daher in ihrer Absicht als kollektive Schmähung („Alle Juden sind Schweine/Säue“) dem Tatbestand einer Volksverhetzung nahe.

Dafür wurde auch der als Schänder des Grabes von Ignatz Bubis in Israel bekannte Meir Mendelssohn angezeigt: Er hatte das Publikum im Rahmen eines von Christoph Schlingensief veranstalteten Theaterabends am 22. November 1999 in der Berliner Volksbühne aufgefordert,

das Wort Judensau zu sagen, ganz normal und ganz natürlich.

In anderen deutschsprachigen Ländern gab es vergleichbare Vorfälle. So gab ein Bürger jüdischer Herkunft aus Basel, Mitglied der Aktion Kinder des Holocaust, der 2003 47 Jahre alt war, zu Protokoll:

Ich bin kein gläubiger Jude. Doch als ich ein Bub war, nannten mich andere Kinder 'Judensau' - das prägt. (Quelle).

Auch arabische Antisemiten bezeichnen Juden öfter als „Affen und Schweine“. Sie berufen sich dabei auf Koranstellen (Suren 2,64-67; 5,61; 7,161-167), nach denen Allah frevelnde Juden in Affen und Schweine verwandelt haben soll. Die genaue Deutung dieser Verse ist umstritten. Ob und seit wann es einen Zusammenhang zwischen ihnen und dem europäischen Judensau-Motiv gibt, ist unbekannt. Heute übernehmen manche antisemitische Muslime in Deutschland offenbar den Begriff „Judensau“ oder „Judenschwein“.

Umgang mit historischen Judensau-Darstellungen und Gedenken

Es ist umstritten, ob historische Judensau-Darstellungen entfernt werden oder als Zeitzeugnisse an ihrem Ort bleiben sollen. Während Denkmalpfleger und Historiker argumentieren, auch heute außerordentlich anstößige Motive müssten in ihrem damaligen architektonischen Kontext dokumentiert bleiben, sehen Kritiker in ihrer Beibehaltung eine mangelnde Sensibilität gegenüber dem Antisemitismus.

Bereits 1945 nach Kriegsende entfernt wurde die Darstellung von der Stadtapotheke in Kelheim, wahrscheinlich auf Weisung eines Offiziers der US-Armee.

1988 entwarf der Crivitzer Künstler Christian Schmiedel im Auftrag des Gemeindekirchenrats der Wittenberger Stadtkirche eine Gedenkplatte, die unterhalb des Judensau-Reliefs in den Boden eingelassen wurde, um auf die historischen Folgen dieses Judenhasses hinzuweisen: den Holocaust. Sie stellt eine mit Stacheldraht in Kreuzesform versiegelte Bibel dar; die Texteinfassung zitiert in hebräischer Sprache einen Psalmvers (Ps. 130, 1): „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“. Ergänzend heißt es mit Worten des Berliner Schriftstellers Jürgen Rennert:

Gottes eigentlicher Name, der geschmähte Schem Ha Mphoras, den die Juden vor den Christen fast unsagbar heilig hielten, starb in sechs Millionen Juden unter einem Kreuzeszeichen.

Am 24. April 1990 machte sich eine Synodalerklärung der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg diese Initiative zu eigen und empfahl:

Sofern die Kunstwerke an ihrer Stelle verbleiben, sollte der Betrachter durch Hinweise […] auf Schuld und Betroffenheit der Kirche aufmerksam gemacht und zu neuer Sicht angeleitet werden.

Mahntafeln wurden jedoch bisher nur in wenigen Ausnahmefällen an Kirchen angebracht. Sie genügen einigen Kämpfern gegen Antijudaismus und Antisemitismus nicht. Diese finden die weiter vorhandenen Darstellungen unerträglich und fordern ihre Entfernung. So fand 2002 in Köln eine Protestaktion statt, bei der der Aktionskünstler Wolfram Kastner das Judensau-Motiv im Dom als „Modellfall für die Produktion von Gewaltbildern in unseren Köpfen“ (Marten Marquardt) thematisierte.

Auch in Regensburg griff Kastner 2005 die Verantwortlichen an, als diese eine Hinweistafel zur stark verwitterten Skulptur im Dom vorstellten. Diese war ein Kompromiss zwischen der Diözese Regensburg, dem Kultusministerium und dem Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinde in Bayern. Der Text lautet:

Die Skulptur als steinernes Zeugnis einer vergangenen Epoche muss im Zusammenhang mit ihrer Zeit gesehen werden. Sie ist in ihrem antijüdischen Aussagegehalt für den heutigen Betrachter befremdlich.

Ein Gegenentwurf Kastners, der die christliche Mitschuld benannte, wurde von Kirchenvertretern wieder entfernt.

In Bayreuth brachte die evangelische Kirche 2005 eine Tafel mit der Inschrift an:

Unkenntlich geworden ist das steinerne Zeugnis des Judenhasses an diesem Pfeiler. Für immer vergangen sei alle Feindseligkeit gegen das Judentum.

Siehe auch

Literatur

  • Isaiah Shachar: The Judensau: A Medieval Anti-Jewish Motif and its History. London, Warburg Institute, 1974 ISBN 0854810498 (für die Forschung maßgebliche Monografie)
  • Thomas Bruinier: Die 'Judensau'. Zu einem Symbol des Judenhasses und seiner Geschichte, in: Forum Religion 4/1995, S. 4–15
  • Petra Schöner: Judenbilder im deutschen Einblattdruck der Renaissance. Ein Beitrag zur Imagologie, Baden-Baden, Verlag Valentin Koerner 2002, S. 189-208 ISBN 3873204428 Rezension
  • Wilfried Schouwink: Der wilde Eber in Gottes Weinberg. Zur Darstellung des Schweins in Literatur und Kunst des Mittelalters, Thorbecke, Sigmaringen 1985, S. 75–88 ISBN 3799540164
  • Heinz Schreckenberg: Die Juden in der Kunst Europas. Ein historischer Bildatlas, Vandenhoek und Ruprecht, Göttingen 2002, S. 343–349 ("Das 'Judensau'-Motiv") ISBN 3525633629
  • Matthias Beimel: Die Karikatur als Ersatzhandlung. Antisemitismus in der NS-Propaganda und ihre Vorbilder. In: Geschichte lernen Band 3 (1990) Heft 18, S. 28-33.
  • Julius H. Schoeps und Joachim Schlör (Hrsg.): Bilder der Judenfeindschaft. Antisemitismus, Vorurteile und Mythen, Augsburg 1999
  • Eduard Fuchs: Die Juden in der Karikatur. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte. München 1921 (Nachdruck: Berlin 1985).
  • Angelika Plum: Die Karikatur im Spannungsfeld von Kunstgeschichte und Politikwissenschaft: Eine ikonologische Untersuchung zu Feindbildern in Karikaturen. Aachen 1998 (Berichte aus der Kunstgeschichte).

Weblinks und Einzelnachweise

Vorlage:Commons1

Aktuelle Berichterstattung 2004/2005