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Carlismus

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Als Carlismus (auch: Karlismus) bezeichnet man eine monarchistische Bewegung in Spanien, die seit 1833 Angehörige einer bestimmten Seitenlinie des bourbonischen Königshauses und seit 1936 des Hauses Bourbon-Parma als Thronprätendenten favorisiert.

Von diesem vordergründigen Ziel abgesehen waren die Carlisten lange Jahre die Hauptpartei in einem innerspanischen Kulturkampf, welcher sich von der napoleonischen Besatzung bis zum Spanischen Bürgerkrieg hinzog. In diesem Kulturkampf kämpften die Carlisten mit ihrer absolutistisch-katholischen Gesinnung gegen die liberalen, später die republikanischen Kräfte in Spanien.

Entstehung der carlistischen Bewegung

Der Konflikt zwischen Liberalen und Absolutisten

1808 hatte Spanien vor Napoleon kapituliert, konnte ihn und seine Herrschaft aber in einem grausamen Guerillakrieg mit englischer Unterstützung vertreiben.

Ferdinand VII.

Ferdinand VII erstieg den spanischen Thron und versuchte, absolutistisch weiterzuregieren. Eine liberale Verfassung wurde 1820 infolge eines pronunciamiento von der Armee erzwungen. Doch schon drei Jahre später wurde diese Verfassung durch eine von Ferdinand selbst herbeigerufene französische Invasion der "Hunderttausend Söhne des heiligen Ludwig" wieder kassiert. Im weiteren Kampf um eine Verfassung standen sich als Kontrahenten im wesentlichen die liberale, die Ideen der Französischen Revolution favorisierende Armee und die dem Absolutismus zugeneigte konservative Kirche gegenüber. Die Positionen beider Parteien waren letztlich unvereinbar.

Die Anhänger des Absolutismus waren vom hergebrachten Bild des Königs überzeugt, welcher sein Amt direkt von Gottes Gnaden erhielt und durch diese Belehnung über die Sterblichen hervorgehoben wurde. Seit Amt war es, als Gottes Schild und Schwert auf Erden zu wirken. Indem der Monarch Souverän war, war Gott der Souverän: Monarchismus und Religion waren für die Absolutisten - und zumal für die spanischen - untrennbar ineinander verschränkt. Daher war eine vertragliche Vereinbarung, welches das Verhältnis des Monarchen zu seinem Volk zu regeln unternahm, nach ihrem Empfinden zugleich eine Majestätsbeleidigung und eine Gotteslästerung. Der König schwor einen Eid bei seiner Krönung, und ebenso schwor er oder vielmehr sein Vertreter - im Falle etwa des Baskenlands unter der Eiche von Guernica - die alten Vorrechte der nichtkastilischen Regionen zu achten. Die Absolutisten aber sahen keinen Vorteil darin, eine Verfassung, welche Menschenwerk war und mit einem Federstrich geändert werden konnte, dem unabänderlichen und vor Gott geschworenen Eid vorzuziehen. Selbst von dieser religiösen Komponente abgesehen bedeutete eine Verfassung die Errichtung eines Zentralstaats nach französischem Vorbild, was die Absolutisten ablehnten. Spanien war seit jeher eher einem Staatenbund als einem Staat ähnlicher gewesen Gemeinsame Institutionen aller Landesteile waren im wesentlichen nur der König in Kastilien und die katholische Kirche gewesen, während die Regionen ihre eigenen Institutionen und ihr althergebrachtes Sonderrecht gepflegt hatten.

Die Liberalen dagegen empfanden das geistige Klima in Spanien, welches dem freien Gedanken und freien Wort entgegenstand, als drückend und arm. Sie sahen mit Bedauern, daß ihr Land bereits seit langem von Europa isoliert war und nach ihrem Empfinden in seiner geistigen Entwicklung anderen Nationen nachstand. Aus diesem Grund standen sie für die Ideale der Französischen Revolution ein und wünschten, daß diesen auch in ihrem Lande zum Durchbruch verholfen werden sollte. Für religiöse Belange hatten sie wenig Verständnis und wollten auch keines aufbringen. Vielmehr fassten sie die Religion und den Klerus als ernstes und - in dem Maße, in dem sie radikaler wurden - als zu beseitigendes Hindernis für die Errichtung eines modernen und freien Spaniens auf. Nach ihren Vorstellungen sollte Spanien, wie andere europäische Länder es bereits getan hatten, sein Verhältnis zum König nach Art eines Gesellschaftsvertrags regeln und zum Vorteil aller die Befugnisse des Monarchen, der Cortes und anderer Verfassungsorgane klar festlegen. Zu einer nach liberaler Auffassung überfälligen Reform des spanischen Staatswesens gehörte die Ordnung und Straffung der unübersichtlichen staatsrechtlichen Konstruktion des Landes.

Die Pragmatische Sanktion und die Nachfolge Isabellas II.

Die Zeichen, die einen ernsten Konflikt zwischen Absolutisten und Liberalen ankündigten, mehrten sich bereits zu Lebzeiten Ferdinands. Während seiner weiteren absolutistischen Herrschaft bildete sich bei den Anhängern des Absolutismus eine radikale Gruppe, die sogenannten Apostólicos, welche glühende Anhänger Don Carlos', des Bruders Ferdinands, waren. Infante Carlos María Isidro hatte sich durch besondere Frömmigkeit und strikten Antiliberalismus hervorgetan. Diese Gruppe kann als ein Vorläufer des Carlismus angesehen werden.

Jugendbild Carlos' (V.)

Bereits im Zuge eines Aufstands, der 1827 Katalonien erfasste und der von einer weiteren radikalabsolutistischen Gruppe initiiert worden war, die sich Agreugats ("Gekränkte") nannte, wurde Carlos zum König ausgerufen. Carlos winkte ab, um nicht den Vorwurf des Hochverrats zu riskieren.

Auch die Liberalen radikalisierten sich immer mehr, wurden antiklerikal mit einer besonderen Abneigung gegen Ordensgeistliche und neigten mehrheitlich der Freimaurerei zu.

Die Bruchstelle des künftigen Konflikts der zwei Teile der spanischen Gesellschaft zeichnete sich schon 1830 ab. Don Carlos, der Bruder Ferdinands - dessen Gesundheit sich immer weiter verschlechterte und der heftig unter der Gicht litt -, beanspruchte die Nachfolge des Königs, dem in seinen vier Ehen kein Sohn geschenkt worden war. Ferdinand hatte jedoch seine einzige Tochter Isabellas II. 1830 im Rahmen einer Pragmatischen Sanktion (Pragmatica Sanción) unter Abschaffung der Salischen Erbfolge und Rückkehr zur alten spanischen Erbfolge als Thronerbin bestimmt.

Die Salische Erbfolge sah die Thronfolge von Frauen nur dann vor, wenn männliche Thronerben auch in keiner Seitenlinie mehr vorhanden waren. Philipp V., erster spanischer Bourbone, hatte diese Thronfolgeregelung am 13. Mai 1713 auf Druck der übrigen europäischen Mächte nach dem Ende des Spanischen Erbfolgekriegs anstelle der auf das Königreich Kastilien zurückgehenden Regelung eingeführt. Damit sollte verhindert werden, daß die beiden bourbonischen Kronen Spaniens und Frankreichs in einer Hand vereinigt werden konnten.

Um diese Pragmatische Sanktion, die unter Abkehr vom Salischen Gesetz die Thronfolge Isabellas vorbereitete, im eigenen Lande umsetzen zu können, machte Ferdinand den Liberalen Zugeständnisse, etwa indem er die Regierung auswechselte und ein gemäßigt-absolutistisches Kabinett berief. Die Liberalen, die einer Thronfolge Carlos' mit Schrecken entgegensahen, waren unter diesen Umständen gerne bereit, Isabella als Prinzessin von Asturien anzuerkennen.

Ferdinand sollte recht behalten, als er im Jahre 1832 den folgenden merkwürdigen Vergleich zog: "Spanien ist eine Bierflasche, und ich bin der Pfropfen. Wenn ich herausspringe, wird sich der gesamte Inhalt in Gott weiß welche Richtung ergießen". Bereits unmittelbar nach Ferdinands Tod im Jahr 1833 entzündete sich der unablässige Konflikt zwischen Liberalen und Absolutisten, der bereits seit vielen Jahren an Bürgerkrieg grenzte, an der Frage der Nachfolge Ferdinands. Sie führte zum Entstehen der Carlistenbewegung und sofort zu offenem Kriegszustand in Spanien. Don Carlos sah Isabellas Thronfolge als Raub seiner Thronansprüche an. Er wurde von der Kirche und regionalen Autonomisten des Nordens und Nordostens (nämlich in Navarra, den ländlichen Gebieten des Baskenlands, Aragon und Katalonien) unterstützt. Nur durch Carlos glaubten diese Regionen mit ihrem traditionellen Sonderstatus innerhalb Spaniens ihre Rechte, die fueros, bewahren zu können - soweit sie ihnen nicht (wie es vor allem Katalonien widerfahren war) nach dem Spanischen Erbfolgekrieg und der Thronübernahme der Bourbonen bereits genommen worden waren.

Die Regentin María Cristina von Sizilien und ihre Tochter Isabella hatten keine andere Wahl, als sich vollends auf die Liberalen und Zentralisten - besser: die konstitutionellen Monarchisten - zu stützen, wenn sie politisch überleben wollten. Eine konstitutionelle Monarchie wollten die eigenständigen spanischen Randgebiete eben verhindern, da eine Verfassung (einmal davon abgesehen, daß sie ihrer Auffassung nach als Menschenwerk in die unveräußerlichen Bande eingriff, die zwischen Gott und König bestanden) infolge der zentralistischen und uniformistischen Bestrebungen der Liberalen Spanien zu einem Zentralstaat machen würde, in welchem besonders das Baskenland und Katalonien um ihre Autonomie zu fürchten hatten. In der Tat beschlossen die Liberalen noch 1833 nach französischem Vorbild die Aufteilung Spaniens in Provinzen.

Die Carlistenkriege

Alle drei carlistischen Kriege haben als Guerillakriege begonnen, und reguläre Armeeeinheiten fanden sich in keinem Falle von Beginn an auf carlistischer Seite. Nur der Dritte Carlistenkrieg war eine von planerischer Hand eingeleitete Erhebung, die anderen begannen als Aufstände. Bald bildeten sich jeweils mehr oder weniger zusammenhängende und sich bekämpfende carlistische und regierungstreue Territorien mit einer Frontlinie und Armeen heraus. Hierbei bildete - mit Ausnahme des Zweiten Carlistenkriegs, in welchem das nicht der Fall war - die territoriale Basis der Carlisten (insbesondere Navarra, die Rioja, das Baskenland, Katalonien und der nördliche Teil der Provinz Valencia) jeweils bald staatliche Strukturen heran. Interessanterweise verlief auch der Spanische Bürgerkrieg später nach diesem Muster.

Der Erste Carlistenkrieg

Der Erste Carlistenkrieg, ein erster spanischer Bürgerkrieg und zusammen mit den weiteren Carlistenkriegen der letztere größere europäische Konflikt mit dem Ziel der Inthronisierung eines Prätendenten, brach am 5. Oktober 1833, nur sechs Tage nach Ferdinands Tod, mit einem Aufstand in den drei baskischen Provinzen aus. Von hier breitete er sich über Navarra, die Rioja, Aragon, Katalonien, Valencia und sogar Teile der Extremadura und Andalusiens aus. Die Carlisten konnten in Nordspanien (abgesehen von der Festungen des Gebiets) vorübergehend ihre eigene Herrschaft aufrichten, und die Kampfhandlungen zogen sich über volle sieben Jahre bis 1840 hin.

Maria Christina von Bourbon und beider Sizilien, Regentin von 1833-1840

Es handelte sich bei diesem Krieg teils um einen Religionskrieg, teils um einen Sezessionskrieg der spanischen Randgebiete, die auf carlistischer Seite standen. Die Liberalen und die Armee hingegen, als "Cristinos" oder auch "Isabelinos" bezeichnet, kämpften für den Anspruch Kastiliens auf die Herrschaft über die ganze iberische Halbinsel - und somit auch gegen die Sonderrechte der Randgebiete sowie der katholischen Kirche. 1834 verfügte die Regentin Maria Cristina einen königlichen Freibrief: Spanien war damit praktisch zu einer konstitutionellen Monarchie geworden.

An der Spitze der carlistischen Truppen, der sogenannten Requetés, stand Tomas Zumalacárregui, der aus den zunächst schlecht ausgebildeten und bewaffneten carlistischen Kämpfern eine reguläre Armee schmiedete. Hierzu war er zunächst weitgehend auf von den Regierungstruppen erbeutetes Material angewiesen, da die Regierung die spanischen Häfen und damit die Nachschubwege der Carlisten blockierte. Zu Beginn des Ersten Carlistenkriegs konnten die Carlisten trotz dieses Nachteils beachtliche Erfolge erzielen, und während der meisten Zeit sahen sich die Regierungstruppen in der Defensive. Zumalacárregui kontrollierte bald ganz Navarra und das ganze Baskenland mit Ausnahme der Festungen. Damit zog er sich allerdings den Argwohn des Prätendenten zu, welchen das gewaltige Ansehen, das Zumalacárregui bei den Soldaten genoss, in Sorge versetzte.

Die Gräueln, welche die einander mit großer Unerbittlichkeit gegenüberstehenden Parteien einander wie auch unbeteiligten Zivilisten zufügten, waren von einer Grausamkeit, daß andere europäische Mächte Cristinos und Carlisten im Rahmen des "Lord Elliot Agreement" zur Einhaltung gewisser Standards der Kriegführung bewegen mußten. Hinzu kam noch die Cholera - was die Liberalen zum Anlass nahmen, zu verbreiten, daß die Mönche die Brunnen vergiftet hätten. Als der Mob das Feindbild begeistert aufgriff und die Klöster stürmte, kamen über hundert Mönche ums Leben. Zwei Jahre nach Kriegsausbruch, im Juli 1835, ließ die Regentin die Gesellschaft Jesu verbieten und schloss außerdem im Oktober desselben Jahres eine Anzahl von Konventen. Was ein Akt der Beschwichtigung der kirchenfeindlichen städtischen Massen sein sollte, wurde im Gegenteil zu einem bis dahin beispiellosen Klostersturm. Hunderte von Klöstern wurden niedergebrannt, und zahlreiche Mönche verloren ihr Leben. Die Gewaltausbrüche gegen den Klerus haben viel zur Bitterkeit zwischen den spanischen Parteiungen beigetragen und sollten ein Leitmotiv des spanischen Kampfes der Liberalen gegen die Konservativen werden, das über die Semana Trágica bis hin zum Spanischen Bürgerkrieg noch oft neu inszeniert werden sollte.

Mitte 1835 schien die Sache der Cristinos verloren zu sein. Zumalacárregui kontrollierte fast ganz Spanien nördlich des Ebro, und seine Armee umfasste 30.000 Mann, deren Kampfkraft und Moral weit besser war als die der Regierungstruppen. Er plante nun, seine Kräfte zusammenzuziehen und direkt auf Madrid zu marschieren - ein Plan, der, wenn er umgesetzt worden wäre, gute Aussichten gehabt hätte, dem Prätendenten die Kontrolle über die Hauptstadt zu verschaffen. Carlos (V.) wünschte allerdings zur Lösung der Nachschubfrage zunächst die Kontrolle über einen Seehafen zu erlangen, und so wurde Zumalacárregui angewiesen, Bilbao zu belagern. Zumalacárregui zog sich hierbei am 14. Juni 1835 eine an sich ungefährliche Wunde in seiner Wade zu, als er von einer verirrten Kugel getroffen wurde. Er verlangte nach seinem englischen Leibarzt, der diese Wunde wohl unschwer hätte kurieren können, doch sandte ihm Carlos seine eigenen Ärzte, unter deren Behandlung Zumalacárregui am 24. Juni 1835 starb. Unter den Carlisten wurden deshalb Gerüchte laut, daß Zumalacárregui vergiftet worden sei.

1837 erschienen die Carlisten unter der Führung Carlos' (V.) schließlich noch vor Madrid. Allerdings blieb der erhoffte Aufstand in der Stadt aus, und die Hauptstadt konnte nicht genommen werden.

Der Erste Carlistenkrieg zeigt auch insoweit Parallelen zum Spanischen Bürgerkrieg von 1936, als sich auf beiden Seiten gewissermaßen Internationale Brigaden zeigten. Beide Parteien des gerade in den Jahren vor Ausbruch des Ersten Carlistenkriegs in Portugal ebenfalls zwischen Liberalen und Absolutisten ausgetragenen Miguelistenkriegs griffen in den Krieg ein, um der jeweils eigenen Seite in der spanischen Sache beizustehen. Auf carlistischer Seite bildeten portugiesische Einheiten sogar eine eigene Kompanie. Ferner griffen britische Hilfstruppen mit fast 10.000 Mann und die französische Fremdenlegion unter Colonel Bernelle von auf der Seite der spanischen Regierung in die Kämpfe ein. Für die Cristinos erfocht die französische Fremdenlegion die Siege von Terapegui 1836 und Huesca 1837. Nach Ende des Ersten Carlistenkriegs hatte die Fremdenlegion die Hälfte ihrer Mannschaft verloren.

Beendet wurde der Erste Carlistenkrieg, als sich Ermüdungserscheinungen auf beiden Seiten zeigten. Die Kommandeure den sich gegenüberstehenden Seiten - nämlich auf Seite der Carlisten General Maroto und auf der Seite der Cristinos General Baldomero Espartero - waren von ihrer früheren Tätigkeit in Südamerika her bekannt und befreundet. Sie einigten sich in einem freundschaftlichen Gespräch - dem sogenannten abrazo de Vergara (Verbrüderung von Vergara) - über die Köpfe der Regentin und des Prätendenten hinweg auf eine Einstellung der Kampfhandlungen. Don Carlos ging ins Exil, die Kämpfe erstarben allmählich, und die Liberalen behielten die Oberhand.

Der Sieg der liberalen Seite war allerdings nicht ganz vollständig, da den aufständischen Provinzen weiterhin die alten Vorrechte zugesichert wurden und den meuternden carlistischen Offizieren der Übertritt in die Reihen der spanischen Armee unter Wahrung ihres Dienstgrads und ihrer vollen Bezüge erlaubt wurde. Diese Lösung legte allerdings für ein volles Jahrhundert den Grund für den krassen Offiziersüberhang in der spanischen Armee - und damit für ihren Prätorianismus und die zahlreichen pronuniciamientos, von welchen Spanien bis hin zum Spanischen Bürgerkrieg geplagt wurde.

Aus dem Ersten Carlistenkrieg ging letzten Endes der General Espartero als lachender Dritter und als Sieger hervor. Er trieb 1841 die (nach überstandener Gefahr sich umgehend wieder den reaktionären Kräften zuneigende) Königinmutter vorübergehend ebenfalls ins Exil und wurde bis 1843 (und nochmals ab 1854) zum "starken Mann" Spaniens.

Der Krieg der Matiners (Zweiter Carlistenkrieg)

1845 kamen die Carlisten ihren Ambitionen am nächsten, als Heiratspläne zwischen dem Prätendenten Carlos (VI.) mit Isabella fast zum Erfolg geführt hätten. Die Pläne zerschlugen sich allerdings, und Isabella heiratete stattdessen am 10. Oktober 1846 ihren Vetter Franz d'Assisi Maria Ferdinand. Hierauf fand von 1847 - 1849 mit dem Zweiten Carlistenkrieg ein weiterer spanischer Bürgerkrieg statt.

Die Zählung der Carlistenkriege ist uneinheitlich. Gelegentlich wird der Krieg der Matiners nicht als eigener Carlistenkrieg in der Reihe gezählt und der Krieg von 1872 als der Zweite Carlistenkrieg bezeichnet.

Der Krieg der Matiners (auf Katalanisch guerra dels matiners, etwa: Krieg der Frühaufsteher) bezieht seinen Namen von einer Gruppe von Carlisten, die in Katalonien in der Erwartung losschlugen, dass sich wie im Ersten Carlistenkrieg die carlistischen Hochburgen ihnen anschließen würden, als diese tatsächlich jedoch dazu noch nicht bereit waren. Der Konflikt spielte sich darum hauptsächlich in Katalonien ab. An der Sitze der Truppen stand General Ramón Cabrera y Griño, welcher unter den Carlisten Ansehen genoss, da er während des ersten Carlistenkriegs auch nach dem abrazo de Vergara die Waffen nicht niedergelegt hatte und darum 1840 von den Cristinos samt seinen Truppen nach Frankreich vertrieben worden war. In der Schlacht von Pastoral von 1849 wurde Cabrera verwundet vom Schlachtfeld getragen und floh im April dieses Jahres nach Frankreich, während die Regierungstruppen dem Aufstand noch im darauffolgenden Mai ein Ende setzten.

Ein begrenzter Aufstand der Carlisten fand ferner 1855 statt, als der Prätendent Carlos (VI.) zu den Waffen rief, aber nur örtlich begrenzte Unruhen auslösen konnte.

Die Invasion von Tortosa

Im April 1860, als das Gros des spanischen Heers in Marokko durch eine Expedition gebunden war, suchte Carlos (VI.) die vermeintliche Gunst der Stunde zu nutzen und landete in San Carlos de la Rápita nahe Tortosa. Allerdings wurden seine Pläne bald zunichte gemacht und er selbst zum feierlichen Verzicht auf seine Rechte gezwungen.

Dieser Umstand und die Folge seiner Abdankung - die Prätendentenrolle fiel seinem liberalen Bruder Juan (III.) Carlos zu – führte zu einer bedrohlichen Krise des Carlismus, welche nur dank des Einsatzes der Stiefmutter beider Prätendenten, der Prinzessin von Beria, überstanden wurde und die erst endete, als Juan 1868 zugunsten Carlos (VII.) zur Abdankung gezwungen wurde.

Der Dritte Carlistenkrieg

Im September 1868 wurde Isabella durch einen von Cadíz ausgehenden Staatsstreich der liberalen Generäle Prim und Admirals Topete des Thrones enthoben, weil sie angeblich ihrem carlistischen Beichtvater zu sehr ihr Gehör geschenkt hatte. Nachdem die Frage ihrer Nachfolge indirekt zum Deutsch-Französischen Krieg von 1870 geführt hatte (indem Otto von Bismarck 1870 das Ansinnen Frankreichs, dass Wilhelm I. Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen zum Verzicht auf den ihm angebotenen spanischen Thron bewegen solle, mit der Emser Depesche zurückwies), wurde statt ihrer schließlich der Fürst von Aosta (Amadeus I.) zum spanischen König ausgerufen.

Carlos (VII.) in Uniform, aus Vanity Fair, 1876

Die Carlisten, deren Selbstbewußtsein sich nach dem Fall Isabellas und infolge der Unterstützung durch Papst Pius IX. sehr gehoben hatte, stellten als reguläre politische Partei in den Cortes 1871 etwa 90 Abgeordnete, womit sie bei weitem die stärkste konservative Kraft waren. 1872 fanden Wahlen statt; sie endeten darin, daß die Carlisten erhebliche Stimmverluste hinnehmen mußten. Der Prätendent Carlos (VII.) gelangte zu der Überzeugung, den Thron nur durch Waffengewalt besteigen zu können, und entfesselte den Dritten Carlistenkrieg, der sich bis in das Jahr 1876 hinzog.

Am 14. April 1872 rief Carlos zum allgemeinen Aufstand auf. In Navarra und im Baskenland erhoben sich die Carlisten, und aus Frankreich stieß der Prätendent hinzu. Am 4. Mai 1872 kam es in Navarra zur ersten größeren Schlacht, als Regierungstruppen in Oroquieta eine ungleich größere Zahl von Carlisten schlugen, während Carlos aber die Flucht gelang. Die baskischen Carlisten legten vorübergehend die Waffen nieder. Nun erhob sich jedoch Katalonien, von wo aus die Rebellion erneut auf Navarra und das Baskenland übergriff. Eine carlistische Armee, deren Mannschaftsstärke 50.000 Mann betrug, wurde bis 1873 auf die Beine gestellt.

Als König Amadeus am 11. Februar 1873 des Throns entsagte, wurde die Erste Republik ausgerufen, welche den Kampf gegen die Carlisten fortführte. Die Carlisten kämpften an vielen Fronten, insbesondere in Navarra und Katalonien, durchaus siegreich. Obwohl sie viele, auch kriegserfahrene Freiwillige für sich gewinnen konnten, mangelte es an Ausrüstung und an Kenntnissen über die Kunst der Belagerung von Städten. So scheiterten die Carlisten erneut vor der Festung Bilbao, welche von den republikanischen Truppen nach sechs Monaten der Belagerung entsetzt wurde. Mit diesem Erfolg der Republik begann das Blatt sich zu wenden, und die republikanischen Truppen konnten die Initiative an sich reißen. Auch Pamplona blieb 1875 den Carlisten trotz Belagerung verschlossen.

Carlos (VII.; Bildmitte) 1873 inmitten seiner Truppen

Bereits im Jahr 1875 aber fand die Republik nach Besetzung und Auflösung der Cortes mit der Inthronisierung des Sohns Isabellas, Alfons XII., ein Ende. Unter der Herrschaft Alfons' stellte die Armee im Februar 1876 durch ihre Siege gegen die Carlisten in Trevino (7. Juli 1875) und Montejurra (17. Februar 1876) die Einheit des Staats wieder her. Nach der verlorenen Schlacht von Montejurra flüchtete der unterlegene Carlos (VII.) nach Frankreich. Montejurra, wo die Carlisten die letzte Hoffnung fahren lassen mussten, wurde aber zu einer Art Wallfahrtsort der carlistischen Bewegung, wo traditionell bis heute Treffen der carlistischen Bewegung stattfinden.

In den unruhigen Jahrzehnten, die der Inthronisierung und der Verfassung von 1875 folgten, hatten die Carlisten weiter Bestand, engagierten sich aber im Gegensatz zu den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens vorwiegend friedlich. Der Marquis von Cerralba formte die carlistische Bewegung in eine moderne Partei (die Comunión Tradicionalista - CT) um und gestaltete nach 1888 ihr Vereinsleben und soziales Engagement neu. 1936 gab es in ganz Spanien hunderte Versammlungshäuser der Carlisten, die sogenannten "círculos" - Ortsgruppen, "an [deren] Spitze... meist ein erlesen höflicher Aristokrat mit der Pistole in der Tasche [stand]" (Hugh Thomas).

Bilanz der Carlistenkriege

Die Carlistenkriege, in welchen die Zentralmacht (wenngleich mitunter nur knapp) die Oberhand behalten konnte, ohne andererseits der carlistischen Bewegung endgültig Herr werden zu können, werfen ein Schlaglicht auf den spanischen Sonderweg: während im 19. Jahrhundert und namentlich um 1848 (als gerade der Krieg der Matiners tobte) in vielen Ländern Europas progressive Revolutionäre gegen ihre konservativen Staatsspitzen aufstanden, hatte es in Spanien umgekehrt eine liberale Staatsspitze mit einem Aufstand von Konservativen zu tun; stritten die Revolutionäre etwa in Österreich 1848 für eine Verfassung, stritten sie in Spanien gegen eine solche.

Keiner der Carlistenkriege konnte den Konflikt, der die spanischen Gesellschaft in zwei Teile zerriß, endgültig beilegen. Spanien blieb bis zum Ende des Spanischen Bürgerkriegs eines der politisch instabilsten Länder in Europa. Nirgendwo wurde der Konflikt zwischen den althergebrachten und neuen politischen Ideen so unerbittlich und erbarmungslos, mit solchem Hass und solcher Grausamkeit ausgefochten wie hier. Der Spanische Bürgerkrieg war letztlich nur ein Finale, auf welches die politische Entwicklung in Spanien seit sehr langer Zeit beinahe zwangsläufig zusteuerte und in dem zum letzten Mal versucht wurde, alle die alten Rechnungen zu begleichen und endgültig eine Entscheidung für eine der beiden Richtungen herbeizuführen.

Die Carlisten im 20. Jahrhundert

Die Carlisten bis 1931

Während des Ersten Weltkrieg stand der Prätendent Don Jaime ohne Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit der Comunión Tradicionalista, dem politischen Arm der carlistischen Bewegung, in Österreich unter Hausarrest. Als die Kommunikation nach Kriegsende wieder möglich war, kam es alsbald zum Bruch: war Don Jaime profranzösisch (eben deshalb hatte man ihn in Österreich festgesetzt), so war die politische Leitung der Carlisten während des Kriegs wegen der liberalen Zielsetzungen Frankreichs und Englands strikt prodeutsch gewesen. Darüber kam es zum Konflikt, und die prodeutschen Anhänger der Bewegung (die sogenannten Mellisten, nach ihrem Anführer Juan Vazquez de Mella) wurden aus der Partei ausgeschlossen.

Nach dem Dritten Carlistenkrieg beschränkte sich das Stammgebiet der Carlisten zunehmend auf Navarra. Im Baskenland und in Katalonien brachte der wirtschaftliche Aufschwung ein Unternehmertum hervor, welches einen westlichen, marktwirtschaftlichen Lebensstil und die dazugehörigen wirtschaftlichen und politischen Freiheiten anstrebte.

In Katalonien kam hinzu, daß die traditionelle Klientel der Carlisten, die Arbeiter und Bauern, sich zunehmend weniger konfessionell gebunden fühlte. Sie machte sich zumeist auch die Abneigung der Liberalen gegen dem Klerus und den kirchlichen Institutionen zu eigen und wandte sich dem Kommunismus und Anarcho-Syndikalismus zu.

Die Einwohner des ländlichen Baskenlands, mit Ausnahme allenfalls der Provinz Álava, die länger carlistisch geprägt blieb als die beiden Küpstenprovinzen, dagegen schlossen sich überwiegend der durch Sabino Arana Goiri begründeten nationalbaskischen Bewegung an. Diese wünschte, vereinfacht ausgedrückt, den auf das gesamte Spanien bezogenen carlistischen Gedanken, die Autorität des Königs und der Kirche zu bewahren, zwar weitgehend beizubehalten, aber auf das Baskenland alleine zu beschränken.

Nur in Navarra herrschte weiterhin eine freie Bauernschaft vor, die streng katholisch war, den Liberalen in Madrid grundsätzlich und in allen Belangen misstraute und aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen die moderne Welt weitgehend ablehnte. Bezeichnenderweise verwarf diese Provinz später auch das ihr angebotene Autonomiestatut der Zweiten Republik, welches im Baskenland und in Katalonien mit großer Mehrheit angenommen wurde. Für Navarra war eine von einer Republik gewährte Autonomie und die ihnen von alters her zustehenden fueros nicht dasselbe.

Die Haltung der Carlisten zur Diktatur Miguel Primo de Riveras, die von 1923-1930 dauerte, war uneinheitlich. Während seiner Diktator verhielt sich die Comunión Tradicionalista wie die meisten Parteien weitgehend passiv.

Die Carlisten und die Zweite Republik (1931-1936)

Nachdem 1931 der König Alfons XIII. vertrieben worden war, fanden die königstreue Legitimistische Partei und die Comunión Tradicionalista, die in Verfassungsfragen kaum unterschiedliche Positionen aufwiesen, zueinander und schlossen einen Pakt, den sie TYRE (Tradicionalistas y Renovación Española) nannten. Don Jaime starb aber schon bald darauf, und sein Onkel Don Alfonso Carlos, in den Augen der Carlisten nunmehr der rechtmäßige Prätendent, ließ den Pakt wieder aufkündigen. Hierauf kam es zu einer Spaltung der Carlisten; der bedeutendere Teil wendete sich von den Legitimisten ab und pflegte wie einst sein Gemeinschaftswesen in navarresischen Ortszirkeln. Hier bildeten sie von 1933 an Truppen aus, wie es allerdings die meisten politschen Lager, einschließlich der Falangisten, Anarchisten und der kommunistischen und sozialistischen Jugendverbände es in Erwartung einer großen Auseinandersetzung zu derselben Zeit taten. Die Ausbildung der carlistischen Aufgebote, welche wie einst als "Requetés" bezeichnet wurden, wurde dem während seiner Einsätze in Marokko hochdekorierten Obersten Enrique Varela anvertraut und von Benito Mussolini mit 1,5 Millionen Peseten finanziert.

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Historische Flagge der Comunión Tradicionalista

Die Zweite Republik (1931-1936) kam zwar den Randprovinzen mit der Einräumung weitgehender Autonomien weit entgegen. Gleichwohl standen die Carlisten dem Chaos und den Ausbrüchen allseitiger politischer Gewalt in Madrid sowie den nach ihrer Auffassung einseitig kirchenfeindlichen und ideologisch diktierten Maßnahmen, die die Zweite Republik von 1931 bis 1936 in reicher Zahl traf, mit größtem Ressentiment gegenüber. Doch selbst abgesehen von diesen Handlungen (wie der Kürzung der Bezüge der Dorfpriester, der Aufhebung der Ordensschulen und des erneuten Verbots der Gesellschaft Jesu) sahen die Carlisten getreu ihren hergebrachten staatsrechtlichen Vorstellungen die Republik an sich ohnedies als illegitim an und waren alleine schon deswegen nicht bereit, sich mit ihr abzufinden.

Hinzu kamen bereits im Vorfeld des Spanischen Bürgerkriegs zahlreiche gewalttätige Angriffe gegen den Klerus und Brandanschläge gegen spanische Kirchen meist von anarchistischer Seite, welche von der politischen Leitung der Republik oft nur mit einem Achselzucken quittiert wurde: am 10. Mai 1931 etwa schaukelte sich eine in Madrid stattgehabte monarchistische Ohrfeige für einen republikanischen Taxifahrer sich im selben Monat zu einer sich durch Spanien ziehenden Brandstiftungswelle an Kirchen und Klöstern auf. Hierauf ließ sich der Kriegsminister Manuel Azaña mit dem Spruch vernehmen, lieber sollten alle Kirchen brennen, als daß einem Republikaner ein Haar gekrümmt werde. Diese und andere Zwischenfälle polarisierten die spanische Gesellschaft weiter und trugen dazu bei, auch die nichtcarlistischen kirchentreuen Spanier zum Widerstand zu reizen, was den Carlisten zwischen 1931 und 1936 großen Zulauf bescherte. Ferner fanden die Mellisten zu den Carlisten zurück.

Mehrere hochrangige Anführer der Comunión Tradicionalista unterstützten bereits 1932 das gegen "die kirchenfeindliche Diktatur Azañas" gerichtete pronunciamiento des Generals José Sanjurjo Sacanell, und auch bei Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs sahen die Carlisten keinen Anlass, die Hand zur Verteidigung der Republik zu erheben.

Die Carlisten im Spanischen Bürgerkrieg und in der Zeit des Franquismus

So schlugen sich die Carlisten auf die Seite Francos, nachdem auf Basis eines Kompromißpapiers General Sanjurjos rechtzeitig vor der Erhebung am 17. Juli 1936 eine Einigung zwischen General Emilio Mola Vidal und dem Anführer der Comunión Tradicionalista, Manuel Fal Conde, über eine Beteiligung der Carlisten an dem pronunciamiento hergestellt worden war: Fal Conde hatte zunächst auf seinen Forderungen beharrt, daß der Aufstand unter monarchistischer Fahne geschehen und im Erfolgsfalle die Auflösung aller Parteien nach sich ziehen müsse.

Auf der Seite Nationalspaniens kämpften die Carlisten zur "Wiederherstellung der alten (Welt) mit Maschinengewehr und Meßbuch" (Hugh Thomas) mit etwa 50 banderas (Kompanien) gegen die Volksfront, viele von ihnen mit der detente bala (Stopp-die-Kugel) über dem Herzen, einem für die Carlisten typischen Amulett mit einer Abbildung des Herz Jesu. Mit 40.000 Freiwilligen diente nicht weniger als ein Zehntel der navarresischen Bevölkerung als brigada de Navarra unter den carlistischen Fahnen; die Verlustlisten der Carlisten erwähnten unter anderem schwerverletzte Fünfzehnjährige.

Bald aber gerieten sie in Streit mit der militärischen Führung der nationalspanischen Koalition, wobei Manuel Fal Conde nach einer Auseinandersetzung mit Francisco Franco nach Portugal verbannt wurde. Die Carlisten waren über diese Behandlung ihres Anführers erbost und stellten Kontakte mit einigen Anführern der faschistischen Falange her, die mit Franco ebenfalls nicht einverstanden waren. Mit der Falange konnte trotz der erheblichen Unterschiede zwischen beiden Bewegungen immerhin im Hinblick auf die Ablehnung des Liberalismus, der Demokratie und des "neunzehnten Jahrhunderts" eine gemeinsame Basis gefunden werden. So wurde Fal Conde in Portugal der Vorschlag unterbreitet, die carlistische und die falangistische Bewegung zu vereinen. Verhandlungen wurden geführt, allerdings gelangten die Carlisten zur Ansicht, daß die Falange im wesentlichen nur darauf aus war, die carlistisch-traditionalistische Bewegung zu schlucken, weshalb sie schließlich eine Verschmelzung ablehnten.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich allerdings bereits Franco mit dem Gedanken einer Verschmelzung des Comunión Tradicionalista mit der Falange angefreundet. Dies geschah infolge der Bemühungen des politischen Beraters Francos, Ramón Serrano Suñer, den Staat der nationalspanischen Koalition unter Franco auf eine theoretische oder sogar ideologische Basis zu stellen. Nach seiner Ansicht konnte keine der Parteien der nationalspanischen Koalition für sich genommen eine solche Basis bieten, und zwar weder die Falange noch die Carlisten - vielleicht aber beide zusammen. Hinzu kam, daß die Ziele der einzelnen Organisationen unterschiedlicher nicht hätten sein können: wollten die Carlisten letztlich auf einen spanischen Staat des 16. Jahrhunderts zurück, so hielt die Falange, der ein "nationaler Syndikalimus" im Sinne eines faschistisch-korporativen Systems vorschwebte, nichts von alldem. Franco beschloß, Nationalspanien endgültig eine einzige Richtung, und zwar seine eigene, zu geben. 1937 wurde die Comunión Tradicionalista mit der faschistischen Falange Española de las JONS zu der Organisation "Falange Española Tradicionalista y de las JONS" zwangsvereinigt, die als Parteiuniform das falangistische Blauhemd mit der carlistischen roten Baskenmütze erhielt. Haupt dieser Organisation wurde Franco, obwohl er weder Falangist noch Carlist war, womit er beide Organisationen unter seine Kontrolle brachte und so seine Stellung im nationalspanischen Lager ungemein stärkte. Um die interne Opposition weiter zu verwässern, ordete Franco außerdem an, daß alle Berufs- und Reserveoffiziere automatisch Mitglied dieser Organisation seien. Der amtierende Prätendent, Don Javier, protestierte gegen diese Zwangsvereinigung zu welcher man ihn nicht gefragt hatte, und wurde ebenfalls nach Portugal vertrieben.

Die olympische Verachtung, die Franco für die Spanier, für Freund und Feind empfand, äußerte sich von Anfang an in der Auffassung von dem Staat, zu dessen Oberhaupt er sich ausrief. [...] Unterstützt von einem unübersichtlichen Konglomerat von Faschisten, die sich "Falangisten" nannten (d.h. Republikaner und Syndikalisten), "Traditionalisten", also religiös verwurzelten Karlisten, "Juntas de ofensiva nacional sindicalista", also Nazis mit Knoblauchsuppe, knetete er diese seelenruhig wie einen Brotteig zusammen zur "Falange Española Tradicionalista y de las JONS". Konnte man sich eine größere Beleidigung dieser drei Gruppen mit ihren grundverschiedenen Ideologien denken? Aber sie hörten ihn unbewegt, dann begeistert an, weil es ihnen dabei um nicht wenig politische Macht ging, zum ausschließlichen und monopolistischen Gebrauch. (Salvador de Madariaga, Spanien, 1979)

Im Rahmen der "F.E.T. y de las JONS" stellten die Carlisten nach dem Krieg wesentliche Teile der Staatspartei des Franquismus, welche ab 1970 den Namen Movimiento Nacional führte, wobei die Carlisten allerdings auch in der Folgezeit weiterhin mit Franco gelegentlich über Kreuz lagen. Traditionell stand im franquistischen System der Posten des Justizministers einem loyalen Carlisten zu.

Nach der Wiedereinführung der Monarchie 1947 zerschlugen sich die Hoffnungen der Carlisten erneut, als Franco unter den vielen in Frage kommenden Prätendenten sich für den Enkel Alfons' XIII., Juan Carlos, entschied.

Die Carlisten nach 1975

Eine anhängerstarke Bewegung blieben die Carlisten noch bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Der Sohn des Prätendenten Francisco Javier namens Carlos-Hugo de Borbón-Parma, der sich mit der 68er-Bewegung identifizierte, überwarf sich 1967 mit Franco und begründete eine weit linksgerichtete Carlistengruppe, die ab 1971 den Namen Partido Carlista (PC) führte und nach einer politischen Neuorientierung auf dem Carlistischen Volkskongress von 1972 einen föderalistisch-autonomistischen sozialistischen Kurs, welcher sowohl vom II. Vatikanischen Konzil beeinflusst war als auch Elemente der Befreiungstheologie aufgriff. Bei Francos Tod 1975 - Carlos-Hugo war inzwischen selbst Prätendent - war der 1977 legalisierte Partido Carlista eine weit linksgerichtete Organisation, die sich unter anderem an der Gründung der Izquierda Unida (Vereinigte Linke) beteiligte. Alles dies führte zu einer irreparablen Spaltung der seit ihren Ursprüngen konservativ-katholischen Carlistenbewegung und zur Wiedergründung einer weit rechtsgerichteten traditionalistischen Partei, der Comunión Tradicionalista Carlista (CTC), unter Carlos-Hugos Bruder Don Sixto im Jahr 1986. Jedenfalls unmittelbar nach Francos Tod standen sich beide Seiten derart feindselig gegenüber, dass traditionalistische Carlisten oder wenigstens ihnen nahestehende Kreise mit einem Bombenanschlag auf eine Versammlung der PC auf dem Montejurra im Jahr 1976, der zwei Todesopfer forderte, in Verbindung gebracht wurden.

Bereits bei den ersten freien Wahlen 1977 zeigte sich, daß die Carlisten es infolge ihrer Selbstlähmung durch Uneinigkeit im Zuge nur eines Jahrzehnts politisch in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht waren. Der PC brachte es sogar im navarresischen Regionalparlament 1979 lediglich auf 4,79% der Stimmen und einen einzigen Sitz, war ab 1983 dort nicht mehr vertreten und fährt inzwischen als Splitterpartei weit unter 1% der Stimmen ein - 2003 waren es 0,34% der Stimmen. In zahlreichen navarresischen Gemeinderäten haben die Carlisten, vor allem die linke PC, jedoch bis heute Sitz und Stimme.

Es gibt Ansichten, dass dieser Niedergang der carlistischen Bewegung nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen ist, dass dem amtierenden König Juan Carlos I. nach der Ansicht der überwältigenden Mehrheit der Spanier in weit höherem Maße als jedem Prätendenten Legitimität zukommt. Diese Legitimität habe Juan Carlos spätestens durch seinen Einsatz für die Transition Spaniens, die Einführung der parlamentarischen Demokratie, ihre Verteidigung gegen den Putschversuch von 1981 sowie durch seine Mitwirkung an der föderativen Verfassung erworben, während die Prätendenten hauptsächlich durch nicht mehrheitsfähige politische Ansichten und nicht enden wollenden Familienzwist von sich reden machten.

Politische und gesellschaftliche Ziele des Carlismus

Allgemeines

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Symbol der Carlistenbewegung

Es ist nicht leicht, den Carlismus zutreffend zu kategorisieren, da die Carlisten niemals monolithisch waren, während ihrer langen Geschichte kontinuierliche Entwicklungen durchmachten und Einflüsse anderer politischer Richtungen aufnahmen, wie auch andere politische Richtungen carlistisches Gedankengut übernahmen - etwa das soziale Engagement, das bei den Carlisten zum Beispiel in der Gründung christlicher Gewerkschaften zum Ausdruck kam. Ursprünglich aus einem Rückzugsgefecht des spanischen Ancien Régimes entstanden, definierte der Carlismus sich durch die Zeiten wiederholt neu, um den Anschluss an die Zeit nicht zu verlieren: um seine Vorstellungen durchzusetzen, focht der Carlismus zuerst Kriege aus, um dann zu einer parlamentarisch tätigen politischen Partei und unter dem Franquismus schließlich zu einer Art Interessenverband zu werden.

Die Carlisten galten jedenfalls in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorwiegend als Partei des niederen Adels, waren aber bei ihrem zahlenmäßig beachtlichen Anhang bei den Bauern und Arbeitern auf diese Gruppe keineswegs beschränkt. Sie waren tief konservativ und streng katholisch. Als Monarchisten lehnten die Carlisten die Idee der Volkssouveränität ab, propagierten aber keine diktatorische, sondern eine auf freiwilliger Basis durch Glaube, Sitte und Gesetz eingehegte Königsherrschaft. Der Historiker Hugh Thomas illustriert die damit in der Praxis verbundene Auffassung von Politik wie folgt: Als der Fraktionsvorsitzende der Carlisten in den Cortes, der Graf von Rodezno, 1931 gefragt wurde, wer im Falle einer Rückkehr des Königs wohl Ministerpräsident werden würde, soll er die folgende bezeichnende Antwort gegeben haben: "Sie oder einer von den Herren hier, es handelt sich doch nur um Sekretärsstellen ...ich [selbst aber] bliebe beim König, und wir würden von der Jagd sprechen." Hugh Thomas zufolge "gehörte zum Kern der carlistischen Gesellschaftsauffassung... [d]ass die Politik auf der Jagd gemacht wird".

Die Carlisten galten als (auf ihre jeweilige Heimatprovinz bezogen) betont patriotisch, ohne Nationalisten zu sein. Ihr Motto lautete: „Dios, Patria, Fueros, Rey“ (Gott, Vaterland, Selbstbestimmungsrecht, König).

Der Einfluss dieser die spanische Geschichte durch mehr als ein Jahrhundert nachhaltig prägenden Bewegung auf das heutige Spanien war vielfältig. Der baskische Nationalismus hat carlistische Wurzeln (man vergleiche das Motto der christkonservativen EAJ/PNV: Jainkoa eta Lege Zaharrak ("Gott und das alte Recht"). Carlisten gründeten ferner mit den "Sindicatos libres" die ersten christlichen Gewerkschaften Spaniens.

Verhältnis von Kirche und Staat

Das carlistische Verständnis und Staat und Gesellschaft basierte wesentlich auf ihren idealen Vorstellungen eines Verhältnisses zwischen Staat und Kirche, wie es in Spanien in der Zeit vor der Aufklärung vorgeherrscht hatte. Im wesentlichen machten vier Elemente die gesellschaftspolitischen Vorstellungen aus, auf welche die Carlisten hinaus- oder besser zurückwollten: religiöse Einheit des Volks, ein auf religiösen Glaubenssätzen aufgebautes staatliches und gesellschaftliches System, Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat und Freiheit der Kirche. Bezeichnenderweise verbanden die Carlisten bei ihren Zusammenkünften stets politische mit religiösen Elemente: einer politischen Ansprache pflegte das Lesen einer Messe voranzugehen.

Die carlistischen Vorstellungen vom Staatswesen waren dem Mittelalter entlehnt. Eine Trennung von Kirche und Staat war nicht vorgesehen. Zudem konnte die Religion keine Privatsache sein, denn die katholische Konfession und die christlichen Werte sollten nach carlistischer Auffassung das Fundament der Gesellschaft sein. Hierzu wurde in Rückgriff auf das spanische Mittelalter die völlige konfessionelle Einigkeit des spanischen Volkes als erforderlich angesehen. Deswegen lehnte der Carlismus Religionsfreiheit strikt ab. Daß im Zuge des Entwurfs der Verfassung von 1869 die Carlisten in den Cortes im Streit um die Gewährung der Religionsfreiheit unterlagen, wird deswegen als einer der Gründe für den erneuten Griff zu den Waffen wenige Jahre später angesehen.

Die Carlisten sahen die politische Entwicklung Europas im 19. Jahrhundert als die in eine europäische Revolution übergegangene Französische Revolution an, welche ihrer Ansicht nach in allen europäischen Ländern einschließlich Spanien fortwährend im Sinne ihrer politischen Gegner, der Liberalen, am Werk war. In diesem Sinne äußerte sich der Prätendent Carlos (VII.) wie folgt: "Die spanische Revolution ist nur eines der Bataillone der großen kosmopolitischen Revolution. Wesentliches Merkmal der letzteren ist die vollständige Verneinung der Herrschaft Gottes über die Welt; ihr Ziel besteht in der völligen Zerstörung der Grundlagen, welche durch das Christentum hervorgebracht worden sind und auf welchen die menschliche Gesellschaft begründet ist." Die Carlistenkriege sowie der Spanische Bürgerkrieg waren nicht nur politisch motiviert, sondern waren auch religiöse Kreuzzüge. So bezeichneten die Carlisten den Spanischen Bürgerkrieg offen als cruzada (Kreuzzug).

Symbole des Carlismus

Symbole der Carlisten sind ein rotes Burgundisches Andreaskreuz auf weißem Grund sowie rote Baskenmützen (auf baskisch txapelgorri genannt). Ihre Hymne ist der "Marsch von Oriamendi", benannt nach einer Schlacht des Ersten Carlistenkriegs 1837.

Marcha de Oriamendi

Por Dios, por la patria y el Rey
Lucharon nuestros padres.
Por Dios, por la patria y el Rey
Lucharemos nostrosos también.

Lucharemos todos juntos
Todos juntos en unión
Defendiendo la bandera
De la Santa Tradición.

Cueste lo que cueste
Se ha de conseguir
Venga el rey de España
A la corte de Madrid.

Por Dios, por la patria y el Rey
Lucharon nuestros padres.
Por Dios, por la patria y el Rey
Lucharemos nostrosos también.

Marsch von Oriamendi

Für Gott, das Vaterland und den König
Haben unsere Väter gekämpft,
Für Gott, das Vaterland und den König
Kämpfen auch wir.

Wir kämpfen alle vereint,
Alle vereint und in Einigkeit
Und verteidigen das Banner
Der heiligen Tradition.

Koste es, was es wolle,
Wir müssen es erreichen,
Den König von Spanien
Am Hof zu Madrid zu rächen.

Für Gott, das Vaterland und den König
Haben unsere Väter gekämpft,
Für Gott, das Vaterland und den König
Kämpfen auch wir.

Es wurden über die Zeiten verschiedene Versionen des "Marsches von Oriamendi" gesungen. Von 1936 bis 1939 etwa sang man anstatt "venga el rey de España a la corte de Madrid" - "que los boinas rojas entren en Madrid" ("daß die roten Mützen in Madrid einziehen").

Die Prätendenten

Prätendenten von 1834-1936

  • Carlos (VI.) Luis de Borbón y Braganza. Sohn des vorhergehenden Prätendenten (* 31. Januar 1818 in Madrid; † 13. Januar 1861 in Triest). Auch bekannt als Graf von Montemolín. Prätendent von 1845 bis 1860. Abdankung in Konsequenz seiner Gefangennahme durch Isabellas Truppen in Tortosa.
  • Juan (III.) Carlos de Borbón y Braganza. Bruder des vorhergehenden Prätendenten (* 15. Mai 1822 in Aranjuez; † 21. November 1887 in Brighton). Auch bekannt als Graf von Montizon. Prätendent von 1860 bis 1868. Wegen seiner Neigung zum Liberalismus zur Abdankung gezwungen, da ihm nach Ansicht der Carlisten keine "Legitimität durch Taten" (nicht nur durch Abstammung) zustand. 1883 wurde er Haupt der königlichen Familie der Capets und konnte damit den französischen Thron beanspruchen.
  • Carlos (VII.) Maria de los Dolores de Borbón y Austria-Este. Sohn des vorhergehenden Prätendenten (* 30. März 1848 in Laibach; † 18. Juli 1909 in Varese). Auch bekannt als Herzog von Madrid. Prätendent von 1868 bis 1909. Anführer der Bewegung während des Dritten Carlistenkrieges.
  • Alfonso Carlos (I.) de Borbón y Austria-Este. Onkel des vorhergehenden Prätendenten, Bruder Carlos' (VII.) (* 12. September 1849 in London; † 29. September 1936 in Wien). Auch bekannt als Herzog von San Jaime. Prätendent von 1931 bis 1936. Letzter männlicher Thronerbe der carlistischen Linie.

Spätere Prätendenten

Nach dem Tod Alfonso Carlos' war Alfons XIII. Familienoberhaupt, der nach Rom ins Exil gegangene frühere König Spaniens, womit theoretisch die Spaltung der spanischen Bourbonen in zwei sich befehdende Linien behoben hätte sein können. Allerdings waren viele Carlisten der Ansicht, daß Alfonso XIII. und sein Sohn Juan, Graf von Barcelona, sich unter dem Gesichtspunkt der "Legitimität durch Taten" als Anführer der Bewegung disqualifiziert hatten.

Alfonso Carlos, der letzte Prätendent, hatte kurz vor seinem Tod noch selbst Prinz Francisco Javier de Borbón-Parma als Regenten bestimmt, da dieser der am nächsten verwandte Bourbone war, der die carlistischen Ideale hochhielt. Francisco Javier kehrte während des Zweiten Weltkriegs nach Belgien zurück, in dessen Armee er während des Ersten Weltkriegs gedient hatte. Dort wurde er demobilisiert, woraufhin er sich dem französischen Widerstand anschloss. Von den Nationalsozialisten gefangengenommen, wurde er in Natzweiler und Dachau interniert, wo die amerikanischen Truppen ihn 1945 befreiten. 1952 verkündete er öffentlich seinen Anspruch auf den spanischen Thron. Dieser Rang wurde ihm und seinem Sohn Carlos-Hugo de Borbón-Parma von Juan, Graf von Barcelona und Vater des derzeitigen Königs von Spanien, Juan Carlos I. (Spanien), abgestritten, weil Francisco Javier unebenbürtig geheiratet hatte und außerdem - ebenso wie Carlos-Hugo - die spanische Staatsbürgerschaft nicht besaß. Juan beanspruchte daher selbst, das Haupt der Familie Borbón-Parma zu sein.

Franco selbst äußerte sich nicht zu den Ansprüchen Francisco Javiers und Carlos-Hugos, weil diese seinen Bestrebungen entgegen kamen, Uneinigkeit unter den spanischen Monarchisten zu stiften. Insbesondere war Franco daran gelegen, dass sich die spanischen Monarchisten nicht hinter dem Grafen von Barcelona vereinten, welcher sich ausdrücklich für die Schaffung einer parlamentarischen Demokratie ausgesprochen hatte, während Franco von einem künftigen König die volle Identifizierung mit dem "Movimiento Nacional" erwartete.

Obwohl der Umstand, dass ihnen keine spanische Staatsbürgerschaft zukam, keineswegs unumstritten war (der nie aufgelöste Vertrag von Aranjuez von 1801 sicherte allen Prinzen von Borbón die spanische Staatsbürgerschaft zu), stellten Francisco Javier und Carlos-Hugo einen Antrag auf Einbürgerung. Franco tat das seine, dass eine Entscheidung über diesen Antrag immer weiter hinausgezögert wurde. Auch davon abgesehen ließ er keine Gelegenheit verstreichen, die verschiedenen Thronanwärter gegeneinander auszuspielen. Als etwa Juan Carlos sich 1962 zu seiner Heirat nach Athen begab, lud Franco den inzwischen in Madrid lebenden Carlos-Hugo zu einem Treffen ein, wonach er den Grafen von Barcelona wissen ließ, dass er sich nun einen anderen Kandidaten überlegt habe. Allerdings begann Carlos-Hugo in diesem Jahren von Franco abzurücken und griff Juan Carlos als eine angebliche Marionette Francos an. Juan, den Grafen von Barcelona, bezeichnete er als Liberalen, Zentralisten sowie als Günstling des Kapitalismus und des Establishments. Carlos-Hugos Anhänger sahen sich deshalb dazu veranlaßt, Juan Carlos bei öffentlichen Auftritten mit faulem Gemüse zu bewerfen.

1964 heiratete Carlos Hugo Prinzessin Irene der Niederlande. In den Flitterwochen ließ sich Irene in einem Bikini ablichten, einem Kleidungsstück, welches in Spanien damals als obszön betrachtet wurde. Franco nutzte die öffentliche Empörung, Carlos-Hugo dadurch herabzusetzen, dass die Einladung zu einer Audienz bei Franco mit "Prinzessin Irene der Niederlande und ihr Mann" übertitelt wurde. Daraufhin brach Carlos-Hugo sowohl mit Franco als auch mit seinem traditionalistischen Vater und begann, einen linken Kurs zu verfolgen. In der Volksabstimmung von 1966, welche einer neuen Verfassung galt, rief Francisco Javier seine Anhänger dazu auf, mit "Ja" zu stimmen, wohingegen Carlos-Hugo seinen Vater dadurch bloßstellte, dass er ihm deshalb öffentlich die "Legitimität durch Taten" absprach. Damit war der Bruch innerhalb der carlistischen Bewegung besiegelt. Francisco Javier tat ein weiteres und bekundete seine Unterstützung für den baskischen und katalonischen Separatismus. Franco, dem das zuviel war, ließ alle Prinzen von Borbón-Parma aus Spanien ausweisen.

Carlos-Hugo und mit ihm seine Anhänger verfolgten nach seinem Bruch mit Franco 1967 die Idee eines partikularistischen Sozialismus. Am 8. April 1975 dankte Francisco Javier zugunsten von Carlos-Hugo ab. Die Anführer der carlistischen Bewegung forderten Carlos-Hugo dazu auf, sich für ihre traditionalistische Linie auszusprechen. Als Carlos-Hugo darauf nicht reagierte, erklärten sie ihn seines Rechts auf Führerschaft für verlustig. Carlos-Hugo verwahrte sich allerdings dagegen, auf irgend ein Recht verzichtet zu haben. Die Bewegung teilte sich nunmehr offiziell in den "Partido Carlista" Carlos-Hugos und verschiedene - von seinem Bruders Sixto angeführte - traditionalistische Gruppen, die sich 1986 unter Sixto zur "Comunión Tradicionalista Carlista" (CTC) vereinigten.

Damit beanspruchte Sixto Enrique de Borbón-Parma die Anführerschaft der carlistischen Bewegung und nahm für sich in Anspruch, der legitime Prätendent zu sein. Beide beriefen sich auf ihren am 7. Mai 1977 verstorbenen Vater. Die Hintergründe sind unklar. In einem Manifest vom 4. März 1977 verurteilte Francisco Javier (angeblich auf nachdrückliches Betreiben Sixtos) die immer linkere Politik Carlos-Hugos, während - nachdem Carlos-Hugo seinen Vater aus dem Hospital geholt hatte - ein drei Tage später verfasstes Papier Carlos-Hugo als Erben auch in Hinblick auf den Thronanspruch bezeichnete. Die Mutter beider Prätendenten hielt jedenfalls zu Sixto und ging so weit, Carlos-Hugo von ihrem eigenen Begräbnis 1984 aususchließen.

1980 zog sich Carlos-Hugo aus der Politik zurück und trat aus dem Partido Carlista aus, ohne seine Ansprüche auf den Thron aufzugeben.

Weitere Prätendenten

  • 1958 erkannte eine zahlenmäßig starke Gruppe von Carlisten Juan Carlos als Oberhaupt an.
  • 1960 proklamierte eine zahlenmäßig starke Fraktion auf dem Montejurra den ältesten Sohn Alfonsos XIII. Jaime (IV.) als Prätendenten, welcher eigentlich wegen seiner Schwerhörigkeit die Rechte auf den spanischen Thron an seinen jüngeren Bruder Juan, den Grafen von Barcelona, abgetreten hatte.
  • Von 1943 bis 1953 beanspruchte außerdem Erzherzog Karl Pius von Habsburg-Lothringen-Toskana die Führerschaft der Bewegung.

Daneben gab es eine Anzahl Carlisten, die weder die letztgenannten Prätendenten noch auch Francisco Javier oder Carlos-Hugo als Oberhaupt anerkannten.

Triest - Sitz und Grablege der carlistischen Prätendenten

Ihren "Hof" hielten die carlistischen Prätendenten bis 1874 in Triest (Italien). Die Wahl Carlos' (V.) fiel auf diese Stadt, weil die Herzogin von Berry, die Schwester der Ehefrau Carlos' (V.), ein Gebäude in der Via Lazzaretto Vecchio Nr. 9 besaß, dessen ersten Stock sie selbst bewohnte. Den zweiten Stock des Gebäudes überließ sie Carlos (V.). 1874 starb die Prinzessin von Beira, Carlos' (V.) zweite Ehefrau, was dazu führte, das Triest als Sitz der Prätendenten aufgegeben wurde.

Die Grablege der carlistischen Prätendenten ist die Kathedrale San Giusto zu Triest, die deshalb auch der "carlistische Escorial" genannt wird. Hier sind die Prätendenten Carlos (V.), (VI.) und (VII.) und Juan (III.) beigesetzt, sowie

  • die beiden Ehefrauen Carlos' (V.) - María Francisca de Asís y de Borbón (1800 - 1816) und María Teresa de Braganza y de Borbón, Prinzessin von Beira (1793 - 1874),
  • die Ehefrau Carlos' (VI.) - María Carolina de Borbón-Dos Sicílias (1820 - 1861),
  • der Infant Fernando de Borbón y de Braganza (1824 - 1861), Sohn Carlos' (V.),
  • Francisco José Carlos de Habsburgo y de Borbón (1905 - 1975), Enkel Carlos' (VII.).

In Parzelle Nr. 111 des Friedhofs von Santa Anna zu Triest liegen darüber hinaus 24 Mitglieder des carlistischen Hofgefolges. Diese Parzelle wurde 1868 von der Prinzessin von Beira angekauft; dem Grabstein sind die folgenden Worte zu entnehmen: Seguito dell'Augusta Signora Maria Teresa di Borbone, Contessa de Molina.

Die anderen Prätendenten wurden an anderen Orten bestattet:

  • Jaime (III.) sowie Blanca de Borbón y Borbón-Parma, die Ehefrau Carlos' (VII.), in Viareggio (Italien),
  • Alfonso Carlos und seine Frau, María de las Nieves de Braganza, in Schloß Puchheim (Österreich).

Siehe auch

Weblinks

Literatur

Leider ist dem Autor kein in deutscher Sprache verfasstes Sachbuch bekannt, welches sich explizit mit dem Carlismus und den Carlistenkriegen auseinandersetzt. Die folgenden Bücher befassen sich mit der spanischen Geschichte des 19. und 20 Jahrhunderts und behandeln in diesem Zusammenhang die Carlistenkriege sowie den Carlismus mit unterschiedlicher Ausführlichkeit.