Dies ist ein als lesenswert ausgezeichneter Artikel.

Armenische Sozialistische Sowjetrepublik

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 4. Mai 2006 um 00:01 Uhr durch YPS (Diskussion | Beiträge) (→‎Weblinks). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Հայկական Սովետական Սոցիալիստական Հանրապետություն
Hajkakan Sowetakan Sozialistakan Hanrapetutjun
(Flagge von 1952) (Details)
Amtssprache offiziell keine; de facto Armenisch und Russisch
Hauptstadt Eriwan
Hymne Hymne der Armenischen SSR
Fläche 29.800 km²
Bevölkerung (1989) 3.287.700
Bevölkerungsdichte 110,3/km²
Zeitzone UTC + 4

Die Armenische Sozialistische Sowjetrepublik (armenisch Հայկական Սովետական Սոցիալիստական Հանրապետություն, Hajkakan Sowetakan Sozialistakan Hanrapetutjun; russisch Армянская Социалистическая Советская Республика, Armjanskaja Sozialistitscheskaja Sowjetskaja Respublika) war de facto vom 29. November 1920 und de jure vom 22. Dezember 1922 bis zur Unabhängigkeitserklärung am 30. August 1991 eine Teilrepublik der Sowjetunion. Am dem 23. August 1991, kurz vor der Unabhängigkeit, wurde sie in Armenische Republik umbenannt.

Vorgeschichte und Entstehung der Armenischen SSR

Als Folge des Ersten Weltkrieges entstand eine Reihe unabhängiger Staaten in Gebieten, die vormals zum Deutschen Kaiserreich, zum Osmanischen Reich und Russisches Reich gehört hatten. Allein an Peripherie der am 17. November 1917 ausgerufen Russischen Sozialistische Sowjetrepublik entstanden als neue Staaten Finnland, Estland, Litauen, Polen, Weißrussland, die Ukraine, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Buchara und Chiwa (letztere liegen im heutigen Usbekistan). Die am 28. Mai 1918 ausgerufen Armenische Republik wurde von Daschnaken regiert (vergleichbar mit den Menschewiki in Russland). Sie wurde durch die Truppen der neuen türkischen Gegenregierung unter Mustafa Kemal bedroht, die von Westen auf die Hauptstadt Eriwan vorrücken. Am 29. November 1920 gelangten armenische Bolschewiki in einem unblutigen Putsch an die Macht und riefen die Armenische SSR aus.

Stalin, damals Volkskommissar für Nationalitätenfragen, schrieb nur einen Tag später, dem 30. November 1920, in der Prawda unverblümt: „Der Kaukasus ist für die Revolution entscheidend, denn er ist eine Quelle für Rohstoffe und Nahrungsmittel. Aber entscheidend ist er auch wegen seiner Lage zwischen Europa und Asien, Europa und der Türkei, denn hier lauen alle wirtschaftlichen und strategischen Verbindungen hindurch, die von beachtlicher Bedeutung sind. Wir müssen diese Region kontrollieren.“ Vorlage:Lit Stalin betrachtete hier den Kaukasus und seine Bewohner klar aus einer imperialistischen Perspektive. Überraschend ist weniger die Brutalität, welche die Aussage impliziert – Stalin ließ später noch ganze Völker deportieren – sondern die Offenheit, mit der sie verkündet wurde, denn bei der Prawda handelte es sich um eine Massenblatt. Am 6. Dezember 1920 marschierte zur Unterstützung der neuen Regierung die 11. Abteilung der Roten Armee ein.

Die nach dem Einmarsch der Roten Armee ausgerufene Armenische Sozialistische Sowjetrepublik stellte den ersten Schritt zur Sicherung der Kontrolle der RSFSR über Armenien dar. Die Armenische SSR war zu diesem Zeitpunkt ein formal unabhängiger Staat, der bilaterale Beziehungen mit der Russischen SFSR unterhielt, der international isoliert war und im Polnisch-Sowjetischen Krieg eine weitere schwere Niederlage hinnehmen musste. Die „internationale Solidarität“ war erneut ausgeblieben, ausgerechnet Arbeiterbatallione hatten die polnische Niederlage verhindert. Sowjetrussland war mittelfristig auf sich allein gestellt. Daraus folgte, dass der Staatsaufbau und die Beschaffung der dafür nötigen Mittel oberste Priorität gewannen. Die RSFSR war bemüht, die Weißrussische SSR, die Ukrainische SSR, die „widerspenstige“ Demokratische Republik Georgien, die Armenische SSR und Aserbaidschan möglichst eng an sich zu binden. Instrumente dieser Politik waren neben der schon bestehenden Präsenz der Roten Armee und örtliche kommunistische Gruppierungen, die von den Bolschewiki nach Kräften unterstützt wurden.

„Lenin ist nun vollends davon überzeugt, dass er und die Kommunisten alle verfügbaren Kräfte in den Dienst des Sowjetstaates stellen müssen. Dabei geht es vor allem darum, diesem Staat den Lebensraum, die Bevölkerung und die Ressourcen zurückzugeben, die er durch die Revolution verloren hat. Jetzt ist es an der Zeit, wieder ein Groß-Rußland aufzubauen und alle Unabhängigkeitsbestrebungen zu brechen. Hatten diese zuvor der Revolution gedient, so könnten sie 1921 den Bestand des Sowjetstaates gefährden.“ Vorlage:Lit

Die RFSFR schloss am 30. September 1921 mit der Armenischen SSR einen Bündnisvertrag ab, der die Souveränität der Armenischen SSR weiter einschränkte. Der zweite Schritt war vollendet. Am 12. März 1922 wurde die ASSR ein Teil der neu gegründeten Transkaukasischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik, die außerdem die Georgische SSR und die Aserbaidschanische SSR umfasste. Die europäischen Staaten betrachteten die formale Unabhängigkeit jedoch nicht als real. Deshalb wurde zur ersten Generalversammlung des Völkerbundes in Genua am 1. November 1920 auch nur die Sowjetrussland eingeladen. „Die Ukraine fühlt sich übergangen und verlangt eine eigene Vertretung. Aber sie kämpft auf verlorenem Posten. In Moskau ist schon alles entschieden. Am 27. Januar verkündet Kalinin, der Präsident des Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitees, Rußland werde in Genua die Interessen der acht Sowjetrepubliken vertreten – eine Entscheidung des ZEK. Die Republiken können sich dem Beschluß nur noch beugen.“ Vorlage:Lit Am 22. Dezember gründeten die Transkaukasische SFSR, die Russische SFSR, die Ukrainische SSR, die Weißrussische SSR die UdSSR. Mit diesem dritten Schritt hatten die Bolschewiki ihre Macht formal legitimiert. In Moskau getroffene Beschlüsse konnten nunmehr direkt auf dem Verwaltungswege ausgeführt werden. Am 24. Juli 1923 wurde Armenien im Vertrag von Lausanne endgültig zwischen der Türkei und der UdSSR aufgeteilt.

Die Entwicklung der ASSR als Teil der UdSSR

„Das Volk lebte nur von Hoffnungen, es bewahrte und bereicherte seine Kultur, seine Schätze sammelten sich an unter der Asche der Brände, von Mund zu Mund wurde die Epik weitergegeben, eine kraftvolle und tragische Lyrik entstand, die Architektur – streng und großartig – bewahrte ihren Stil, wie er einem nirgends sonst begegnet. Fürchterliche Enttäuschung schlug das armenische Volk, als die gerade erst aufgeblitzte Hoffnung auf Befreiung nach der Februarrevolution durch den elenden Verrat der Daschnaken und Menschewiken zerschlagen wurde. Nun endlich ist der fünfzackige Stern der Freiheit aufgegangen über Armenien! Das Volk hat die Macht in seine Hände genommen.“

Seit 1923 ist die weitere Entwicklung der Armenischen SSR in erster Linie im Zusammenhang mit der Entwicklung der gesamten Sowjetunion zu sehen (siehe auch Geschichte der Sowjetunion, Leben in der Sowjetunion). Lokale Aufstände der Armenier gegen die Zwangskollektivierung ab 1928 sowie die Schließung fast aller Kirchen wurden von der Roten Armee und der sich im Aufbau befindlichen Polizei blutig niedergeschlagen. Auch die Armenier profitierten von einer gewissen gesellschaftlichen Liberalisierung in der Sowjetunion, Frauen wurden rechtlich gleichgestellt, das verbesserte Gesundheitssystem und das neue Bildungsystem stand fast allen Bürgern offen. Andererseits kosteten die Stalinschen Säuberungen von 1934 bis 1938 auch vielen zehntausend Armeniern das Leben.

Die sowjetische Nationalitätenpolitik in Transkaukasien

Wie vor allem der Aufstand in der Georgischen SSR am 28. August 1924 zeigte, stand Transkaukasien noch nicht vollständig unter Kontrolle der RSFSR. Dies hing auch damit zusammen, dass selbst führende Bolschewiki aus der Ukraine und dem Kaukasus durchaus national gesinnt waren. Zur Stärkung der Vormacht der RSFSR innerhalb der UdSSR nutzte insbesondere Stalin die Gegensätze zwischen den Völkern des Kaukasus gegeneinander aus, die sich an die Zentralmacht wandten, um dort ihre Probleme vorzutragen. Innerhalb der Transkaukasischen SFSR wurden die Grenzen zwischen der Armenischen SSR und der Aserbaidschanischen SSR mehrmals geändert. Dies betraf die Gebiete Nachitschewan, Sangesur und Bergkarabach, die sowohl von Armeniern und Aserbaidschanern bewohnt wurden. Nach mehreren Änderungen beschloss Moskau, Sangesur an die Armenische SSR, Nachitschewan als so genannte Autonome Sozialistische Sowjetrepublik und Bergkarabach mit dem Status eines Autonomen Gebiets der Aserbaidschanischen SSR anzugliedern. Die neuen Grenzen waren so gezogen, dass zwischen dem Autonomen Gebiet Bergkarabach und der Armenischen SSR keine Verbindung mehr bestand. Außerdem gehörten weitere mehrheitlich armenisch besiedelte Gebiete, wie der Bezirk Schaumjan (benannt nach dem sowjetischen Politiker armenischer Abstammung Stepan Georgijewitsch Schaumjan), gar nicht zum Autonomen Gebiet [1]. Während die Armenier in der Folge Nachitschewan und die Aserbaidschaner Sangesur nach und nach mehr oder minder freiwillig verließen, schwelte der Konflikt um Bergkarabach weiter.

Mit den etablierten Grenzen waren weder die Georgier, Aserbaidschaner, noch die Armenier zufrieden. Insbesondere die Georgier, genauer gesagt die georgischen Kommunisten, erstrebten von ihrer Gründung an die Auflösung der Transkaukasischen SFSR. Am 5. Dezember 1936 wurde sie aufgelöst und die Armenische SSR wurde eine formal selbstständige Unionsrepublik im Verband der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Die Grenzen blieben bestehen. 1940 lebten in der ASSR knapp 1,5 Millionen Menschen, davon rund 85% Armenier, 10% Aserbaidschaner, gut 2% Russen, außerdem Kurden, Georgier und Griechen.

Der Kampf gegen die Kirche

Die Armenische Apostolische Kirche war die vorherrschende Religion, zu ihr bekannten sich fast alle Armenier. Sie war zur Zeit der Sowjetisierung doppelt geschwächt. Erstens durch Enteignungen zwischen 1903 und 1905 im Zuge der Russifizierung im Russisches Reich und zweitens durch den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1914-1916. In den 1920er Jahren benutzten die Bolschewiki vor allem Enteignungen und überhöhte Steuerforderungen, um die Kirche in die Knie zu zwingen, die auf finanzielle Unterstützung aus der Diaspora abhängig war. Die Armenische Apostolische Kirche reagierte zurückhaltend, um keine Vorwände für die Zerschlagung der Kirche zu geben und in der Hoffnung, dass die Repressionen nachlassen würden. In den 1930er Jahren ging die Sowjetmacht zur physischen Vernichtung über. Der Höhepunkt war die Ermordung des Katholikos Aller Armenier Choren I. in der Nacht vom 5. auf den 6. April 1938 (der Katholikos ist das Oberhaupt der Armenischen Apostolischen Kirche). Das Katholikosat von Etschmiadsin wurde am 4. August 1938 geschlossen. „Von ehemals in (Russisch-) Ostarmenien amtierenden 1115 Geistlichen war zu diesem Zeitpunkt nur noch ein Dutzend im Amt. Von 850 Kirchengebäuden waren 1938 nur vier offen geblieben. [...] Die kirchlich-administrativen Strukturen waren am Ende dieses Prozesses vollständig zerstört.“ Vorlage:Lit

Ihr Überleben hatte die Armenische Kirche vor allem zwei Faktoren zu verdanken. Erstens die Lockerung der Verfolgung während des Zweiten Weltkrieges und nach dem Tode Stalins (bereits in den 1950er Jahren wurden einige hingerichtete Geistliche rehabilitiert), zweitens die Gemeinden in der Diaspora, darunter die armenischen Patriarchate von Jerusalem und Antelias (bei Beirut), wo auch Geistliche ausgebildet werden konnten. Letztlich scheiterte der Versuch der Vernichtung des Christentums auch deshalb, weil die Armenier im Geheimen ihrer Kirche treu blieben. Allerdings ging das religiöse und theologische Wissen der Bevölkerung zurück – kaum jemand besaß eine Bibel, fast niemand besuchte Gottesdienste – und der Glauben war eher schlicht bis naiv.

Rechtliche und staatliche Symbole

Nach der sowjetischen Verfassung von 1936 [2] war die Armenische Sozialistische Sowjetrepublik ein Staat in einer Föderation. Dementsprechend hatte sie eine eigene Flagge, ein eigenes Wappen und eine eigene Nationalhymne. Im Staatswappen der Armenischen SSR war der Berg Ararat zu sehen, der ein nationales Symbol der Armenier ist (und auch heute im Staatswappen der Republik Armenien abgebildet ist). Die kemalistische Türkei protestierte mit dem Hinweis, dass der Berg auf türkischem Territorium liege und deshalb nicht von Armenien oder der Sowjetunion vereinnahmt werden dürfe. Der sowjetische Außenminister Gromyko konterte später mit dem Hinweis, dass im Gegensatz dazu die Türkei den Mond bzw. eine Mondsichel (Halbmond) in der Flagge führe, obwohl weder der Mond noch ein Teil davon zur Türkei gehörten. (Das sowjetische Unionswappen zeigte übrigens eine Weltkugel unter Hammer und Sichel.)

Im Vergleich zu den deutschen Bundesländern etwa hatte die Armenische SSR aber kaum reale Befugnisse. Kulturpolitik war zum Beispiel laut Verfassung Sache der Unionsrepubliken. Die Doktrin vom Sozialistischen Realismus beispielsweise, welche die künstlerische Freiheit in der gesamten Sowjetunion gleichermaßen erheblich einschränkte, wurde in Moskau beschlossen. Faktisch wurde die Sowjetunion von Anfang an wie ein Einheitsstaat regiert.

Der Zweite Weltkrieg

Datei:Erevan-mati-Armenija.jpg
„Mutter Armenien“, eine typisch sowjetische Siegesstatue

Am 22. Juni 1941 überfielen Nazideutschland und seine Verbündeten die UdSSR. Zunächst war der Blitzkrieg ein Erfolg auf ganzer Linie, doch im Dezember scheiterte der Angriff auf Moskau endgültig. Als Reaktion stieß die Wehrmacht nach Süden vor, um mittelfristig einerseits selbst über kriegswichtige Rohstoffe zu verfügen, sie andererseits der sowjetischen Rüstungsindustrie zu entziehen. Das wichtigste Ziel waren dabei die Ölfelder vor Baku am Kaspischen Meer. So wurde auch der Kaukasus zum Kriegsgebiet. In der Operation Blau gelang es der Wehrmacht, große Teile des Nordkaukasus zu erobern. Auf dem Elbrus wehte am 21. August 1942 die Reichskriegsflagge. Doch schließlich wurde die Atacke zurückgeschlagen und nach dem sowjetischen Sieg in der Schlacht von Stalingrad war der Kaukasus endgültig nicht mehr bedroht. Das Gebiet der Armenischen SSR und ihre Industrie waren nicht direkt vom Krieg betroffen. Kriegswichtig war dabei neben der Schwerindustrie der Abbau und die Verhüttung von Molybdän im Süden (Molybdän ist wichtig für die Härtung von Panzerstahl).

Die rund 500.000 Wehrpflichtigen aus der ASSR kämpften üblicherweise nicht in gesonderten Einheiten, sondern waren abgesehen von fünf Inanteriedivisionen voll in die Rote Armee integriert. Die Hälfte ließ dabei im Kampf ihr Leben. Aus der Armenischen SSR kamen vier Marschälle der Sowjetunion und 60 Generäle. [[3]] Auf der anderen Seite kämpften einige tausend Armenier, darunter auch gefangen genommene Rotarmisten, im „812. Armenischen Batallion“ im Rahmen der Ostlegionen [4].

Repatriierung

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die Regierung eine Kampagne durch, um Armenier in der Diaspora zur Übersiedlung in die Armenische SSR zu bewegen. Daraufhin kehrten tausende nach Armenien zurück. Die meisten beherrschten neben dem Armenischen noch mindestens eine weitere Sprache, Immigranten aus dem Libanon z.B. sprachen oft fließend französisch und arabisch. Sie verfügten meist über eine gute oder ausgezeichnete Bildung und dementsprechend stellten sie einen weit überproportionalen Anteil der Universitätsprofessoren, besonders an linguistischen Fakultäten. Oft standen sie dem sowjetischen System kritisch gegenüber und waren patriotisch-konservativ oder nationalistisch eingestellt. (Unter den Heimkehrern war auch die Familie Lewon Ter-Petrosjans (*1945), der 1989 die Armenische Nationale Bewegung gründen sollte und nach der Unabhängigkeit 1991 der erste Präsident des unabhängigen Armeniens wurde.) Sie standen daher unter besonderer Beobachtung des KGB. Die Rückkehrer nutzten teilweise auch ihre Sprachkenntnisse, um den Behörden die Kontrolle zu erschweren. So wurde das in der Sowjetunion verbotene Buch Archipel Gulag, nachdem es 1974 in Frankreich erschienen war, unter Dissidenten in der Sowjetuinion per Samisdat weiterverbreitet. In der ASSR kursierte es aber oft in der französischen Übersetzung und nicht im Original.

Russifizierung

Es begann wie in der gesamten Sowjetunion eine sanfte, aber nachhaltige Russifizierung. In der gesamten Sowjetunion war Russisch faktisch Amtssprache und in der Roten Armee wurde ausschließlich auf russisch kommandiert. Weil die sowjetischen Wehrpflichtigen nicht in gesonderten nationalen Einheiten sondern bunt gemischt organisiert waren, war Russisch die Sprache, in der sich die Angehörigen der vielen Völker der Sowjetunion verständigten. Es gab viele Russische Schulen und viele technische Fächer wurden an den Universitäten fast nur auf russisch unterrichtet, insbesondere technische russische Begriffe und neue Begriffe (z.B. Kolben, Kofferraum oder Fernseher) wurden aus dem Russischen übernommen. Außerdem wurden russische Alltagsbegriffe über Kinofilme, Fernsehen und Rundfunk verbreitet und fanden oft Eingang in die Umgangssprache. Die Durchdringung mit russischen Wörtern ging sogar so weit, dass beispielsweise noch heute viele Armenier alltägliche Begriffe wie Küche, Wurst usw. auf russisch benennen und nicht auf armenisch, weil ihnen das gekünstelt erschiene. Es galt allgemein als besonders „zivilisiert“, wer russisch sprach. Dadurch, dass die russisch-armenischen Beziehungen in der UdSSR teilweise koloniale Züge trugen, ergab sich bei vielen Einwohnern der armenischen SSR eine Mischung aus großem Nationalstolz einerseits und Minderwertigkeitsgefühlen andererseits.

Die sechziger Jahre

Die Gedenkstätte an den Völkermord

Am 24. April 1965 kam es in Eriwan zu einer Demonstration mit vielen tausend Teilnehmern anlässlich des fünfzigsten Jahrestages des Beginns des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich, dem bis zu 1,5 Millionen Armenier zum Opfer fielen. Es folgten weitere Demonstrationen, auf denen die die Rückgabe von Territorien von der Türkei gefordert wurde, die nach dem Vertrag von Sèvres aus dem Jahre 1920 der damaligen Armenischen Republik hätten zukommen sollen. Außerdem wurde gegen die als Diskriminierung empfundene Behandlung der Armenier in dem Autonomen Gebiet Bergkarabach protestiert. Dies waren die ersten größeren Demonstrationen einer nationalen Bewegung in der Sowjetunion überhaupt. Es ist sicherlich auch eine Reaktion darauf gewesen, dass endlich der Bau einer Gedenkstätte in Angriff genommen wurde. Im November 1967, 52 Jahre nach dem Völkermord und 47 Jahre nach der Gründung der Armenischen SSR, eröffnete der damalige Premierminister der ASSR, Anton Kotschinjan, die Gedenkstätte. Sie wird seitdem alljährlich am 24. April von vielen zehntausend Menschen besucht.

Das Erdbeben 1988

Die Erlöserkirche in Gjumri vor dem Erdbeben
Die Erlöserkirche in Gjumri nach dem Erdbeben

Am 7. Dezember 1988 erschütterte um 11.41 Uhr (Ortszeit) ein schweres Erdbeben die Region Lori im Norden der Armenischen SSR, das den Wert 6,8 auf der Richterskala erreichte. Neben der Stadt Spitak, die nahezu vollständig zerstört wurde, wurden auch die Städte Leninakan (heute Gjumri) und Kirowakan (heute Wanadsor) sowie viele umliegende Dörfer schwer beschädigt. Viele Gebäude, insbesondere Schulen und Krankenhäuser, hielten dem Erdbeben nicht Stand und 25.000 Menschen ließen ihr Leben. Hinzu kamen die winterlichen Temperaturen und die Unvorbereitetheit der Behörden. Die Regierung ließ ausländische Helfer ins Land. Dies war der erste Fall, indem die Sowjetunion ausländische Hilfe in größerem Ausmaß annahm. Die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region wird durch die nachhaltige Schädigung der Infrastruktur nach wie vor behindert.

Der Kampf um Unabhängigkeit und der Konflikt um Bergkarabach

Die Armenische SSR war seit Mitte der achtziger Jahre neben der Estnischen SSR, der Lettischen SSR und der Litauischen SSR ein Zentrum der seperatistischen Bewegungen innerhalb der UdSSR, die die Auflösung beschleunigten. Wie schon im Falle Finnlands, der baltischen Länder und Polens zu Beginn der zwanziger Jahre erstrebten viele Völker der UdSSR vor allem die nationale Befreiung. Diese Bestrebungen waren in der Sowjetunion jahrzehntelang mal mehr, mal weniger gewalttätig unterdrückt worden. Doch eben jene Repression hielt den Widerstandsgeist am Leben. Als die sowjetische Regierung unter Gorbatschow nicht mehr bereit war Gewalt anzuwenden, erstanden die separatistischen Bewegungen wieder auf. Sie richteten sich nicht nur gegen Sowjetrussland sondern auch gegen Nachbarvölker – ein Erbe der Politik „Teile und Herrsche“ Stalins. 1988 flammte auch der Konflikt um Bergkarabach, ein mehrheitlich armenisch besiedeltes Gebiet innerhalb der Aserbaidschanischen SSR, wieder auf. Es gab Schießereien mit mehreren hundert Toten und Massendemonstrationen in Armenien und Aserbaidschan. Am 28. und 29. Februar kam es in der Stadt Sumgait nördlich von der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku zu anti-armenischen Pogromen, bei denen Dutzende Armenier ums Leben kamen. In der Folge kam es zu beiderseitigen Ausweisewellen der jeweiligen Minderheit.

Der polnische Reporter Ryszard Kapuściński bereiste 1989 die Armenische SSSR und Bergkarabach und beschrieb die dort herrschenden Zustände. „Zunächst hatte ich geplant, wie früher von Moskau nach Georgien zu fahren und dann nach Armenien und Aserbaidschan. Doch man sagte mir, das sei unmöglich. Die Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan sei geschlossen, es herrsche ein Krieg, auf den niemand Einfluss habe. Das war für mich ein Schock. Jemand konnte behaupten, dass Moskau auf das, was in der UdSSR passiert, keinen Einfluß hat? [...] Zwei Republiken schließen die Grenzen und führen gegeneinander Krieg, und Moskau ist völlig machtlos! Den zweiten Schock erlebte ich am folgenden Tag, als ich nach Eriwan flog. Ich ging spazieren und begegnete plötzlich auf der Straße bewaffneten Gruppen bärtiger Männer. Passanten sagten, das seien Verbände der unabhängigen armenischen Befreiungsarmee. [...] Da ich das Land und das System seit langem kannte, erwartete ich, dass russische Divisionen die armenische Hauptstadt besetzten, die jungen Armenier massakrieren und Tausende Bewohner zur Strafe nach Sibirien schicken würden. Doch nichts dergleichen geschah.

Datei:60th anniversary of the Armenian SSR.jpg
Briefmarke zum 60. Jubiläum der ASSR 1980, im Hintergund der Platz der Republik in Eriwan

Die dritte Überraschung war, noch am selben Abend, eine Szene, die ich im Fernsehen sah. Es wurde eine Beratung des Obersten Sowjets übertragen. Einer der Deligierten begann heftig mit dem Generalsekretär des ZK, Michail Gorbatschow, zu streiten. Ich erstarrte. Mit dem Generalsekretär zu streiten? Früher einmal hätte ihm dafür die Erschießung gedroht. Später immer noch das unwiderrufliche Ende der Karriere. Doch nun verließ der Abgeordnete das Rednerpult und heimste noch donnernden Applaus ein. Ich addierte das alles und dachte: Das ist das Ende der Sowjets! Damals, im Herbst 1989, auf der Reise von Moskau nach Eriwan, zerfiel für mich das Imperium. Alles, was später geschah, war nur mehr so, wie wenn man weitere Trümmer auf eine vorher aufgetürmte Schutthalde wirft.

Ich glaube, dass nur jemand, für den der Stalinismus und der Breschnewismus zur eigenen Erfahrung gehörten, die Tiefe, die Außergewöhnlichkeit und Größe dieser Veränderungen und dieses Umsturzes, die in den Jahren zwischen 1985 und 1991 in der UdSSR stattfanden, erkennen und begreifen kann. Ich traf auf meiner Reise viele junge Reporterkollegen. Was sie sahen, war für sie interessant, aber normal und selbstverständlich. Für mich hingegen war alles unerhört und verblüffend, ich traute meinen eigenen Augen nicht.“ Vorlage:Lit

Datei:Gorbatschow.JPG
Michail Gorbatschow

Michail Gorbatschow, damals Generalsekretär der KPdSU, legte seine Sicht in einem Interview mit Alexander Budbe für die russische Zeitung Komsomolskaja Prawda am 2.3.2006 dar, aus dem die folgenden Auszüge stammen. [5]

Budbe: „Vielleicht wäre mehr Härte nötig gewesen?“ [...]

Gorbatschow: „[...] Was meinen Sie mit „mehr Härte“?

Budbe: „Ich denke, dass Moskau im Jahre 1985 der separatistischen Bewegung in Stepanakert [der Hauptstadt vom Autonomen Gebiet Bergkarabach] hätte ein Ende setzen können. Dabei hätte es die aserbaidschanischen Führung gezwungen, Bergkarabach mehr Selbstständigkeit zuzugestehen, aber ohne Vereinigung mit Armenien...“

Gorbatschow: „Genau das hatten wir vor. Eine halbe Milliarde Rubel für die 180.000 Einwohner freizumachen. Baku zu zwingen, alle Gelder freizugeben, die Verbindung nach Armenien zu ermöglich. Karabach zu einer Autonomen SSR zu erheben (es war ohnehin schon ein Autonomes Gebiet). Dabei sollte es in Aserbaidschan verbleiben. Doch am folgenden Tag [am 1. Dezember 1989] findet eine Sitzung [des Obersten der Armenischen SSR und des Sowjets des Autonomen Gebiets Bergkarabch] statt und beschließt die Angliederung von Bergkarabach an die Armenische SSR. Sollte man etwa diese Sowjets gewaltsam auflösen, Armenien mit Truppen besetzen? In solchen Lagen kann es keine Gewinner geben. Man durfte die Armenier nicht zu Siegern machen, obwohl das Ansinnen der Sezession in meinen Augen weitgehend gerechtfertigt war. Aber die Aserbaidschaner konnten auch nicht gewinnen. Ein Kompromiss war notwendig.“

Budbe: „Und wie hätte dieser Kompromiss erreicht werden können?“

Gorbatschow: „Ich denke, letztlich nur im Rahmen der Sowjetunion. In Tschetschenien hat man Gewalt angewandt – wurde es dadurch etwa besser? [...]“

Budbe: „Aber auch unter Ihrer Führung griffen Truppen in Hauptstädten der Unionsrepublik ein: Tblissi, Baku, Vilnius...“

Gorbatschow: „Ja, es lief nicht ohne Blutvergießen ab. Aber nur in einem Fall wurde der Ausnahmezustand verhängt und auf meinen Befehl hin intervenierten Truppen. In Baku. Dort geriet die Lage vollkommen außer Kontrolle. Sowohl der Oberste Sowjet als auch das ZK waren wie gelähmt. 200 km Grenze wurden verletzt und die örtlichen Behörden wurden zum Ziel von Angriffen. [...]“

Die vorliegenden Äußerungen belegen nicht nur den Unwillen oder den fehlenden Willen, die aus dem Konflikt resultierenden Unruhen gewaltsam zu lösen, sondern auch die Unfähigkeit auf Grund der schon zu weit fortgeschrittenen Zersetzung des sowjetischen Machtapparates. Dazu trug bei, dass die örtlichen kommunistischen Funktionäre – teilweise aus Überzeugung, teilweise aus Angst um ihre Pfründe – sich den Unruhen nicht entgegenstellten oder sogar aktiv administrative Ressourcen den Aufständischen zur Verfügung stellten. Deshalb spricht Gorbatschow in Zusammenhang damit, dass die aserbaidschanische Führung die Bergkarabach zustehenden Finanzmittel weiterzuleiten, auch von zwingen.

Հայկական Հանրապետություն
Hajkakan Hanrapetut‘jun
Armenische Republik
(Details)

Bei den freien Parlamentswahlen im Mai 1990 errang die demokratische Opposition einen überwältigenden Sieg. Neuer Vorsitzender des Obersten Sowjets der Armenischen SSR wurde Lewon Ter-Petrosjan, neuer Ministerpräsident wurde Wasgen Manukjan. Im Zuge der Perestrojka konnten 1990 unabhängige Organisationen und Parteien gegründet werden. Darunter waren die Armenische Revolutionäre Föderation (gegründet 1890, in Armenien wieder gegründet im August 1990), deren MItglieder als Daschnaken bekannt sind, die Sozialdemokratische Hntschak-Partei (Hntschak bedeutet „Glocke“; gegründet 1887, wieder gegründet im Oktober 1990), die Liberal-demokratische Partei (gegründet 1921, wieder gegründet im Juni 1991), die Republikanische Partei, die aus der Dissidentenbewegung der 1960er Jahre hervorging, und die Armenische Nationale Bewegung (gegründet im November 1990). All diese Parteien gehörten dem elfköpfigen Karabach-Komitee an, dass sich insgesamt auf rund 40 Organisationen stützte und dessen Vorsitzender Lewon Ter-Petrosjan war. Es bildeten sich auch paramilitärische Organisationen. Auf Druck von Moskau reagierte die Regierung diplomatisch: Die Einheiten der Armenischen Nationalen Bewegung wurden der Regierung beziehungsweise dem Parlament unterstellt, die radikale Armenische Nationale Armee löste sich Ende 1990 selbst auf.

An dem 23. August 1991 wurde die Armenische SSR in Anlehnung an die erste Republik in Armenische Republik umbenannt, und einen Tag später wurde auch die Flagge der Armenischen Republik wieder eingeführt. Am 21. September fand ein Referendum statt, an dem sich 95 v.H. der Stimmberechtigten beteiligten, von denen 94,39 v.H. für „eine unabhängige und demokratische Republik Armenien außerhalb der UdSSR“ stimmten. Am Folgetag, dem 30. August 1991, erklärte das armenische Parlament die Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Der Nachfolgestaat ist die Republik Armenien. Bemerkenswert ist, dass es die Armenische KP in der Zeit nach der Unabhängigkeit nicht ein einziges Mal schaffte, in das Parlament einzuziehen – dies ist einzigartig unter allen Nachfolgestaaten der Sowjetunion und ist ein weiteres Indiz dafür, wie gering die Zustimmung zur sowjetischen Herrschaft gewesen ist.

Geografie

Für das Territorium von 1936 bis 1991 siehe Geografie Armeniens, ansonsten Geographie Aserbaidschans, Bergkarabach und Nachitschewan.

Umbenannte Städte (Auswahl)
alt neu umbenannt
Leninakan Gjumri 1990
Kirowankan Wanadsor nach 1989
Ghapan Kapan nach 1989
Kamo Gawar nach 1989
Lusawan Tscharenzawan 1967
Basargetschar Wardenis 1969
Siehe auch Liste der Städte in Armenien

Wirtschaft und Umwelt

Datei:Road in the Armenian SSR 1948.jpg
Eine Straße im Gebirge 1948

Im Zuge der Industrialisierung der UdSSR im Rahmen der sowjetischen Planwirtschaft entwickelte sich die Armenische SSR von einem landwirtschaftlich geprägten Randgebiet der Sowjetunion zu einem wichtigen Standort des sowjetischen Maschinenbaus, der chemischen Industrie, der Textilindustrie und der Informatik. Viele elektronische Bauteile und auch Roboter für die sowjetische Raumfahrt und Rüstungsindustrie wurden hier entwickelt. Kupfer, Molybdän, Gold und verschiedene Halbmetalle wurden abgebaut. Es wurde eine Vielzahl von Wasserkraftwerken und ein Atomkraftwerk errichtet, dennoch war die Wirtschaft der ASSR stark von Energielieferungen abhängig, weil sie kaum über eigene fossilen Energieträger verfügt.

Auch der Tourismus stellte einen wichtigen Wirtschaftszweig dar. In der Sowjetunion war die Armenische SSR von Frühling bis Herbst wegen des warmen Klimas und im Winter wegen der Skipisten im Hochgebirge ein beliebtes Reiseziel.

Baumwolle, Seide, Früchte, Tabak und Weine wurden in andere Teile der Sowjetunion exportiert. Auch international ein Exportschlager war armenischer Brandy, früher auch als „Armenischer Cognac“ bekannt1. Im Ararattal wird seit dem 19. Jahrhundert Wein angebaut, aus dem Weinbrand hergestellt wird, der wegen seine ungewöhlichen Milde geschätzt wird (siehe auch Yerevan Brandy Company). Nur rund 20 % der Warenproduktion kam aus der Landwirtschaft und nur jeder zehnte Arbeitsplatz war dort angesiedelt, obwohl durch extensive Bewässerungsmaßnahmen die der Anteil der Anbaufläche von 60.000 Hektar im Jahre 1939 auf 200.000 Hektar im Jahre 1943 gesteigert werden konnte.

Am 7. März 1981 wurde nach neun Jahren Bauzeit die Metro Eriwan eröffnet.

Die schnelle Industrialisierung und enorme Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzfläche wurde jedoch mit großen Umweltschäden erkauft. Durch Monokulturen, Überdüngung und Entwaldung (nur noch 15 statt 20 v.H. der Fläche waren von Wald bedeckt) sank die Bodenqualität. Der Sewansee, rund eineinhalb mal so groß wie der Bodensee, ist das einzige große Wasserreservoir im Südkaukasus. Er wurde für groß angelegte Bewässerungsprogramme ausgebeutet und sein Pegel sank bedrohlich. (Verantwortlich dafür war übrigens derselbe Ingenieur, der für die Verlandung des Aralsees verantwortlich war.) In den achtziger Jahren drohte der See ganz aus dem ökologischen Gleichgewicht zu geraten. Erst in den letzten Jahren konnte der Wasserspiegel mithilfe von Wasserzufuhr aus Flüssen anderen Gegenden wieder leicht angehoben werden.

Die Wirtschaft war wie in der gesamten Sowjetunion „schwerlastig“, das heißt der Anteil der Schwerindustrie war sehr hoch und die der Leichtindustrie im internationalen Vergleich gering. Viele der nötigen Rohstoffe waren in der ASSR selbst nicht vorhanden und wurden aus anderen Republiken importiert. Während der Perestroika begann ein zwar ein Strukturwandel, der aber viel zu spät und viel zu zögerlich angegangen wurde. Hier liegen wichtige Ursachen für die schwere Wirtschaftskrise in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit.


1 In den ehemaligen sozialistischen Ländern war der Begriff „Cognac“ nicht als Herkunftsbegriff geschützt, sondern bezog sich auf das Herstellungsverfahren.

Bildung, Kultur und Sport

Das sowjetische Bildungssystem stand allen Schichten offen. Die Alphabetisierungsquote erreichte nahezu 100 Prozent. Die Staatliche Universität Eriwan gehörte zu den führenden Universitäten der Sowjetunion. Im Rahmen des sowjetischen Schulsystems wurden viele Russische Schulen eingerichtet. In diesen Schulen erfolgte der gesamte Unterricht auf russisch, nur die Literatur der jeweiligen Muttersprache wurde in dieser unterrichtet. Die Armenier durften aber ihre eigene armenische Schrift weiterhin verwenden (neben den Armeniern hatten in der Sowjetunion nur noch die Georgier ihre eigene Schrift (siehe georgisches Alphabet), alle anderen verwendeten die kyrillische Schrift bzw. mussten sie verwenden. Das sowjetische Bildungssystem beinhaltete auch Musikschulen, Kunstschulen, Tanzschulen, Sportangebote etc., die Kindern kostenlos oder nahezu kostenlos zur Verfügung standen. Allerdings wurde über diese auch auf die Kunst Einfluss genommen, die Freiheit der Künstler war eingeschränkt.

Der eiserne Vorhang war für die Armenier ein besonderes Problem. Nur rund die Hälfte von ihnen lebte in der Sowjetunion, die andere Hälfte lebte nach dem Völkermord an den Armeniern über die ganze Welt verstreut, insbesondere in Frankreich, dem Libanon und dem Iran. Die Abschottung der Sowjetunion erschwerte den Kontakt mit anderen Armeniern und behinderte so auch die kulturelle Entwicklung. So klagte der Komponist Tigran Manssurjan, geboren 1937 Beirut, 1947 mit seinen Eltern nach Armenien zurückgekehrt, noch 1989: „Wir haben die große Sängerin Araks Dawtjan, die zu den zehn besten Sopranistinnen der Welt zählt. Doch bei uns ist sie unbekannt, keiner hat je von ihr gehört. Sie müßte in leeren Sälen singen.“ Vorlage:Lit

Musik

Aram Chatschaturjan

Die armenische Volksmusik konnte ungestört gepflegt werden. Doch insbesondere die armenische Kunstmusik erlebte eine neue Blüte. Michail Kokschajew sagte dazu: „Ich möchte darauf hinweisen, dass die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts für die armenischen Komponisten eine Zeit war, in der die ‚technische Lücke‘ in Bezug auf die musikalischen Errungenschaften Europas auf den Feldern der Kontrapunktik, der Harmonik, der Bearbeitung und der Gestaltung geschlossen wurde. Es war eine Periode, in der die kompositorischen Ausdrucksmittel ungemein bereichert wurden.“ [6] Aram Chatschaturjan (1903-1978) war der erste armenische Komponist von Weltrang. Seine Toccata für Klavier und seine Erste Symphonie von 1934 leiteten eine Zeitenwende in der armenischen Musik ein. Chatschaturjan kombinierte überzeugend armenische Traditionen mit moderner Klassischer Musik. Der Säbeltanz aus dem Ballett Gajaneh wurde durch den Film Eins, zwei, drei von Billy Wilder weltweit bekannt. Fast wäre er wegen „Modernismus“ ebenso in Ungnade gefallen wie Dmitri Schostakowitsch. Er hatte es jedoch etwas leichter als seine russischen Kollegen, weil die traditionelle armenische Musik ohnehin viele Intervalle enthält, die für westliche Ohren dissonant sind. Einige Werke verheimlichte er bis zum Tod Stalins 1953.

Sein Schüler Mikael Tarewerdijew (eigentlich Tarewerdjan), war der größte Komponist von Filmmusik in der Sowjetunion. Arno Babadschanjan (1921-1983) setzte den Weg Chatschturjans fort, kehrte aber 1950 aus Moskau nach Eriwan zurück und unterrichtete am dortigen Konservatorium. Seitdem brachte die Armenische SSR eine ganze Reihe von erstklassigen Pianisten und anderen Instrumentalisten überhaupt hervor.

Literatur

Nur politisch unverdächtige Werke wie die armenischen Volksmärchen konnten frei veröffentlicht werden. Die Schaffensfreiheit professioneller Schriftsteller war, insbesondere zu Zeiten Stalins, stark eingeschränkt. 1937 fiel Jeghische Tscharenz, der größte armenische Dichter des 20. Jahrhunderts, der Großen Säuberung zum Opfer. In den Jahren nach Stalins Tod 1953 tauchten seine Gedichte jedoch wieder im Schulunterricht auf, darunter auch sein berühmtestes Werk, das Gedicht Armenien. Die armenischen Schriftsteller litten ebenso unter der Doktrin des Sozialistischen Realismus wie ihre anderen sowjetischen Kollegen. Vor allem Hrant Matewosjan (*1935) gelang es, das Leben im Dorf trotzdem authentisch widerzugeben. Seine Werke wurden inzwischen in eine Reihe von Sprachen übersetzt, darunter ins Russische und Persische.

Sport

Datei:Petrosyan tv.jpg
Tigran Petrosjan

Seit der Antike waren Boxen und Ringen in Armenien ein weit verbreiteter Sport. Diese Tradition wurde gezielt wiederbelebt. Auch im Gewichtheben gewannen armenische Sportler viele Medaillen für die Sowjetunion. Ende der 1970er Jahre und in den 1980er Jahren vertrat die Armenische SSR ein legendäres Trio, bestehend aus Juri Wardanjan, Oksen Mirsojan und Jurik Sarkisjan, die bei Welt- und Europameisterschaften serienweise Medaillien gewannen. Bei den Olympischen Sommerspielen 1980 gewann Juri Wardanjan im Leichschwergewicht (bis 82,5 kg) mit einem Weltrekord die Goldmedaille. Nachdem die armenischen Sportler die Olympischen Sommerspielen 1984 boykottieren mussten, konnten sie bei den Olympischen Sommerspielen 1988 wieder antreten, wobei Oksen Mirsojan im Bantamgewicht (bis 56 kg) die Goldmedaille gewann

Das Schachspiel erlebte eine neue Blüte. Über Persien war es früh nach Armenien gelangt und war neben Backgammon das beliebteste Brettspiel. Weil Schach in der Sowjetunion systematisch gefördert wurde, war es in der ASSR bald nicht mehr nur ein Zeitvertreib, sondern entwickelte sich daneben auch zu einem Wettkampfsport. Der Vater der sowjetisch-armenischen Schachschule war Genrich Kasparjan (1910-1995), der erste Schachmeister Armeniens, der 1936 nach Eriwan übergesiedelt war. 1960 zog er sich ganz vom Turnierschach zurück und arbeitete bis 1990 nur noch als Trainer. Tigran Petrosjan, Weltmeister von 1963 bis 1969, war ein Nationalheld. Die Armenische SSR brachte viele weitere Schachspieler der Weltklasse hervor, darunter Rafael Wahanjan. Auch Lewon Aronjan (*1982), Weltcupsieger 2005, entstammt noch der sowjetischen Schachtradition, die in Armenien weiter gepflegt wird.

Der stärkste Fußballklub der Armenischen SSR war der FC Ararat Eriwan, der mehrmals sowjetischer Pokalsieger war. Den größten Erfolg des armenischen Fußballs überhaupt errang die Mannschaft 1973, als sie sowjetischer Meister und Pokalsieger wurde. Das beste internationale Resultat war der Einzug ins Viertelfinale beim Europapokal der Landesmeister 1974/1975, in dem die Mannschaft knapp gegen den späteren Sieger FC Bayern München ausschied.

Literatur

Weblinks

Vorlage:Navigationsleiste Sowjetunion